Vergangene Woche hat sich Wolfgang A. Herrmann als dienstältester deutscher Unipräsident verabschiedet. Für welchen Führungsstil stand er – und hätte dieser Führungsstil heute noch eine Chance?
Wolfgang A. Herrmann, langjähriger Präsident der TU München. Foto: Kay Herschelmann
ALS WOLFGANG A. HERRMANN Präsident der Technischen Universität München wurde, hieß der Bundeskanzler Helmut Kohl, Dienstsitz: Bonn.
Herrmann hat in seinem Job viele Regierungschefs kommen und gehen sehen, im Bund, in Bayern. Auch an den Hochschulen im Land wechselten die Präsidenten, Herrmann hat sie freundlich begrüßt, er hat sie freundlich verabschiedet. Während er selbst für immer Chef der TUM zu bleiben schien. Der dienstälteste Unipräsident Deutschlands. 24 Jahre lang gab er seiner Hochschule Richtung und nach außen das Gesicht, er formte sie, er wurde zum Inbegriff. Aber zum Inbegriff wovon eigentlich? "Der ewige Patriarch" habe ich ihn mal in einem Porträt genannt. Und das war anerkennend gemeint.
Vergangenen Montag hat der 71-Jährige seine Amtskette dann doch seinem Nachfolger umgelegt, umlegen müssen, umlegen dürfen. Thomas F. Hofmann heißt der, ist Chemiker wie Herrmann und trägt seinen Namen ebenfalls mit Mittelinitial. Die letzten Jahre waren die beiden Weggefährten, Hofmann als der für die unter anderem für die Exzellenzstrategie zuständige Vizepräsident. Und doch, so viel ist jetzt schon klar, wird Hofmann, gut 20 Jahre jünger, einen anderen Stil pflegen als Herrmann. Schon allein, weil es sicherlich nicht klappen wird, den Job genau "wie Herrmann" machen zu wollen.
Aber wie hat Herrmann seinen Job gemacht? Es ist schwierig, seinen Stil auf einen Nenner zu bringen. Er war der politische Unipräsident, den man sich vorstellen kann. Eng vernetzt in die Politik und speziell in die scheinbar ebenso ewige Regierungspartei CSU hinein. Er hat Strippen gezogen, rausgeholt, was immer es politisch für die TUM herauszuholen gab. Sogar eine "Lex TUM" gab es, über das er sich einst mehr Macht holte als andere Präsidenten.
Begnadeter politischer
Strippenzieher
Der politische Strippenzieher war aber auch ein begnadeter Forscher, Träger des Leibniz-Preises, der höchsten Auszeichnung für Wissenschaftler in Deutschland. Er hat ein tiefes Verständnis für die Abläufe von Wissenschaft und die Befindlichkeiten von Wissenschaftlern.
Was nicht bedeutete, dass er immer auf letztere Rücksicht genommen hätte. Denn als Präsident hat Herrmann sich neu erfunden: als Wissenschaftsmanager, als einer, der seine Hochschule wie kaum ein anderer als Marke verstanden hat. Eine Marke, die man verbreiten muss, inklusive Franchise von Singapur bis Heilbronn. Manche warfen ihm vor, er sei zu wirtschaftshörig gewesen – was wiederum, wenn man Herrmann kennt, abwegig ist. Herrmann glaubt vor allem an das, was Herrmann selbst für richtig hält.
Manchmal quälte Herrmann
seine Professoren
Trotzdem war er kein autoritärer Präsident. Er wollte bestimmen, was an der TUM passiert, er hat seine Professoren manchmal gequält, wenn er etwa der Meinung war, alle Master-Programm müssten künftig auf Englisch laufen. Aber Herrmann wusste auch (fast) immer, wann es gut ist, wann er doch auf die Gremien hören musste.
Die Liste seiner Erfolge ist lang: Die TUM ist neben der Lokalkonkurrenz Ludwig-Maximilians-Universität die einzige Universität, die seit 2006 ununterbrochen Exzellenzstatus hat. Das TUM-Tenure-Track-Programm (übrigens geprägt von Thomas F. Hoffmann) gilt deutschlandweit als vorbildlich und kam Jahre vor der bundesweiten Initiative. Mithilfe von Spendengeldern gründete Herrmann eine eigene School of Education auf. Und und und. Trotzdem lästern manche, Herrmann habe vor allem schöne Kulissen aufgebaut, die wissenschaftliche Substanz dahinter sei mitunter dünn.
Auch über Herrmann selbst haben sie gelegentlich an Unis anderswo den Kopf geschüttelt und sich doch insgeheim gewünscht, auch einen wie ihn zu haben.
Würde das Patriarchalische seines Stils
in die heutige Zeit passen?
Mit seinem Abgang stellt sich tatsächlich die Frage: Wird es einen wie ihn nochmal geben? Oder würde ein Herrmann nicht mehr in die heutige Zeit passen? Immerhin hat sich auch die Bundesrepublik gewandelt. Wer traut sich heute noch, den Unternehmergeist, den "entrepreneurial spirit", staatlicher Universitäten zu beschwören? Und wäre dieses Patriarchalische, mitunter Großspurige an Herrmanns Stil vereinbar mit den allgegenwärtigen Rufen nach Partizipation?
Die Antwort: Nein und ja.
Nein: Andere, die nicht seine wissenschaftliche Kragenweite oder seinen niederbayerischen Charme besitzen, wären für dieselbe, sagen wir mal: unbeirrte Art zu führen schon dreimal abgewählt worden. Universitäten lassen sich normalerweise nicht gern von oben belehren.
Und ja: Wenn man genau hinschaut, unterscheidet Herrmann von vielen anderen früheren und aktuellen Kollegen vor allem eines: Charakter und Konsequenz. Er hat immer gesagt, was er für richtig hält. Und er hat es dann auch gemacht. Oder zumindest versucht, bis es nicht mehr ging. Selbst die, die ihn nicht mochten, haben ihn dafür zumindest respektiert. Klingt einfach. Und ist an Hochschulen unendlich schwer. Aber es gibt sie immer wieder geben, solche Typen. Auch an der Spitze einer Universität. Zum Glück.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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