Was die Gewinner zu sagen haben – und die Verlierer.
DIE PRÄSIDENTEN DER siegreichen Berliner Verbunduniversitäten verstehen sich mittlerweile offenbar so blind, dass sie im Chor sprechen. Zumindest zitierte ihre gemeinsame Pressemitteilung Günter Ziegler (Freie Universität), Sabine Kunst (Humboldt), Christian Thomsen (TU) und Karl Max Einhäupl (Charité) wie folgt und unisono: "Heute ist ein ganz besonderer Tag für unsere vier Häuser, unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unsere Studierenden sowie für die Berlinerinnen und Berliner. Wir freuen uns sehr, nun noch intensiver zusammenarbeiten zu können und unsere seit über drei Jahrzehnten gewachsenen Kooperationen institutionell übergreifend weiter zu entwickeln."
Berlins Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) sagte: "Das ist ein Erfolg auf ganzer Linie. Berlin rockt als Team!" Es sei richtig gewesen, auf Kooperation zu setzen. "Wir zünden jetzt gemeinsam die nächste Stufe auf unserem Weg zur internationalen Forschungsmetropole."
"Diese Fahrt wird himmlisch werden"
Ähnlich freudetrunkene Worte kamen aus Hamburg. Von heute an wolle er nie wieder hören, die Universität Hamburg sei "bestenfalls mittelmäßig", sagte ihr Präsident Dieter Lenzen. "Es wäre eine dreiste Unwahrheit. Der Erfolg beruht nach Auffassung des Wissenschaftsrats auf den steilen Leistungssteigerungen der letzten fünf Jahre und auf dem gemeinsamen Konzept einer Flagship University." Apropos Flagship University, im Folgenden ging Lenzen zu reichlich maritimer Symbolsprache über: "Alle Crewmitglieder und Mitfahrenden auf der großen Reise vor uns werden eng zusammenarbeiten, um den Erfolg niemals zu gefährden und der Stadt Hamburg weiterhin zu dienen. Diese Fahrt wird einfach himmlisch werden."
Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, nutzte den erneuten Erfolg seiner Hochschule, um den bevorstehende Amtsübergabe an seinen Nachfolger anzufeaturn und sich nebenbei noch ein wenig selbst zu feiern. Die TUM sei die einzige technische Universität, die seit 2006 durchgängig im Exzellenzwettbewerb erfolgreich sei, sagte Herrmann, der seit 24 Jahren im Amt ist. Mit dem neuerlichen Erfolg übergebe er das Präsidentenamt zum 1. Oktober an Thomas Hofmann. "Die tiefgreifenden, konsequenten Reformen von zwei Jahrzehnten haben uns Recht gegeben, wir haben vielfach neue Standards gesetzt. So sind wir auf Spitzenniveau für die Zukunft gerüstet."
Holger Hanselka, Präsident des KIT, stellte den ideelen Gewinn in den Vordergrund. "Unsere Ideen werden wir nun mit aller Kraft vorantreiben", sagte er. Dafür seien die Fördermittel aus der Exzellenzstrategie enorm wichtig, gleichzeitig bedeute die Förderung als Exzellenzuniversität aber auch einen beachtlichen Imagegewinn. "Wir wollen viele weitere exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende für das KIT gewinnen und unsere Kooperationen mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft weiter stärken."
Gute Verlierer in Kiel
Kopf hoch, hieß es derweil in Kiel. "Die Hoffnung war groß, am Ende reichte es nicht ganz", hieß es in einer Presseitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Unipräsident Lutz Kipp zeigte sich als guter Verlierer und sagte: "Ich beglückwünsche meine Kolleginnen und Kollegen der elf neuen Exzellenzuniversitäten zu ihrem Erfolg – allen voran meinem Kollegen Lenzen aus Hamburg. Sie erhalten jetzt den verdienten Lohn für die harte Arbeit, die sie und ihre Teams in den vergangenen drei Jahren geleistet haben." Auch wenn der Titel nicht erreicht worden sei, habe sich die CAU im Kreis der besten 15 deutschen Universitäten fest etabliert.
Der grüne Bundestagsabgeordnete und Sprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule, Kai Gehring, sagte, Spitzenförderung könne Grundfinanzierung nur ergänzen, nicht ersetzen. "Die Breite, Qualität und Vielfalt unserer Hochschul- und Forschungslandschaft ist eine enorme Stärke, die es zu erhalten gilt."
Gehrings SPD-Kollege Oliver Kaczmarek sagte, für ihn gehörten die Exzellenzförderung mit den jüngst beschlossenem Zukunftsvertrag Studium und Lehre und dem Pakt für Forschung und Innovation zusammen. Gemeinsam bildeten sie "ein schlüssiges Konzept der Wissenschaftsförderung, das die besonderen Stärken des deutschen Wissenschaftssystems mit Spitzenleistungen in der Breite des Landes und nicht an wenigen Leuchttürmen gezielt fördert", sagte Kaczmarek, der forschungs- und bildungspolitischer Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion ist.
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Stefan Thyssen (Samstag, 20 Juli 2019 11:53)
Wem nützt denn das?
Die Exzellenzinitiative ist, ich kenne sie aus eigener direkter Anschauung, die Mutter aller Verbundförderfressgemeinschaften. An die 50 Personen tun sich hier zusammen, um zusammenzubringen, was nicht zusammengehört. Wer nicht dabei ist, verliert seinen letzten Bleistift, denn die Universität muss hier mit eigenen Mitteln einstehen, das bedeutet Umverteilung. Offensichtliche Nutznießer sind die Sprecher, die auf den Schultern vieler stehend sich für höhere Ämter in Hochschuladministration oder Bildungspolitik empfehlen. Meist sind es schon etwas ältere Kolleg/Innen, die auf Ihrem Weg vom Wissenschaftler zum Wissenschaftsimpresario schon eine Weile unterwegs sind. Daneben profitieren auch die Hochschulleitungen im täglichen politischen Gerangel mit der Landespolitik um Ressourcen. Einhundert mit 200.000 Euro individuell geförderte DFG Projekte sind eben in der Außenwirkung nahezu unkenntlich gegenüber einem mit der gleichen Gesamtsumme geförderten Exellenzcluster. Wissenschaftlich gesehen ist es aber genau umgekehrt, den hier kommt es auf originelle Ideen einzelner Forscherindividuen an, die einem harten anonymen Begutachtungsverfahren durch zwei Gutachter unterzogen werden. Ganz besonders nützt die Exellenzclusterinitiative der Wissenschaftspolitik, die sich hier einen großen Bedeutung generierenden Rahmen erfunden hat, der viel Raum für Selbstdarstellungsrituale und Administrationskarrieren bietet. Leidtragende ist die Wissenschaft, die in aller Regel dann am Besten funktioniert, wenn sie neugiergetrieben ist und durch eine kritisch begutachtete Idee eines Forscherindividuums getragen wird. Verbundforschung sollte sich ganz auf die wenigen strategischen Ziele beschränken, wo der Staat ein eigenes Interesse haben muss, hier gezielt Aktivität zu entfalten, etwa in der Krebsforschung oder der Energieversorgung. Großskalige Verbundförderung ist immer eine Verpflichtung auf oberes Mittelmaß, aber niemals Excellenz.