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Frau Karliczek, die Landesväter und der Streit um die Akkufabrik

Fördergelder ausgerechnet in die eigene Heimat – mehrere Länderchefs werfen der Bundesforschungsministerin vor, sie begünstige die Region Münster. Doch so klar ist der Fall nicht.

Anja Karliczek. Jan Zappner/re:publica: "www.flickr.com/photos/re-publica/27985811718", CC BY-SA 2.0.

HIER IM BLOG hatte Anja Karliczek vergangenen Freitag erstmals die Karten auf den Tisch gelegt. Reichlich spät, dafür aber mit allen möglichen Details. Für einen Augenblick schien alles klar. Bis das Wirtschaftsministerium im Spiegel ihrer Version widersprach. Was war passiert?

 

Ein kurzer Rückblick: Ende Juni hatte die CDU-Bundesforschungsministerin in einer eilig anberaumten Pressekonferenz verkündet: Münster soll Hauptstandort für die "Forschungsfertigung Batteriezelle" werden. Von den insgesamt 500 Millionen Euro, mit denen die Bundesregierung die Batterieforschung ankurbeln will, soll der Großteil in eine Forschungsfabrik in der westfälischen Stadt fließen. Mit dieser Entscheidung, "die wohl einen langwierigen Aufbau neuer Strukturen nach sich zieht, wird wertvolle Zeit im Wettlauf gegen Deutschlands Wettbewerber verloren", schimpften Markus Söder aus Bayern (CSU), Stephan Weil aus Niedersachsen (SPD) und Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg (Grüne). Es sind allesamt Bundesländer, die bis zuletzt ebenfalls um den Standort konkurriert hatten. Im Nachhinein forderten sie, die fachlichen Gründe des Zuschlags für Münster müssten "transparent und nachvollziehbar" gemacht werden. Ihre wenig subtile Botschaft: Die Gründe seien intransparent und nicht nachvollziehbar.

 

Dabei gelten Münster, das dort vor zehn Jahren gegründete Batterieforschungszentrum Meet und dessen Vorstandsvorsitzender Martin Winter durchaus als leistungsstark. Allerdings liegt die Stadt eben auch in direkter Nachbarschaft zu Karliczeks Wahlkreis, mit ihrer Heimatstadt Ibbenbüren. Und just dort, so heißt es, könnten jetzt Hunderte Arbeitsplätze entstehen. Hinzu kommt, dass kurz vor der Entscheidung Gerüchte die Runde gemacht hatten, die eigens einberufene Gründungskommission habe ein "eindeutiges Votum" abgegeben – wohlgemerkt für den Mitbewerber Ulm, nicht für Münster. Hatte sich Karliczek zugunsten ihrer Heimat über diese Experten hinweggesetzt? In Baden-Württemberg war die Empörung besonders groß, hier sprachen selbst Unionspolitiker von einem "Geschmäckle".

 

Unsinn, konterte die Ministerin sinngemäß. Doch erst nach mehreren Tagen und zahlreiche Presseanfragen später lieferte ihr Ministerium Genaueres. 

 

Die Hauptbotschaft: Die Entscheidung habe nicht Anja Karliczek getroffen, sondern ein stellvertretender Abteilungsleiter in ihrem Ministerium zusammen mit einem Abteilungsleiter des Wirtschaftsministeriums – und zwar auf der Grundlage der Arbeit einer Expertenkommission – und unter Berücksichtigung weiterer Kriterien wie dem volkswirtschaftlichen Nutzen und der Recycling-Expertise der einzelnen Standorte. Anschließend hätten der zuständige Abteilungsleiter im Forschungsministerium und die "Leitungsebene" im Wirtschaftsministerium (sprich: Peter Altmaier) den Zuschlag für Münster abgesegnet.

 

Warum die Sache nicht das Zeug zur
großen Affäre zu haben scheint

 

So teilte Karliczeks Ministerium es vor dem vergangenen Wochenende mit – und erntete, siehe oben, erneut Widerspruch, diesmal aus Altmaiers Haus: Das Forschungsministerium habe die letzte Auswahl sehr wohl allein getroffen, war am Samstag im Spiegel zu lesen. Wie bitte?

 

Prinzipiell richtig, heißt es auf Nachfrage von Karliczeks Leuten. Am Ende habe die Entscheidung natürlich im BMBF fallen müssen, da dieses die Forschungsfabrik finanziere. Aber das Votum des Wirtschaftsministeriums sei mit ausschlaggebend gewesen.

 

Warum das BMBF in der Causa Münster zwar verschwurbelt kommuniziert, die Sache aber trotzdem nicht das Zeug zur großen Affäre zu haben scheint, habe ich für die heutige Ausgabe der ZEIT aufgeschrieben. Dort lesen sie auch, was Karliczek selbst zu den Vorwürfen sagt – und warum die Ministerpräsidenten Bayerns, Baden-Württembergs und Niedersachsens mit ihrem geleakten Protestbrief möglicherweise auf eine ganz andere Förderentscheidung abgezielt haben.

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Kommentare: 3
  • #1

    Ruth Himmelreich (Freitag, 12 Juli 2019 14:25)

    ... als ob der "zuständige Abteilungsleiter" seine Entscheidung im luftleeren Raum träfe und nicht vielleicht doch die Wünsche seiner Amtsspitze berücksichtigen würde (die ihn von heute auf morgen in die Wüste schicken könnte, ein Abteilungsleiter eines Bundesministeriums ist in der Regel ein politischer Beamter). Just saying.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 12 Juli 2019 17:34)

    @ Ruth Himmelreich: Da haben Sie Recht. Andererseits: Die Ministerin hat versucht, sich im Vorfeld möglichst weit von der Entscheidung zu distanzieren, weil sie schon ahnte, was kommt. Ich halte das für richtig. Und was auch feststeht: Dafür, dass Münster ein heißer Kandidat (neben u.a. Ulm) war, konnte Frau Karliczek auch nichts.

    So wie das Ministerium alle Prozesse offenlegen sollte und muss (inklusive der Dokumentation des Sitzungsverlaufes in der Gründungskommission), sollten die Ministerpräsidenten ebenfalls mal ihre Belege auf den Tisch legen für ihr Vorwürfe und Andeutungen, finde ich.

    Für mich ist das Ganze ein Beispiel für einen Fall, in dem allzu viele Akteure ihre ganz eigenen (politischen) Motive verfolgen.

  • #3

    Th. Klein (Montag, 15 Juli 2019 12:03)

    "... als ob der "zuständige Abteilungsleiter" seine Entscheidung im luftleeren Raum träfe und nicht vielleicht doch die Wünsche seiner Amtsspitze berücksichtigen würde".

    Das macht es bei einer Entscheidung innerhalb des Ministeriums natürlich schwer. Wie weit runter sollte eine solche Aufgabe denn vergeben werden, damit diese Einflussnahme nicht existiert?! Ich finde, dass die Ebene Abteilungsleitung für dieses Volumen sogar zu niedrig war. Aber beim Staatssekretär hätten ja alle das Gleiche vermutet.