Die TU Dresden hat als einzige Ost-Uni eine Chance auf die Exzellenzkrone. Die Forschung im Osten braucht spezielle Förderformate.
Foto: Steve Buissinne / pixabay - cco.
AM VERGANGENEN MITTWOCH hat die Bundesregierung ihren Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt, wie sie das weitere Auseinanderdriften der Regionen verhindern will. Vorher hatte die Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" der Bundesrepublik gewaltige Disparitäten bescheinigt, von der Wirtschaftskraft über die Altersstruktur und den Anteil der Hartz-IV-Bezieher bis hin zur Breitbandversorgung.
Neue Forschungseinrichtungen und Behörden zum Beispiel sollen künftig vor allem in benachteiligten Regionen entstehen, auch Hochschulen sollen durch "aktive Strukturpolitik" in die Peripherie gelockt werden. Die versprochenen Maßnahmen sollen sich nach dem Bedarf richten, nicht nach der Himmelsrichtung.
Vier Ost-Länder gehen von
vornherein leer aus
Besonders, was die Wissenschaftspolitik angeht, scheint diese Ansage Sorgen bei ostdeutschen Politikern auszulösen. Thüringens CDU-Chef Mike Mohring etwa hatte noch kurz vor der Veröffentlichung des Plans erneut dezidiert mehr Forschungsgelder für Ostdeutschland verlangt.
Aus gutem Grund: Diesen Freitag küren Bund und Länder elf Exzellenzuniversitäten. Von denen, das steht schon jetzt fest, keine einzige aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Thüringen kommen wird. Allein Sachsen und die TU Dresden befinden sich noch im Feld der 19 Kandidaten.
Die Entscheidung fällt die Politik auf der Grundlage eines international besetzten Wissenschaftlergremiums – und das hatte die ostdeutschen Unis schon im vergangenen September fast vollständig aussortiert. Von den 57 Exzellenclustern, den großen Forschungsverbünden, die damals ausgewählt wurden, befinden sich nur vier in Ostdeutschland, einer an der Uni Jena in Thüringen, drei an der TU Dresden. Für den Titel "Exzellenzuniversität" sind mindestens zwei Cluster nötig.
So niederschmetternd die Exzellenz-Quote Ost für die Moral ist, so teuer kommt sie die betroffenen Länder (mit Ausnahme des sehr erfolgreichen Berlins) auch finanziell zu stehen. Jedes einzelne erfolgreiche Cluster bringt durchschnittlich knapp sieben Millionen Euro Förderung – pro Jahr, sieben Jahre lang. Und jede Exzellenzuni erhält weitere 10 bis 15 Millionen jährlich, Verbünde von Universitäten 15 bis 28 Millionen.
Streit um die Batterie-
Forschungsfabrik in NRW
Auch jenseits der Exzellenzstrategie schneidet Ostdeutschland bei der wettbewerblichen Forschungsförderung seit langem unterdurchschnittlich ab. Was ostdeutsche Politiker zunehmend ungeduldig macht. So hatte vergangene Woche auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sich in einem Brief an Kanzlerin Merkel beschwert. Anlass war der Zuschlag für Münster als Standort einer geplanten Batterie-Forschungsfabrik. Mehrere hundert Millionen Euro sollen nach NRW fließen. Ramelow erinnerte die Kanzlerin: Sie habe bei einem Treffen mit den Ost-Ministerpräsidenten versichert, "dass die Sensibilität der Bundesregierung für die Bedeutung von Standortentscheidungen zugunsten der ostdeutschen Bundesländer in der Bundesregierung vorhanden sei".
Jetzt solle sie den Versprechungen auch Taten folgen lassen – und zwar indem sie die Entscheidung pro Münster revidiere. Eine schräge Forderung, aber offenbar witterte Ramelow eine Chance, weil die zuständige Ministerin Anja Karliczek (CDU) wegen der Münster-Entscheidung ohnehin eine Diskussion am Hacken hatte.
Dass alle neuen Länder bis auf Sachsen von 2020 Bundesergänzungszuweisungen erhalten werden, weil sie nicht genug von der Bundeswissenschaftsförderung ergattern, stand schon länger fest. Da könnte, da muss gerade angesichts des Zwölf-Punkte-Plans von vergangener Woche noch mehr kommen, wenn man Mike Mohrings Logik folgt.
Ostdeutsche Hochschulen in Teilen
nicht wettbewerbsfähig
Alle finanziellen Trostpflaster ändern indes nichts an der grundlegenden Erkenntnis: Die ostdeutschen Hochschulen sind in Teilen nicht wettbewerbsfähig. Was an den Wettbewerbsformaten liegt, die der Logik der im Westen über Jahrzehnte gewachsenen Verbundforschung folgt. Aber eben nicht nur. Hinzu kommt, dass die Ost-Hochschulen und Forschungseinrichtungen sich vor allem abseits der Metropolen immer noch schwerer tun, internationale Spitzenforscher anzulocken.
Mehr Forschungsgelder speziell für den Osten können Abhilfe schaffen. Solange sie strategisch so eingesetzt werden, dass sie den Aufbruch fördern und nicht nur den Status Quo aushaltbarer machen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will’s wissen" im Tagesspiegel.
Kommentar schreiben
kaum (Montag, 15 Juli 2019 14:09)
Zur Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Universitäten lässt sich einiges sagen. Die Sache ist weder einfach noch schnell oder mit mehr Förderung zu erreichen. Wie immer sind es mehrere Faktoren, die zusammenkoommen. M.M.n. sind es fünf wesentliche Faktoren:
1. Standort/Lage der Universitäten: Kaum naheliegende Kooperationsfähige Universitäten/außeruniversitäre Einrichtungen; kaum Industrie
2. Grundausstattung: An der Universität, an der ich derzeit tätig bin, fehlen 200 Mio. EUR Grundausstattung/Haushaltsmittel, um auf einen bundesdeustchen Durchschnitt zu kommen. (Hier könnte man fast fragen, ob nach Input-/Output-Relationen, die ostdeutschen Universitäten sogar sehr gut sind...)
3. Bedingungen der Nachwendezeit: Kriterium bei der Besetzung war der Aufbau der Universität; zudem wurden etliche Personen berufen, die nicht die Forschungsstärke hatten, und entsprechend nicht bessere Professuren nachbesetzten
4. BMBF-Kompensation: Es erscheint mir, dass viele Ost-Unis durch BMBF-Förderungen doch ein gutes Drittmittelvolumen aufweisen, aber dadurch entsprechend weniger grundlagen-orientiert arbeiten und entsprechend weniger publizieren bzw. in Publikationsnetzwerke eingebunden sind. Sie müssten es schaffen aus BMBF-Stärke auch DFG-Stärke zu entwickeln.
5. Hochschulstrategie: Es fehlt sicherlich in Teilen auch an einer Strategie (z.B. bei Berufungen), die versucht hier Versäumtes nachzuholen. Die stärkere Pensionierungswelle kann ein Antreiber sein.