Nach der Exzellenzstrategie erheben die Universitäten Geldforderungen in Richtung Politik. Die gerät unter Druck.
DIETER LENZEN HAT von Natur aus ein robustes Selbstbewusstsein. Doch seit er seine Universität, die Hamburger, die lange als mittelmäßig galt, vor zwei Wochen zum Exzellenztitel geführt hat, hat er den Ton noch etwas weiter aufgedreht. Wenn Hamburgs Landesregierung nicht als vertragsbrüchig dastehen wolle, sei künftig ein Plus bei der Grundfinanzierung in Höhe von 3,5 Prozent "alternativlos". "Wir haben geliefert", sagte der Unichef dem Hamburger Abendblatt. "Jetzt ist die Politik am Zug."
Auch Lenzens Kollege 100 Kilometer weiter im Norden will mehr Geld. Doch während Lenzen seine Forderung mit dem Exzellenz-Erfolg begründet, tut Lutz Kipp, Präsident der Universität Kiel, genau das Gegenteil: Kiel hatte zwar zwei Cluster eingeheimst, ging am 19. Juli aber leer aus. Um mit den siegreichen Universitäten mithalten zu können, sagte Kipp der dpa, sei eigentlich eine Verdopplung Grundhaushaltes nötig – mindestens aber 3,5 Millionen mehr als bislang geplant. Wenn das Geld nicht komme, müsse man "natürlich" entsprechend bei den Exzellenzbereichen kürzen.
Die lähmende Zeit des
taktischen Schweigens ist vorbei
Zwei Wortmeldungen, die eine Reihe Schlussfolgerungen zulassen. Erstens: Die lähmende Zeit des taktischen Schweigens, des Abwartens in den Leitungsetagen der Universitäten, des Vermeidens von Konfrontationen mit der Politik ist seit dem ExStra-Finale vorbei.
Zweitens: Die Forschheit, mit der zwei Unirektoren ihre Forderungen artikulieren, ist bemerkenswert. Die Hochschulen haben die jahrelange Exzellenz-Rhetorik der Politik verinnerlicht und wenden sie nun gegen jene, die diese einst über sie brachten. Nachdem die Hochschulen von der Politik über Jahre unter Effizienzdruck gesetzt wurden, ist es diesmal die Politik, die unter Rechtfertigungsdrang gerät. Nach dem Motto: Wer Exzellenz bestellt, muss auch bereit sein, sie zu bezahlen.
Drittens: Je stärker die Hochschulpolitik der Länder auseinanderdriftet, desto mehr werden einige Landesregierungen zum Maßstab, an dem die anderen sich messen lassen müssen. Kipp sagt: In Berlin habe der Regierende Bürgermeister die Exzellenz-Förderung zur Chefsache gemacht. Auch Hamburg mache es mit einer eigenen Wissenschaftsbehörde schlauer. Lenzens 3,5 Prozent-Forderung wiederum hat ihre Entsprechung unter anderem in den 3,5 Prozent Jahres-Plus, das Müllers Senat den Unis seit 2018 zahlt.
Zwischen Gegnern und
Verbündeten unterscheiden
Allerdings müssen die Unipräsidenten aufpassen, wer Gegner und wer Verbündeter ist. Auf der eigenen Wissenschaftsministerin herumzuhacken, wie Kipp das tut (das Wissenschaftsministerium sei nur ein "Anhängsel am Schulministerium"), mag als Reaktion auf die Exzellenz-Enttäuschung menschlich verständlich sein. Das verkennt jedoch, dass die Budget-Bremser meist anderswo sitzen: im Finanzministerium. Und dass man deshalb gut daran tut, den eigenen Ressort-Chefs den Rücken zu stärken – zum Beispiel mit den obigen Exzellenzargumenten.
Lenzen, der alte Fuchs, weiß das und hat Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) zuletzt freundlich behandelt. Woraufhin die sagte, sie wolle sich für deutlich höhere Steigerungsraten einsetzen. Fegebanks Schleswig-Holsteiner Kollegin Karin Prien (CDU) hat Lutz Kipp auch bereits geantwortet. Dessen Forderung, sagte sie den Kieler Nachrichten, sei "als gelinde gesagt unrealistisch zu bewerten".
Fest steht: Ihr ExStra-gestähltes Selbstbewusstsein werden die Universitäten angesichts nicht mehr so kräftig sprudelnder Steuerquellen gut brauchen können.
Dieser Kommentar erschien heute zunächst im ZEITChancen Brief.
NACHTRAG:
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, wird das NRW-Wissenschaftsministerium der Universität zu Köln von 2020 an zusätzlich 3,6 Millionen Euro zahlen, als Ausgleich für den verloren gegangenen Exzellenz-Titel. Damit wolle man gewährleisten, dass die zur geförderten Professuren und Projekte weiter bestehen können.
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Th. Klein (Donnerstag, 01 August 2019 09:19)
Man neigt schnell dazu, die Uni-Leitungen zu verurteilen, sie würden - egal wie die Entscheidungen ausfallen - nach immer mehr Geld verlangen. Doch der Fehler steckt (auch) im ExIni/ExStra-System.
a) Die Jury /GutachterInnen erwarteten ein starkes politisches Engagement, also letztlich finanzielle Zusagen über die ExStra-Gelder hinaus. Herr Wiarda hat selbst in diesem Blog ausgeführt, dass dies wahrscheinlich auch Wirkung gezeigt hat.
b) Beim Vorläuferprogramm ExIni wurde erwartet und sollte von politischer Seite schriftlich bestätigt werden, dass man nach dem Auslaufen der Förderung die Maßnahmen weiter trägt (also zusätzliches Geld bewilligt).
c) Durch Bewilligungen am oberen Rand müssen die beantragten Mittel gekürzt werden. Somit liefert man zwangsweise eine Vorlage für die Forderung nach Kompensionen.
Man, d.h. auch die Politik, die die GWK-Vereinbarung geschlossen hat und bei den finalen Entscheidungen am Tisch saß, setzt selbst Anreize und strukturiert das Programm so, dass aus verschiedenen Situationen heraus, zusätzliche Geldforderungen abgeleitet werden können.