Beim Digitalpakt warten die Schulen weiter auf die ersten Überweisungen, zeigt ein aktueller Bericht aus dem Bundesfinanzministerium.
BILDUNGSEXPERTEN HATTEN es bereits erwartet: Vor Beginn des neuen Schuljahres war noch kein einziger der fünf Milliarden Euro aus dem Digitalpakt an die Schulen geflossen. So steht es im Bericht zum Sondervermögen "Digitale Infrastruktur", den das Bundesfinanzministerium gestern dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgelegt hat.
Mit den Geldern aus dem Digitalpakt sollen laut Bund-Länder-Vereinbarung zum Beispiel das Schul-WLAN ertüchtigt oder White Bords und andere Geräte an den Schulen finanziert werden. Auch ganze Klassensätze von Laptops oder Tablets dürfen die Schulen damit bezahlen.
Es werde sicher längst 2020 sein, "bevor die großen Gelder fließen", hatte der Direktor des Instituts für Informationsmanagement an der Universität Bremen, Andreas Breiter, Mitte März vorhergesagt. Damals hatten Bund und Länder den Digitalpakt gerade formell besiegelt und die Minister die schnelle Umsetzung des Programms versprochen.
Doch genau wie Breiter es prognostiziert hat, ist es jetzt gekommen: "Stand des Mittelabflusses zum Stichtag 30. Juni 2019: 0 Prozent", berichtet die parlamentarische Staatssekretärin Bettina Hagedorn in dem aktuellen Papier für den Haushaltsausschuss. Und: "Stand der eingegangenen rechtlichen Bindungen zum Stichtag 30. Juni 2019: 0 Euro."
Bisher sind elf Länder mit ihren
Förderbekanntmachungen fertig
Der FDP-Haushaltspolitiker Christoph Meyer kritisierte die Bundesregierung. Sie sei besonders gut darin, Maßnahmen anzukündigen – "das mit der Umsetzung" klappe im Gegenzug dazu "ganz und gar nicht. Bis jetzt ist im Digitalpakt noch nicht ein Cent in den Schulen angekommen", sagt Meyer und fügt hinzu: "Wie sich die Koalition in dieser Haushaltswoche für ihre Digitalisierungsarbeit gefeiert hat, ist da schon fast peinlich."
Ob in den vergangenen gut zwei Monaten erste Digitalpakt-Gelder gezahlt wurden, lässt das Ministerium offen. Große Summen jedenfalls nicht, denn BMF-Staatssekretärin Hagedorn führt aus: Der Stand sei darauf zurückzuführen, "dass die Länder zurzeit noch an ihren Förderbekanntmachungen arbeiten bzw. die Antragsverfahren gerade erst begonnen haben." Entsprechend hätten bis zum Stichtag noch Mittel bewilligt geschweige denn ausgezahlt werden können.
Bis zum 29. August seien die Förderbekanntmachungen in neun Ländern in Kraft getreten (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen). Zwei weitere Länder sind laut Bundesfinanzministerium kurz davor: Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen haben bereits das notwendige Einverständnis der Bundesregierung für ihre Bekanntmachungen eingeholt. Bleiben fünf Nachzügler, mit denen noch die Abstimmung läuft: Hessen, das Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Berlin. Ihre Förderbekanntmachungen sollen bis voraussichtlich Ende September in Kraft treten können – über ein halbes Jahr nach der Einigung von Bund und Ländern auf den Digitalpakt.
Eine Katastrophe ist das freilich nicht, wie der Andreas Breiter von der Uni Bremen schon im März ausführte: "Wir leben in einem Rechtsstaat, die Mittel werden nach Recht und Ordnung vergeben, Compliance-Fragen müssen geklärt werden, und sowas dauert halt." Er könne sich vorstellen, dass jede Schule schon im Herbst ein kleines Budget erhalte, um über den zentralen Einkauf der Verwaltung erste Endgeräte zu kaufen, sagte Breiter damals weiter.
Vielleicht – im besten Falle – kommt es noch so und ein paar Euro fließen noch diese Jahr. Klar ist indes, dass bis Jahresende nur ein Bruchteil der vorgesehenen Mittel bewilligt werden wird. Denn für die großen Projekten in Schulen und Kommunen müssen erst erneut langwierige Ausschreibungsprozesse anlaufen, die wiederum mindestens ein halbes Jahr dauern. Fest steht also: Die Schulen und Millionen Schüler werden sich weiter gedulden müssen.
Beim Breitbandausbau ist bislang nur Geld
für die Programmverwaltung geflossen
Ähnlich bescheiden ist die Bilanz beim zweiten Schwerpunkt des Digitalfonds, dem Gigabitnetzausbau. Auch dafür ist bislang kein einziger Euro geflossen. Immerhin: Im BMF-Bericht an den Haushaltsausschuss steht, dass 837 Anträge auf Ausbau-Förderung gestellt und davon 487 vorläufig bewilligt worden seien. Der Großteil der bewilligten Anträge beziehe sich auf die Finanzierung von Beratungsleistungen – was zum Start großer Ausbauprojekte logisch ist.
Insgesamt seien 677,5 Millionen Digitalfonds-Euro damit gebunden, hinzu komme eine Kofinanzierung durch Länder und Kommunen in Höhe von 651,3 Millionen. Doch die Auszahlungen lassen noch auf sich warten.
Das einzige Geld, was bereits geflossen ist, sind 10,7 Millionen Euro für die Programmadministration. Gemeint sei vor allem "die Projektträgerschaft, welche die administrative Umsetzung des Breitbandförderprogramms gewährleistet", führt Hagedorn aus. Wenigstens die Verwaltung hat also schon mal Kosten produziert.
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Elmar Neitzert (Freitag, 13 September 2019 08:23)
Guter Überblick über die Problematik der Vergabe öffentlicher Mittel.
Der letzte Satz verkennt aber, dass ohne eine entsprechende Administration kein Ausschreibungs- bzw. Antragsverfahren, geschweige denn eine Auszahlung erfolgen kann. (..."Wir leben in einem Rechtsstaat, die Mittel werden nach Recht und Ordnung vergeben" ...)
Jan-Martin Wiarda (Freitag, 13 September 2019 08:33)
Lieber Herr Neitzert,
vielen Dank für das Lob! Und ich gebe zu: Der letzte Satz ist zugespitzt, es stimmt ja: Die Verwaltung muss als erstes arbeiten.
Viele Grüße
Ihr J-M Wiarda
Udo Michallik (Freitag, 13 September 2019 12:08)
.... und, die Zahlen sind veraltet. Der erste Bewilligungsbescheid über 3,6 Millionen Euro aus dem Digitalpakt wurde Mitte August an den Landkreis Zwickau ausgereicht.
Im Mai wurde zwischen Bund und Länder der Digitalpakt vereinbart. Zum Beginn des Schuljahres hat die Mehrheit der Länder ihre Bekanntmachungen veröffentlicht. Dafür, dass der Bund bis heute nicht flächendeckend eine Breitbandverbindung geschweige denn nahtloses Funknetz sicherstellen kann, sind die Länder dieses Mal aber atemberaubend schnell.
Jan-Martin Wiarda (Freitag, 13 September 2019 12:22)
Lieber Herr Michallik,
vielen Dank für das Update! Gibt es weitere Bewilligungsbescheide seit Ende Juni? Der Stand der Bekanntmachungen ist aber aktuell, wie das BMBF ihn berichtet hat, oder?
Viele Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda
Gerd Faulhaber (Freitag, 13 September 2019 15:58)
Das Kultusministerium in Baden-Württemberg hat für die Beantragung von Mitteln aus dem Digitalpakt Schule Anforderungen im Sinne von Kriterien veröffentlicht, die eine verlässliche Grundlage für das Antragsverfahren sein sollen. Diese Kriterien sind maßgeblich für einen obligatorisch zu erstellenden Medienentwicklungsplan (MEP). Schulen und Schulträger sollen diese Kriterien, mithin also den Medienentwicklungsplan, bei ihren Planungen berücksichtigen. Das Landesmedienzentrum wiederum hat im Auftrag des Kultusministeriums ein Online-Tool für die Medienentwicklungsplanung von Schulen und Kommunen entwickelt.
Mit Blick auf diesen Prozess und mit Blick in das Online-Tool befürchte ich, dass hier ein bürokratischer Popanz aufgebaut wird, der einer niederschwelligen und damit raschen Mittelvergabe eher abträglich ist. Ich bin sehr gespannt, wie Schulen und Schulträger damit umgehen.
Martin Rist (Montag, 16 September 2019 11:01)
Ich hätte differenziert zwischen Förderung für WLAN Infrastruktur - was gleichbedeutend mit Internetzugang ist- und der Finanzierung von Endgeräten/Whiteboards.
Internetzugang in Schulen / Klassenzimmern, sollte absoluter STANDARD sein heutzutage und benötigt meiner Meinung nach keinen Medienentwicklungsplan (MEP). Das verlangsamt unnötig die Mittelvergabe und konterkariert die ursprünglichen Ziele des BMBF.
Anders sehe ich es bei Endgeräten/Whiteboards etc. Da bin ich bei der Forderung des BMBF nach MEP und Lehrerfortbildung, bevor dieses angeschafft werden.
Das Problem hierbei ist, dass niemand die Umsetzung kontrollieren können wird, so lange die Inhalte der MEPs nicht Teil der normalen Lehrpläne sind.
Positiv ist allerdings, dass durch verpflichtenden MEPs sich alle mit dem Thema "digitale Bildung" ernsthaft befassen müssen.
Dass es dafür das "Druckmittel" der finanziellen Förderung benötigt, zeigt nur, dass es an der Zeit ist das Bildungssystem an sich zu überdenken. Mir scheint es ist viel zu schwerfällig, um zeitgemäße Bildung umzusetzen.