Bundeskabinett verspricht: Keine neue Umsatzsteuerpflichten für die Weiterbildung. Der befürchtete Kostenschub könnte demnach ausbleiben.
DIE WOCHENLANGE GEGENWEHR zeigt offenbar Wirkung. Die Bundesregierung hat dem Bundestag mitgeteilt, dass sie keine Umsatzsteuerpflicht für Volkshochschulkurse einführen will. Die bisherige steuerrechtliche Behandlung der Volkshochschulen und der anderen gemeinnützigen Träger der allgemeinen Weiterbildung solle fortgesetzt werden.
Ein mitten in der Sommerpause vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf "zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" hatte in den vergangenen Wochen heftigen Reaktionen ausgelöst. Mit Berufung auf europarechtliche Richtlinien wollte die Große Koalition darin auch die Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung von Bildungsangeboten neu sortieren. Woraufhin der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) gemeinsam mit anderen Trägern öffentlich verantworteter Weiterbildung ein Protestpapier veröffentlicht, Titel: "Keine neue Steuern für die Weiterbildung". Eine DVV-Sprecherin sagte auf meine Anfrage, bei strenger Auslegung der geplanten Bestimmungen könnten die Steuerbehörden künftig rund zwei Millionen Kursteilnehmer, das sind rund 22 Prozent aller Volkshochschul-Nutzer, "erheblich stärker zur Kasse" bitten.
Bildungspolitiker fast aller Parteien bis hinein in die Regierungsfraktionen hatten ebenfalls vor den Änderungen gewarnt. Mitte September dann hatte sich der Bundesrat auf Initiative Baden-Württembergs in einer Stellungnahme eindeutig gegen das geplante Gesetz positioniert. "Volkshochschulen, Musikschulen und viele weitere Träger der Weiterbildung leisten einen unabdingbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt", sagte Kultusminister Susanne Eisenmann (CDU). "Ich halte es für sehr wichtig, dass wir hier durch die Neuregelung der Umsatzsteuer keine finanziellen Hürden aufbauen." Weiterbildung müsse möglichst vielen Menschen offen stehen.
"Neu – (jedoch) unverändert"
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ging nun zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrates und einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Bundestag. Und in dieser vergangene Woche vom Kabinett beschlossenen Gegenäußerung heißt es nun, nach Auffassung der Bundesregierung werde der bisherige Regelungsumfang "neu – (jedoch) unverändert" fortgeführt. "Zudem geht die Bundesregierung von keiner Einschränkung für den Bereich der Erwachsenen-, Familien- und Jugendbildung sowie für die Bereiche der sozialgesellschaftlichen und allgemeinen Weiterbildung aus, wird aber eine Klarstellung vornehmen."
Der letzte Halbsatz ist entscheidend: Die Bundesregierung will dem neuen Gesetz den vom DVV und anderen gefürchteten Interpretationsspielraum nehmen. "Die Bundesregierung wird zeitnah ein Anwendungsschreiben in diesem Sinne veröffentlichen", verspricht die Gegenäußerung, Botschaft: Nein, keine neuen Steuern für die Weiterbildung.
War das nun alles nur ein Sturm im Wasserglas? Haben die Mahner von DVV & Co übertrieben? Womöglich werden einige in der Bundesregierung es nun so darstellen nach dem Motto: Es war ja ohnehin nie Anderes geplant. Man kann es jedoch auch andersherum sehen: Erst die Proteste haben die öffentliche Wahrnehmung und den politischen Druck vor allem aus den Ländern erzeugt. Und dieser Druck hat es dem Ministerium von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ermöglicht, im Hintergrund die Klarstellung auszuhandeln.
Die erste Reaktion der Volkshochschulen fiel allerdings verhalten aus. "Der Deutsche Volkshochschul-Verband wertet die Absichtserklärung der Bundesregierung als einen ersten Schritt in die richtige Richtung", sagte DVV-Sprecherin Simone Raucher auf Anfrage. "Noch ist allerdings unklar, inwieweit in der angekündigten Klarstellung den Bedenken der öffentlichen Weiterbildungsträger Rechnung getragen wird."
Wie die Länder im Bundesrat auf das Nachbesserungs-Versprechen der Bundesregierung antworten, ist noch offen. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) kommentierte auf Twitter, das sei "eine gute Nachricht für unsere Volkshochschulen!" Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sah "im Sinne der Bildungsgerechtigkeit eine gute steuerpolitische Nachricht".
Kultusministerin Eisenmann sagt, Baden-Württembergs Bundesrats.-Initiative sei "offensichtlich erfolgreich" gewesen. "Es ist eine erfreuliche Nachricht, dass die Bundesregierung nun eingelenkt hat und die Volkshochschulen und viele weitere Träger der allgemeinen Weiterbildung von der Umsatzsteuer befreit bleiben."
Noch muss die Bundesregierung allerdings erst einmal das Anwendungsschreiben vorlegen.
Dieser Artikel wurde am 07. Oktober um 18 Uhr aktualisiert.
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