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Erst Wiley, jetzt Springer Nature – und dann?

Das deutsche DEAL-Konsortium erzielt seinen zweiten Verhandlungserfolg mit einem Großverlag. Was beinhaltet die Einigung – und wie wirkt sie sich auf das Ringen mit Elsevier aus?

DA WAREN ES schon zwei. Nach Wiley hat nun auch Springer Nature eine Einigung mit dem DEAL-Konsortium abgeschlossen. Der Großverlag und die über 700 in DEAL zusammengeschlossenen deutschen Forschungseinrichtungen hätten mit ihrem heute unterzeichneten "Memorandum of Understanding" den Rahmen für den "weltweit umfangreichsten Open-Access-Transformationsvertrag" für digitale Publikationen vereinbart, teilten die Verhandlungspartner mit.

 

Komplizierte Begriffe und demonstrative Superlative für eine einfache Botschaft: Wir sind uns einig. Allerdings nur über die großen Linien. Die operativen und rechtlichen Details, den bundesweiten Lizenzvertrag selbst, wollen Springer und DEAL bis Ende des Jahres aushandeln. Was bei aller heute zelebrierten Einigkeit keine Kleinigkeit werden dürfte. 

 

Der Vertrag kommt später
als ursprünglich geplant

 

Doch auch wenn die Partner die vergangenen Dezember gemeinsam gesetzte Zielmarke – Vertragsabschluss bis Mitte 2019 – um voraussichtlich ein halbes Jahr verfehlen werden, das verkündete Memorandum of Understanding ist tatsächlich ein großer Erfolg, besonders für DEAL-Verhandlungsführer Horst Hippler, der die Auseinandersetzung mit den Großverlagen vor Jahren als Präsident der federführenden Hochschulrektorenkonferenz begonnen hatte. Der Erfolg ergibt sich aus der Einigung selbst – und aus dem strategischen Vorteil, den das von Hippler angeführte Konsortium aus ihr ziehen kann. Denn der verbleibende Brocken in den DEAL-Verhandlungen ist auch der schwierigste: Elsevier. 

 

Wiley, Springer Nature und Elsevier zusammen machen mehr als die Hälfte der in Deutschland bezogenen wissenschaftlichen Publikationen unter sich aus, doch davon entfallen auf Wiley und Springer nur 13 bzw. 15 Prozent– und auf Elsevier 25 Prozent. So ist es von DEAL zu hören, Elsevier zieht diese Größenverhältnisse allerdings in Zweifel. Unstrittig ist indes: Elsevier erzielt eine Umsatzrendite von rund 30 Prozent.

 

Der größte Verlag bereitet DEAL auch die größten Probleme. Über 200 Bibliotheken, Hochschulen und Forschungseinrichtungen befinden sich inzwischen in einem vertragslosen Zustand mit Elsevier. Sie hatten, um den Einigungsdruck zu erhöhen, ihre Abos gekündigt. Parallel legten immer mehr Wissenschaftler ihre Arbeit als Herausgeber von Elsevier-Zeitschriften nieder. Nachdem DEAL dann auch aus taktischen Gründen die Verhandlungen abgebrochen hatte, machte Elsevier den Wissenschaftseinrichtungen den Zugang dicht. 

 

Doch auch wenn Elsevier seitdem gebetsmühlenartig seine Kompromissbereitschaft betont und inzwischen tatsächlich wieder geredet wird: Solange der Springer-Deal noch in der Schwebe war, konnten sie bei Elsevier immer noch sagen, dass sie nicht die einzigen seien, die sich schwertäten, auf die Forderungen von DEAL einzugehen. 

 

Klare Preise,
mehr Open Access

 

Was DEAL von Elsevier will, lässt sich an den Eckpunkten der heutigen Einigung mit Springer Nature ablesen: Auf der Grundlage einheitlicher Kosten und Serviceleistungen sollen Forscher und Studierende aller Fachrichtungen künftig "in fast dem gesamten Springer-Nature-Zeitschriftenportfolio Open Access veröffentlichen" können – "in insgesamt etwa 2500 hybriden und reinen OA-Zeitschriften". Und für all diese Zeitschriften gibt es den Lesezugriff auf alle Inhalte bis zurück ins Jahr 1997. 

 

Die Vereinbarung enthält zwei Komponenten: eine für reines Open Access (OA) und eine für "Publish and Read".  Die Open-Access-Komponente umfasst die über 600 reinen OA-Titel von Springer. Für das OA-Publizieren in diesen Zeitschriften gewährt Springer den DEAL-Partnern 20 Prozent Rabatt auf den Listenpreis, und von 2020 werden die jährlichen Erhöhungen nicht mehr als 3,5 Prozent betragen. 

 

Die Publish-And-Read-Komponente legt fest: Alle DEAL-Einrichtungen erhalten  zusätzlich den dauerhaften Lese-Zugang zu weiteren 1900 Hybrid-Zeitschriften von Springer, Palgrave, Adis und Macmillan, die während der Vertragslaufzeit veröffentlicht werden. In ihnen sollen allein 2020 mindestens 9500 Artikel Open Access publiziert werden. Es handelt sich um fast das gesamte Zeitschriften-Portfolio des Verlages. 

 

Für den Zugriff und das Open-Access-Publizieren in diesen Zeitschriften haben DEAL und Springer eine Publish-and-Read-Gebühr von 2750 Euro pro Artikel vereinbart. Nicht enthalten sind hier allerdings ausgerechnet das Springer-Flagschiff Nature und und alle "Nature branded journals", auch reine Fachzeitschriften und Publikumsmagazine wie der Scientific American oder Spektrum der Wissenschaft bleiben außen vor.

 

Springer-Chef Ropers: Verhandlungen
waren komplex

 

Der Vertrag soll, so haben es die Partner vereinbart, zunächst von 2020 bis 2022 laufen – mit einer Verlängerung bis 2023, was ein wenig Stirnrunzeln verursacht: Will man danach wirklich wieder mit dem grundsätzlichen Verhandeln anfangen, oder ist die weitere Verlängerung dann Routine? 

 

Springer Nature-Chef Daniel Ropers sagte: "Es ist uns eine große Freude, mit Projekt DEAL an der Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens in Deutschland zu arbeiten." Dass die Verhandlungen drei Jahre gedauert haben, zeige ihren Umfang und ihre Komplexität – "aber wir wissen die Führungsrolle der deutschen Wissenschaftseinrichtungen sehr zu schätzen und haben am Ende partnerschaftlich zu einer richtungsweisenden Lösung gefunden. "

 

Nette Worte fand auch DEAL-Sprecher Hippler. Die Einigung erfülle beide Kernziele des Konsortiums: "ein faires Preismodell und die Verschiebung in Richtung Open Access. " Die lange Verlagsgeschichte von Springer Nature sei in der deutschen Wissenschaft hoch angesehen "und mit dieser Vereinbarung erweist sich der Verlag als innovativer und offener Partner, bereit, die für Wissenschaft und Forschung besten Lösungen umzusetzen."

 

Auch international ist die heutige
Einigung 
von großer Bedeutung

 

Womit Hippler die Welt der Großverlage rhetorisch einteilte: hier die innovativen, die offenen, die" an besten Lösungen" interessierten. Und da diejenigen, die er heute nicht namentlich erwähnte. Elsevier. 

 

International ist die Beachtung für die DEAL-Verhandlungen gewaltig, das ist die "Führungsrolle der deutschen Wissenschaftseinrichtungen", von der Ropers sprach. Das wissen sie auch bei Elsevier. Zeitlich passend äußerte sich denn auch dessen Vize-Präsidentin Gemma Hersh gestern zu den festgefahrenen Verhandlungen, und zwar in einem Gastbeitrag bei Times Higher Education, aus dem heute Morgen der ZEIT Chancen Brief zitierte: "Elsevier deeply regrets this situation." Und: "We are optimistic that we will find ways."

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