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Georg Schütte wird Chef der Volkswagenstiftung

Nachfolger als BMBF-Staatssekretär wird Wolf-Dieter Lukas. Warum Schütte für den Forschungsförderer die richtige Wahl ist – und was sein Weggang für das Bundesforschungsministerium bedeutet.

Georg Schütte (links), Wolf-Dieter Lukas (rechts). Quellenangaben: siehe unten. 

 


DASS ER EIN AUGE auf die Stelle geworfen hatte, war vielen in der Szene nicht verborgen geblieben, doch erst seit heute Nachmittag steht fest: Georg Schütte, seit 2009 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), wird Nachfolger von Wilhelm Krull als Generalsekretär der Volkswagenstiftung. Der 56 Jahre alte Schütte hatte in der Kuratoriumssitzung von Deutschlands zweitgrößter Forschungsförderorganisation als einziger Kandidat zur Wahl gestanden. Er soll das Amt zum 1. Januar 2020 von Krull übernehmen, der seit 1996 amtiert.

 

"Private Stiftungen stehen für Innovation und Verlässlichkeit", sagte Schütte nach seiner Wahl. Er freue sich darauf, "mit und in der Volkswagenstiftung Wissenschaft in Deutschland auf höchstem Niveau zu fördern." Die Stiftung stellt zurzeit jährlich rund 150 Millionen Euro ausschließlich an Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen bereit. Das Kuratorium wird je zur Hälfte vom Land Niedersachsen und von der Bundesregierung berufen, die die Stiftung 1961 gemeinsam mit Erlösen aus VW-Aktienverkäufen gegründet haben. Seitdem hat der private Wissenschaftsförderer mehr als 30.000 Projekte finanziert, die Forschungsförderung der Stiftung gilt als besonders kreativ. 

 

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende ist, verliert damit auch den zweiten von ihrer Vorgängerin Johanna Wanka übernommenen beamteten Staatssekretär. Doch im Gegensatz zum völlig überraschenden und unfreiwilligen Abgang von Cornelia Quennet-Thielen vor fast genau einem Jahr war es diesmal keine Trennung im Streit. Und noch dazu war sie von langer Hand und im Guten vorbereitet.

 

Lukas wurde noch unter Edelgard Bulmahn
BMBF-Abteilungsleiter

 

Seit Schütten Stiftungs-Ambitionen ernst geworden waren, hatte Karliczek in Ruhe einen Nachfolger gesucht. Den präsentierte sie heute auch gleich, wenige Minuten nachdem die VolkswagenStiftung die Wahl Schüttes vermeldet hatte. Es ist der Physiker Wolf-Dieter Lukas, 62. Auch das eine spannende Personalie: Lukas, Leiter der BMBF-Abteilung 5 ("Forschung für Digitalisierung und Innovationen") wurde noch zu Zeiten der Regierung Schröder von Edelgard Bulmahn (SPD) berufen. Er ist seit 14 Jahren im Amt, nur hieß seine Abteilung damals "Schlüsseltechnologien". Lukas gilt als fleißig und konstruktiv, er hat zuletzt unter anderem die BMBF-Strategie zur Künstlichen Intelligenz vorangetrieben. Er soll schon am 1. September zum Staatssekretär ernannt werden. 

 

Allerdings hat Karliczeks Entscheidung einen Haken, und der wurde auch gleich in den Sozialen Netzwerken kommentiert: "Damit bleiben es weiterhin 4 Männer auf 4 Staatssekretärs-Posten", schrieb zum Beispiel die Berliner Psychologieprofessorin Jule Specht, früher Sprecherin der Jungen Akademie, bei Twitter.

 

Das ist offenbar auch der Ministerin bewusst. In ihrem direkt nach Schüttes Wahl verschickten internen Schreiben "an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMBF" teilte Karliczek mit, dass Lukas' bisherige Abteilung künftig von einer Frau geführt wird. Die Informatikerin Ina Schieferdecker, Jahrgang 1967, kommt vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme, das sie seit 2015 leitete. Schieferdecker hat parallel eine Professur an der Technischen Universität Berlin inne und ist Gründungsdirektorin des im 2017 gegründeten und vom Bund geförderten Weizenbaum-Instituts für die vernetze Gesellschaft (dem "Deutschen Internet-Institut"). Schieferdecker von Kollegen als wissenschaftlich exzellent beschrieben, sie ist politisch gut vernetzt und hat sich vielfach in der Politikberatung engagiert. 

 

Profiteur des BMBF-internen Umbaus ist auch Schüttes bisheriger Staatssekretärs-Kollege, der im vergangenen Herbst ins Amt gekommene Christian Luft. Bislang war er als Staatssekretär für Lukas' bisherige Abteilung 5 mit zuständig, diese Verantwortung gibt er an Lukas ab. Dafür erhält er aus Schüttes bisherigem Zuständigkeitsbereich die Zentralabteilung – und steigt damit zum BMBF-Amtschef auf. 

 

Die Wissenschaftspakte tragen
Schüttes Handschrift

 

Zurück zu Georg Schütte. Für die Volkswagenstiftung ist der für seine ausgleichende, überlegte Art geschätzte promovierte Kommunikationswissenschaftler ein enormer Gewinn. Zu den Schwerpunkten der Stiftung mit Sitz in Hannover zählt die Wissenschaftskommunikation. Außerdem bringt Schütte ein enormes Reservoir an Erfahrungen und Kontakten mit. Er hat die deutsche Fulbright-Kommission geleitet, von 2004 bis 2009 war er Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Seine zehn Jahre als BMBF-Staatsekretär krönte er gerade erst mit seinem Erfolg als Verhandlungsführer: Die Anfang Mai von Bund und Ländern besiegelten Wissenschaftspakte tragen zu wesentlichen Teilen Schüttes Handschrift. Unter seinen Kollegen in den Landesministerien genießt er parteiübergreifend großen Respekt. 

 

Mit Karliczek schien er sich zuletzt besser arrangiert zu haben. Zu Beginn der Zusammenarbeit hatte es ein-, zweimal kräftig geruckelt – etwa als sie im Juni 2018 in letzter Sekunde eine bereits verschickte Beschlusslage Schüttes zur Integration des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in die Charité (BIG) wieder einsammeln ließ. In wenigen Tagen nun soll die Integration aber doch noch beschlossen werden in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK).

 

Zu Schüttes Verständnis von Loyalität gehörte freilich auch, die Verständigung mit der Ministerin zu suchen. Und als Anfang Mai die Wissenschaftspakte standen, ließ er keine Gelegenheit aus, um die Ministerin in Hintergrundgesprächen für ihre konstruktive und aus seiner Sicht für den Abschluss der Verhandlungen entscheidende Rolle zu preisen. Gemusst hätte er das nicht. In ihrer Presse-Stellungnahme wie auch in ihrem internen Schreiben an die BMBF-Mitarbeiter lobt Karliczek den scheidenden Staatssekretär denn auch überschwänglich. Als Amtschef habe er entscheidend dazu beigetragen, das Ministerium weiterzuentwickeln. "Er war auch für mich persönlich eine große Unterstützung. Dafür danke ich ihm sehr."

 

Trotzdem war es nun offenbar Zeit für einen Neustart. Wilhelm Krull hinterlässt die Volkswagenstiftung mit einem ausgezeichneten Ruf. Er werde sich nun einer neuen Aufgabe außerhalb der Stiftung zuwenden, hieß es. Wer Krull kennt weiß: Das meint er trotz seiner inzwischen 67 Jahre ernst. Man darf also gespannt sein. 


Fotos: David Carreno Hansen für die Volkswagenstiftung/Stephan Röhr für die Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA 2.0.

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