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Göttingen: Jetzt erklärt auch der Stiftungsratsvorsitzende seinen sofortigen Rücktritt

Wilhelm Krull: Grund ist die "aus formelrechtlichen Gründen gescheiterte Berufung von Herrn Spoun".

AM TAG NACH dem Rückzug des designierten Präsidenten Sascha Spoun folgte am späten Donnerstagnachmittag der nächste Paukenschlag an der Universität Göttingen. Der langjährige Vorsitzende des Stiftungsrates, Wilhelm Krull, erklärte mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt. Er begründete den Schritt in einer kurzen Mitteilung mit der "aus formalrechtlichen Gründen gescheiterten Berufung von Herrn Spoun". 

 

Krull ist noch bis Jahresende Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung und fungierte seit 2003, seit die Universität Göttingen zur Stiftung wurde, sowohl als Vorsitzender des Stiftungsrates für Universität und Universitätsmedizin, als auch des Stiftungsausschusses, der nur für die Universität zuständig ist. Nun tritt er von beiden Ämtern zurück.

 

Krull sagte, er wünsche dem Senat und dem Stiftungsausschuss Universität "und damit den entscheidenden Gremien, dass es ihnen gelingen möge, in einem neuen Findungsprozess eine überzeugende Persönlichkeit für das Präsident(inn)enamt zu gewinnen und mit ihr zu neuen Erfolgen aufzubrechen."

 

Krull stand selbst
zunehmend unter Druck

 

Krull stand selbst zunehmend unter Druck in den vergangenen Wochen. Wenige Stunden nach Spouns Rückzug hatten sich gestern vier Göttinger Professoren zu Wort gemeldet und sowohl den gesamten Stiftungsausschusses mit Krull an der Spitze als auch den amtierenden Senat mit seinem Sprecher Nicolai Miosge zum Rücktritt aufgefordert. Die Theologieprofessoren Reinhard Kratz, Martin Laube und Thomas Kaufmann sowie die Mathematikprofessorin Dorothea Bahn waren auch die vier namentlichen Unterzeichner der Protestnote von 49 Göttinger Professoren, die nach Spouns Wahl für Aufsehen gesorgt hatte. Disee hatte bereits Rücktrittsforderungen in Richtung Krulls enthalten.

 

Gestern sagten die vier Protestwortführer, Senat und Stiftungsausschuss sollten insgesamt "zu ihrer Verantwortung zu stehen und den Weg so rasch wie möglich für den dringend nötigen Neubeginn frei zu machen".

 

Im Gegensatz zur Darstellung Krulls sei nicht die Lage in der Universität sei für die Krise verantwortlich, "sondern die gravierenden Fehler im Verfahren und bei der Wahrung ihrer Kontrollaufgaben durch Findungskommission, Senat und Stiftungsausschuss Universität."

 

Nach seinem heutigen Rücktritt dankte Noch-Uni-Präsidentin Ulrike Beisiegel Krull "für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in den vergangenen acht Jahren meiner Amtszeit". Auch das ist nicht frei von Ironie für die Kritiker des langjährigen Stiftungsratsvorsitzenden. Beisiegel, sagen sie, habe überhaupt erst auf Druck Krulls und anderer um ihre vorzeitige Ablösung gebeten: Die Biochemiker habe als Bauernopfer gedient, damit sonst möglichst alles so weitergehen könne wie bisher.

 

Mit dem Rückzug Spouns gestern und dem Rücktritt Krulls heute ist klar, dass letzteres ganz sicher nicht mehr der Fall sein wird.


Nachtrag am Freitag, 8.00 Uhr:

Über 30 Göttinger Professoren haben gestern Abend eine Erklärung zum Rückzug Spouns und dem folgenden Rücktritt Krulls veröffentlicht. Initiatoren sind die bereits von den bisherigen Protesten bekannten Theologen Kratz, Laube, Kaufmann und die Mathematikerin Bahns, allerdings werden jetzt mit dem Kunsthistoriker Manfred Luchterhandt und dem Juristen Tobias Stoll zwei weitere genannt. Die Liste der Unterzeichner sei offen für weitere Unterschriften, beständig kämen noch Namen dazu, heißt es. 

 

Die Professoren drücken in der Erklärung ihre Erleichterung aus, dass Spoun der Universität "ein langwieriges Gerichtsverfahren und weiteren Schaden" erspart habe – und fordern nach dem Rücktritt Krulls noch einmal mit Nachdruck den Senatssprecher Nicolai Miosge auf, als "Mitglied der Findungskommission, des Stiftungsrates und des Senates" ebenfalls "von seinen Ämtern zurückzutreten und den Weg für einen Neuanfang frei zu machen". 

 

Zugleich missbilligen die Unterzeichner die Rolle der übrigen Senatsmitglieder und die Rolle, die der Senat in dem Berufungsverfahren gespielt habe – "weil er seiner Pflicht zur Verfahrenskontrolle nicht nachgekommen ist und die aufgekommenen Zweifel an dem Verfahren nicht ernst genommen hat." In seiner derzeitigen Zusammensetzung sei "ein Neuanfang in vertrauensvoller Zusammenarbeit nicht möglich".

 

Für das bevorstehende neue Auswahlverfahren für das Präsidentenamt fordern die Professoren "einen vollständigen, von externen Juristen geprüften Bericht über das zurückliegende Verfahren", eine neue Ausschreibung, die Einsetzung einer neuen Findungskommission mit anderen Mitgliedern und einen transparenten Ablauf mit der Möglichkeit für Fakultäten und Universitätsgruppen, "Bewerberfeld und Kandidaten kennenzulernen und dazu Stellung zu nehmen".

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Kommentare: 17
  • #1

    KeinStudent (Donnerstag, 22 August 2019 18:59)

    Die Protestwortführer haben ganze Arbeit geleistet. Mir fällt es schwer diesen vier Personen einen Glückwunsch auszusprechen. Die Rücktritte von Krull und Beisiegel waren sicherlich nicht die Absicht der Protestler gewesen, jedoch die richtige Signalwirkung für die Uni Göttingen. Der Rückzug von Spoun war leider unvermeidlich geworden und deshalb umso bedauerlicher.

  • #2

    Lorenz Busch (Donnerstag, 22 August 2019 21:18)

    "Protestwortführer" ... Protestanten würde es vielleicht eher treffen ... *Ironiemodus aus

  • #3

    McFischer (Freitag, 23 August 2019 11:40)

    Man steckt natürlich nicht im Detail drin in der Sache... aber irgendwie bleibt hier das ungute Gefühl, dass sich die Göttinger Professorenschaft (die Unterzeichner/-innen) primär gegen jemanden wehren wollten, der nicht den klassisch-professoralen Stallgeruch hatte. Gerade beim Argument 'fehlender Forschungserfahrung' gegen Spoun klingt m.E. die übliche Herablassung gegenüber Hochschulangehörigen an, die sich nicht nur über Forschung und Forschungsdrittmittel definieren, sondern auch für andere Aspekte einer Hochschule engagieren: Governance, Lehre, Weiterbildung, Third Mission...
    Und by the way: Warum ist auf der Liste der Protestler eigentlich kein Mittelbau vertreten?

  • #4

    KeinStudent (Freitag, 23 August 2019 13:04)

    @McFischer in dem NDR Beitrag vom 15.08. "Mauschelei bei Wahl des Göttinger Uni-Präsidenten?" kommt die herablassende Art der "Protestwortführer" klar zum Ausdruck. Das sind keine Vorbilder für die Studentenschaft, wie sich auch aus den Äußerungen des Göttinger Asta Vertreters Robert Rathke in dem NDR Beitrag vom 22.08. "Göttinger Uni: Sascha Spoun kommt nicht" zu entehmen ist.

  • #5

    Göttinger_Alumnus (Freitag, 23 August 2019 15:45)

    Was die Theologen Kaufmann und Kratz fordern, ist nichts anderes als die Restitution der Ordinarien-Universität des 19. Jahrhunderts mit absolutistisch herrschenden Lehrstuhlinhabern, die bestenfalls einen Grüß-August als Präsidenten dulden - keine institutionelle Strategie, keine institutionelle Vernetzung, der endgültige Abschied vom Wettbewerb mit den führenden europäischen Forschungsuniversitäten. Die Georgia Augusta steht am Scheideweg.

  • #6

    Salzkristall (Freitag, 23 August 2019 15:54)

    @McFischer: Es ist jetzt aber auch nicht so, dass Herr Spoun andere Leistungen als solche in der Forschung sonderlich wertschätzt, für sich selbst begrüßt er sicher andere Kriterien, da er dort selber wenig vorweisen kann. Wertschätzung für Lehre kommt von ihm keinesfalls, an der Leuphana zählen für ihn Forschungsleistungen und Publikationen. Und mit guter Governance kann er nur zum Teil punkten (der Neuaufbau der Leuphana darf wohl als gelungen bewertet werden), wenn man sich aber die hohe Personalfluktuation der Stellen in seinem unmittelbaren Bereich (unbefristete (!) Referentenstellen) anschaut, dann sagt das m.E. viel über die Personalführungskompetenz aus. Sein Hauptargument bei der Wiederwahl in Lüneburg im Winter war, dass man bei ihm wisse, was einen erwarte, bei anderen Personen nicht. So viel zum Innovationsgeist, der an der Leuphana gern hochgehalten wird.

  • #7

    KeinProf (Freitag, 23 August 2019 16:34)

    "Und by the way: Warum ist auf der Liste der Protestler eigentlich kein Mittelbau vertreten?"

    Oder Studierenden- oder MTV-Vertreter*in. Exakt. Vielleicht deshalb, weil man befürchtet es geht in Wirklichkeit um ...

    1. Grabenkämpfe, Post-Exzellenz-Frust und offene Rechnungen innerhalb der Professorenschaft (warum würde man alle Interna an die Medien durchstecken bzw. auf jeden Interviewunsch des NDR anspringen - den Konflikt öffentlich inszenieren, wenn es wirklich um das Wohl der Uni ginge und nicht um eigene Interessen, auf deren Kosten man die Uni der öffentlichen Demontage überlässt?)

    2. Eine neue Governance, in der die Machtbalance zuungunsten der Leitungsgremien und nicht-professoralen Statusgruppen verschoben wird, zurück zu den Ordinarien (Warum sonst wird z.B. in der Kratz-Erklärung an der Grundordnung vorbei nach dem Dekanekonzil gerufen? Da sitzen MTV, Studierende und Mittelbau nicht drin.). Ein schwacher interner Präsidentschaftskandidat käme nun wie gerufen...

    Und, so ein Zufall, niemand anders wird sich bewerben, wenn das neue Verfahren alle Bewerber*innen zum Begucken (hoch)schulöffentlich machen würde. Daher doch die ganze Geheimniskrämerei im bisherigen Verfahren, damit niemand von Format sein Gesicht verliert wenn er/sie das Rennen verliert. Komisch übrigens dass bei all der umfassenden Durchstecherei wenigstens die Anonymität des klagenden Konkurrenten gewahrt bleibt (was ja nur korrekt ist) - dieser Person ist man offenbar zu dankbar, sie als Verlierer des Verfahrens zu outen...

  • #8

    M. Lenzki (Freitag, 23 August 2019 17:34)

    Nein, es geht eben nicht um die (alte) Ordinarien-Uni. Bei heutigen Größenordnungen von Studenten etc. braucht man gewiß eine sehr straff funktionierende Verwaltung.
    Aber: Verwaltung ist für die Wissenschaft da. Nicht umgekehrt !! Wenn heute jeder bürokratische Unfug, ob von EU oder Berlin, pedantisch umgesetzt wird, kriegt man ernsthafte Zweifel, z.B. Modifikation der Richtlinien bei Reisen in die EU etc. etc.

  • #9

    Ostviertler (Freitag, 23 August 2019 23:22)

    Das klingt alles ziemlich widersprüchlich:
    Diejenigen, die erfolgreich den rechtmäßig gewählten Präsidenten wie den ebenfalls rechtmäßig gewählten Vorsitzenden des Stiftungsrates zum Rücktritt gedrängt haben, verlangen nun auch den Rücktritt des gesamten demokratisch gewählten Senats - im Namen der Demokratie, und das obwohl sie selbst über keinerlei demokratisches Mandat verfügen und von niemandem gewählt worden sind, für die Universität oder die Professorenschaft zu sprechen.
    Dann sollen angeblich 49 Professoren (also gerade mal ein Achtel der 400 Professoren der Universität) das Papier unterschrieben haben, in welchem u.a. Transparenz beim Findungsverfahren angemahnt wird. Überprüfen lässt sich die Zahl freilich nicht, da die allermeisten der Unterzeichner offenkundig zu feige sind, ihren Namen auch öffentlich unter das Papier zu setzen. Das ist geradezu erbärmlich und spricht nicht dafür, solchen Menschen die Geschicke einer so großen und mit so vielen Steuergeldern ausgestatteten Organisation anzuvertrauen. Selbstredend bleibt auch der Kandidat dieser Gruppe für das Präsidentenamt anonym. Kommt hinzu, dass in diesen Kreisen unter "Demokratie" ausschließlich professorale Mitbestimmung verstanden wird - Studierende und Mittelbau interessieren nicht.
    Ferner hat es einen schalen Nachgeschmack, wenn nun ausgerechnet Professoren, deren Exzellencluster-Anträge krachend gescheitert sind, Sascha Spoun mangelndes wissenschaftliches Renomee vorwerfen. Hier würde die Göttinger Professorenschaft gut daran tun, erstmal vor ihrer eigenen Haustür zu kehren.
    Schäbig wirken schließlich auch die Krokodilstränen, welche die konservative Professorengruppe nach ihrer Rücktrittsankündigung nun plötzlich der scheidenden Präsidentin nachweint, nachdem dieselben Männer zuvor ihre Amtsführung nicht genug kritisieren konnten.
    Die Uni Göttingen muss aufpassen, dass sie nicht das Schicksal des Parlaments zu Westminster erleidet und zur Geisel einer kleinen, aber lauten Gruppe konservativer Extremisten wird. In seinem Habitus ist Reinhard Kratz jenem von Jacob Rees-Mogg ja schon mal nicht unähnlich.

  • #10

    Reinhard Kratz (Sonntag, 25 August 2019 17:27)

    Der in den Kommentaren zu diesem Blog geäußerten Krtik an dem Protest von Göttinger Professorinnen und Professoren gegen ein zweifelhaftes Wahlverfahren möchte ich Folgendes erwidern:
    Nein, es geht nicht um die Restitution der "Ordinarienunversität", sondern um ein modernes Hochschulmanagement, das sich Forschung und Lehre verpflichtet sieht und nicht umgekehrt Forschung und Lehre in den Dienst des Managements stellt. Es geht um einen Führungsstil, der nicht selbstherrlich, um nicht zu sagen, selbstverliebt Entscheidungen in Hinterzimmern unter Beteiligung einiger weniger trifft, sondern die Regularien einer staatlichen Hochschule (so lästig sie in den Augen mancher Hochschulmanager auch sein mögen) beachtet und nicht mit Füßen tritt, wie es hier offenkundig der Fall war.
    Warum der Protest öffentlich ausgetragen wurde? Alle Versuche, die Zweifel an dem Verfahren intern mit den beteiligten Gremien zu klären, wurden ignoriert und sollten ausgesessen werden. Erst die Konkurrentenklage hat den Offenbarungseid erzwungen.
    Warum fehlen Vertreter der Studierendengruppe und des Mittelbaus bei dem Protest? Das haben wir uns auch gefragt. Wie überhaupt die im Vorfeld aufgekommenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens niemanden interessiert hat - warum auch immer.
    Warum die Forderung des Rücktritts der amtierenden Mitglieder des Senats? Weil sie sich zu Handlangern eines rechtlich zweifelhaften Verfahrens haben machen lassen, ohne genauer hinzusehen oder hinsehen zu wollen und damit ihre Kontrollfunktion nicht wahrgenommen haben. Wenn, wie behauptet, Fragen vom Senat an die Findungskommission gerichtet wurden, die nicht zufriedenstellend beantwortet wurden, warum dann die große Eile trotz der "inständigen" Bitte von rund 100 Professoren, die Wahl zu verschieben? Der Senat hat sich genauso unglaubwürdig gemacht wie die Findungskommission und die zu Bauernopfern auserkorenen Vorsitzenden Krull, der in zwei Gremien den Vorsitz führte, und Miosge, der Sprecher des Senats und in allen drei beteiligten Gremien Mitglied ist.
    Warum der Apell an das Dekanekonzil? Es ist im Moment das einzige Gremium, das nicht durch aktive Beteiligung an der zweifelhaften Wahl belastet ist. Auch sein – differenziertes – Votum vor der Wahl wurde von Senat und Stiftungsrat ignoriert. Die Dekane repräsentieren die Fakultätsräte aller an der Universität vorhandenen Fakultäten, in denen Mitglieder aller Statusgruppen vertreten sind. Insofern geht es auch hier mitnichten um "Ordinarienherrlichkeit", sondern um eine möglichst breite Vertretung aller Angehörigen und Statusgruppen der Universität.

  • #11

    AK (Dienstag, 27 August 2019 19:01)

    Lieber Herr Kratz,

    "Warum fehlen Vertreter der Studierendengruppe und des Mittelbaus bei dem Protest? Das haben wir uns auch gefragt."

    Haben Sie denn mal nachgefragt? Es gibt ja zentrale Ansprechpartner*innen. Würde mich sehr wundern, wäre aber erfreut eines Gegenteiligen belehrt zu werden.

  • #12

    KeinProf (Donnerstag, 29 August 2019 11:04)

    Sehr geehrter Herr Professor Kratz,

    haben Sie besten Dank für Ihre erhellenden Ausführungen, die mir Ihr Anliegen wesentlich verständlicher und mich ja schon fast geneigt machen, zu Ihrem Standpunkt zu konvertieren. Erlauben Sie mir, dies kurz zu erläutern und mit einer Unsicherheit meinerseits zu beginnen.

    Sie geißeln das Findungs- und Besetzungsverfahren als „nicht rechtmäßig“, ergo rechtswidrig – sprich, es wurde (Hochschul-)Recht gebrochen. Auf jeden Fall scheint das Findungsverfahren höchst ärgerlicherweise nicht gerichtsfest, aber fehlende Beweise von Rechtmäßigkeit implizieren nicht automatisch Rechtswidrigkeit. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass Sie – wenn Sie tatsächlich rechtswidrig meinen – diesen schweren Vorwurf dokumentiert unterfüttern können (Dokumentation ist wichtig, habe ich gelernt).

    Ich denke gleichwohl, Ihr Kernvorwurf ist eigentlich ein anderer (und nur die Wortwahl irreführend) – nämlich, dass es dem Verfahren an Transparenz mangelte, es damit potenziell korrumpiert und jedenfalls angreifbar ist - wobei Sie Ihrer Wortwahl nach fest von Korruption auszugehen scheinen (wiederum, wenn dies der Vorwurf ist, können Sie es sicher dokumentiert nachweisen, und müssen gar nicht vermeintliche Selbstherrlichkeit von Hinterzimmern evozieren (Welche Hinterzimmer eigentlich? Stiftungsrat? Findungskommission? Senat? Sprich: die rechtmäßigen Organe des Prozesses nach NHG?).

    So oder so: Dem Ruf nach Transparenz kann sich gewiss kein aufrechter Demokrat entziehen – ich komme darauf zurück.

    Meine Bedenken bzgl. des Dekanekonzils haben Sie natürlich praktisch zerstreut – mit den geltenden „Regularien einer staatlichen Hochschule“ wäre die von Ihnen geforderte Rolle des Konzils zwar nicht wirklich vereinbar, aber geschenkt, wenn wir alle das so wollen. Und ja, im Dekanekonzil sitzen ausschließlich Professoren, aber, Sie haben recht, da diese von den Fakultätsräten mit ihren vier Statusgruppen gewählt werden, impliziert das natürlich, dass sie zweifellos gleichgewichtig die Interessen und Wünsche aller vier Statusgruppen vertreten. Keine Frage, keine Bedenken, da kann ich blind vertrauen.

    Insofern – Fußnote – verstehe ich nun auch viel besser den Ruf aus Ihrer Protestgruppe nach Abflachung der Hierarchien (ebenfalls sehr im Sinne moderner Demokraten) dahingehend, dass der Präsident/die Präsidentin primus inter pares und nicht Manager sein müsse. Dies schien mir widersprüchlich, denn wer sind hier eigentlich die „pares“? In einer von Hierarchien möglichst freien, modernen, demokratischen Universität müssten es ja über 40.000 Menschen (Studierende, Angestellte, Beamten) sein. Wenn Sie einen forschungsstarken Hochschullehrer als Präsidenten haben wollen, können Sie aber ja nur primus inter 400+ pares meinen, korrekt? Vermutliche Auflösung des Widerspruchs: Solange diese 400+ Hochschullehrer ihrerseits gewissermaßen primi inter 40.000 pares sind und für diese sprechen, hat man es weder mit „Ordinarienherrlichkeit“ noch Paternalismus zu tun. Alles eine Frage des rechten Geistes!

    Und soweit den anderen Statusgruppen das entsprechende Vertrauen in die Hochschullehrer tatsächlich fehlen sollte, haben Sie auch hierfür die Antwort geliefert: Unbedingte Transparenz. Also: Dekanekonzil, Stiftungsrat und Professorien müssen einfach hochschulöffentlich tagen, ohne Vorbesprechungen hinter verschlossener Tür. Der vertrauliche Teil von FR- und Senatssitzungen gehört abgeschafft. Alle müssen über alles informiert sein, dann ist der Grundsatz primus inter pares auch verwirklicht. Oder sprechen praktische Erwägungen dagegen? Ach, wie auch immer.

  • #13

    KeinProf (Donnerstag, 29 August 2019 11:05)

    ... jedenfalls ist es natürlich nun an Ihnen und Ihrer Gruppe, mit gutem Beispiel voranzugehen und Transparenz zu leben. Und es geht ja in die richtige Richtung: während der erste Aufruf nur von vier Personen namentlich getragen wurde und eventuelle andere Unterstützer unsichtbar blieben, sind es beim zweiten schon über 40. Vielleicht laden Sie vor dem Verfassen eines dritten Aufrufs nun einfach hochschulöffentlich zur Diskussion ein, damit wir alle mitformulieren können (das würde auch helfen, die Gräben zu überwinden), mindestens natürlich alle 400+ Hochschullehrenden, aber die anderen 40.000+ gern auch.

    Und schließlich, ganz wichtig: Ihre Überlegungen, wer vielleicht als Interimspräsident in Frage käme – wenn Sie denn solche Überlegungen überhaupt anstellen, aber man möchte es doch vermuten? - müssten Sie ggf. natürlich auch schnellstens öffentlich machen, und nicht „selbstherrlich, um nicht zu sagen, selbstverliebt Entscheidungen in Hinterzimmern unter Beteiligung einiger weniger treffen“. Das wäre für die Glaubwürdigkeit Ihrer causa einfach tödlich.


    …und all das meine ich nur halb ironisch. Die Hochschule braucht wirklich eine offene und ehrliche Diskussion über das künftige Miteinander. Dafür sind in giftig-unversöhnlicher Sprache verfasste, suggestiv mit Unterstellungen gespickte, über die Medien kommunizierte Forderungskataloge sowie die fortgesetzten Ränkespiele der Hochschullehrerschaft aus Sicht der allermeisten Stakeholder allerdings nicht hilfreich - was sie im Dialog mit diesen leicht in Erfahrung bringen können. Also:

    Offerte vobis pacem!

  • #14

    Reinhard Kratz (Donnerstag, 29 August 2019 13:55)

    Verehrter Kommentator unter dem Pseudonym "KeinProf", ich sprach in meinem Beitrag von einem "zweifelhaften Verfahren" und "Zweifeln an der Rechtmäßigkeit", die sich durch den Offenbarungseid nach Anfrage durch das Gericht ganz offenkundig als berechtigt erwiesen haben und im übrigen bis heute nicht ausgeräumt wurden.
    Wären die Zweifel unberechtigt, hätte die Universität die Konkurrentenklage gelassen auf sich zukommen lassen können und Herr Dr. Spoun keinen Grund gehabt, mit Hinweis auf eben diese Zweifel seinen Rückzug zu erklären.
    Selbst fünf Mitglieder des Senats, darunter ein Professor des öffentlichen Rechts, haben öffentlich eingestanden, dass sie die Beteuerung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, die sie bis zuletzt hochschulöffentlich verteidigt haben, heute nicht mehr mittragen würden, und stellen fest, dass die Auskunftsverweigerung der Findungskommission auf Nachfragen des Senats im Laufe des Verfahrens "ohne Rechtsgrundlage" gewesen sei, was ihnen allerdings erst nach der Anfrage des Gerichts und dem dadurch erzwungenen Eingeständnis der Verfahrensfehler aufgefallen ist.
    Ob das Verfahren tatsächlich rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist noch nicht festgestellt, und wie es aussieht, sind die dafür zuständigen, allesamt in die Sache mit verstrickten Instanzen (Ministerium, Stiftungsrat, Findungskommission, Senat) auch nicht gewillt, für Aufklärung der dokumentierten Ungereimtheiten zu sorgen. Akteneinsicht wird nach wie vor nicht gewährt.
    Das Problem bei der Sache ist, dass sämtliche nach NHG zuständigen (Ministerium), vom Ministerium im Benehmen mit dem Senat eingesetzten (Stiftungsrat) oder gewählten Gremien (Senat, Findungskommission) durch das Verfahren korrumpiert und unglaubwürdig geworden sind und nun – nach NHG – weiterhin darüber zu befinden haben, welche Konsequenzen sie aus ihrem Versagen ziehen. Außer dem Rücktritt des Herrn Dr. Krull sehe ich nicht, dass irgendwer die Verantwortung für sein Versagen zu übernehmen bereit wäre. Darum die Einbeziehung der Dekane bzw. Fakultäten, die in dieser Sache unbelastet sind, auch wenn sie nach NHG kein Entscheidungsgremium sind.
    Zu der Frage der Person mit den Initialen AK, kann ich sagen, dass es den Versuch einer Kontaktaufnahme mit den Studierendenvertretern (Asta) gegeben hat, die ohne Antwort blieb, und Gespräche mit Vertretern des Mittelbaus, die sehr unterschiedliche Auffassungen vertraten. Viellecht hätten wir mehr den Kontakt zu den übrigen Statusgruppen suchen müssen. Es kann aber nicht die Aufgabe der Professoren sein, alle Statusgruppen dazu zu bewegen, der Sache die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und sich - auch öffentlich - zu positionieren, vor allem nicht dann, wenn man keine "Ordinarienherrlichkeit" wünscht. Ich vermisse bis heute eine Stellungnahme der Vertreter von Studierenden, Mittelbau und der MTV Gruppe im Senat zu diesem zweifelhaften Verfahren, an dem sie mitgewirkt haben, und zu der Kritik daran vor und nach der Wahl.

  • #15

    M. Lenzki (Donnerstag, 29 August 2019 18:14)

    Herr Kratz hat sicher Recht mit seinen Äußerungen zur desaströsen Kommunikation und zur Dokumentation von Findungskommission, Stiftungsrat und Senat. Hier muß
    der Sprecher des Senats für sich endlich Konsequenzen ziehen.
    Zu denken sollte aber geben, daß offenbar die 6 Vertreter anderer Statusgruppen auf ihrem Standpunkt beharren. Vielleicht ging es ihnen ähnlich wie den eingeladenen Vertretern von Forschungsverbünden, die Dr. Spoun wohl sehr kritisch befragten und dann wohl nicht unzufrieden waren. Insofern ist die ziemlich unversöhnliche Haltung der "Protestanten" gegenüber den fünf "reumütigen" Professoren im Senat eher nicht sehr konstruktiv. Der Senat ist gerade fünf Monate im Amt. Irgendwie muß es ja weitergehen. Hier sollten Senat und "Protestanten" nun endlich aufeinander zugehen. Aber die Kommunikation ist auch jetzt leider wieder ungut. Hoffen wir, daß man nun schnell eine respektable Interims-Person findet, die es ja gibt.

  • #16

    Laubeiter (Mittwoch, 04 September 2019 11:16)

    Ich kann trotz Berichten in der Presse und Diskussionen auf diesem Blog leider nicht genau erkennen, ob sich die Kritik gegen die Art und Weise der Durchführung des Verfahrens für die Wahl des Uni-Präsideten richtet oder einfach gegen die gewählte Person. Kann es sein, dass Prof. Kratz die Person nicht goutiert und nun aber, weil Angriffe ad hominem nicht akzeptiert werden, Verfahren und Gremien attackiert hat? Ich kann Zweifel an der Eignung des gewählten Kandidaten nachvollziehen. Als ich hörte, Göttingen bekäme Lüneburgs Präsident als nächsten, habe ich mich gefragt, welche Erfahrungen der Leitung Lüneburgs für die Leitung Göttingens nützlich sein könnten. Göttingen hat eine führende Medizin, bildet in klassischen Fächern Jura und Philologie aus und kann von benachbarten MPIs profitieren. Lüneburg bildet neu geschaffenen Fächern wie Kulturwissenschaften aus und hat keine MPIs. Ich dachte, Göttingen sucht jemand, der für die nächste EXU-Runde die Universität profiliert.

  • #17

    Reinhard Kratz (Freitag, 06 September 2019)

    Der Protest richtete sich gegen beides, das Verfahren und die Eignung des Kandidaten. Nachdem Herr Dr. Spoun abgesagt hat, muss man über ihn aber auch nicht weiter reden. Es bleiben die Fragen zum Verfahren, die der Klärung bedürften, um daraus Lehren für den Neuanfang und die Zukunft zu ziehen. Doch solange die Verantwortlichen keine Verantwortung übernehmen und die Universität aus der Krise herausführen möchten, die sie selbst verursacht haben, wird es dazu nicht kommen.