Am Mittwoch haben die Oppositionsparteien Ministerin Karliczek erneut in den Forschungsausschuss vorgeladen, damit sie Auskunft gibt über eine wichtige Standortentscheidung. Danach müssen aber auch Karliczeks Kritiker Farbe bekennen.
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SEIT BALD VIER Monaten muss sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) gegen immer neue Verdächtigungen wehren, bei der Auswahl Münsters als Standort der Batterie-Forschungsfabrik sei getrickst worden. Besonders groß ist die Empörung in Baden-Württemberg: Ulm galt als besonders aussichtsreicher Kandidat. Zuletzt brachte ausgerechnet ihre Parteifreundin Susanne Eisenmann, CDU-Spitzenkandidatin für die nächste baden-württembergische Landtagswahl, erneut Karliczeks Rücktritt ins Spiel.
Erst lautete der
Verdacht, Karliczek habe persönlich Druck ausgeübt – zugunsten Münsters, das in der Nähe ihres Wahlkreises liegt. Er ließ sich nicht bestätigen. Dann hieß es, als die politisch verantwortliche
Ministerin hätte sie ihren Ministerialbeamten stärker auf die Finger schauen müssen, die eine unerträgliche Schieflage zugunsten Münsters erzeugt hätten. Und die ganze Zeit über verlangen
Karliczeks Kritiker, sie solle reinen Tisch machen, endlich Transparenz üben.
Was Karliczek und ihr Ministerium gemacht haben: Die Ressortchefin stellte sich dem Bundestagsforschungsausschuss und kam im Anschluss der Aufforderung der
Abgeordneten nach, ihnen "alle für eine Nachvollziehbarkeit der Standortentscheidung wichtigen Dokumente" zu übergeben. Sie tat sogar mehr als das: Der Ausschuss erhielt alle Akten zum
Vergabeverfahren, sieben Ordner, rund 2500 Seiten. Dazu sämtliche Bewerbungsunterlagen aller Standorte.
Die geforderte Transparenz hat
Karliczek längst hergestellt
Karliczeks Beamte beantworten unterdessen zig parlamentarische Anfragen, Journalisten wurden zu einem Pressegespräch nach dem anderen eingeladen. Insofern ist es etwas kurios, dass die Opposition
sich weiter über mangelnde Transparenz beschwert.
In Wirklichkeit ist es doch so: Die Fragen, die die Ministerin bislang nicht zur Zufriedenheit der Abgeordneten beantwortet hat, wird sie auch künftig nicht
zufriedenstellend beantworten können. Ganz einfach weil die Standortwahl tatsächlich in Teilen unprofessionell ablief, und, je mehr in ihrem Verlauf schiefging, immer improvisierter
wurde.
So endete die letzte Sitzung der einberufenen Expertenkommission anders als geplant ohne offizielles Standort-Votum. Ihre Mitglieder hätten sich als befangen erklärt,
sagte das BMBF. Weil angeblich aufgrund der vorhandenen Kriterien keine Standort-Entscheidung möglich war, ließ das BMBF die vorhandenen Kriterien weiter aufdröseln. Bis es für Münster passte,
vermuten die Kritiker. Zwei Beispiele von vielen. Um mit der grünen Innovationspolitikerin Anna Christmann zu reden, ist die Standortwahl jedenfalls "vollständig aus dem Ruder gelaufen". Warum
die Opposition, warum die Medien das aber überhaupt in der Detailtiefe wissen? Eben weil Karliczek Transparenz geschaffen hat.
Die Kritiker müssen jetzt handeln –
oder aber es gut sein lassen
Insofern: Auch wenn kaum noch neue Erkenntnisse von Karliczek zu erwarten sind, ist es richtig, dass FDP, Grüne und Linke sie ein zweites Mal vor den Bundestagsforschungsausschuss zitiert haben.
Diesen Mittwoch schon soll es soweit sein, die Ministerin hat ihr Kommen bereits zugesagt. Danach aber müssen die Oppositionsparteien selbst Farbe bekennen.
Wenn ihre Schlussfolgerung lautet, dass die Vergabeentscheidung nicht nur verkorkst war, sondern noch dazu von bewussten Täuschungen geprägt, von gesetzwidrigen
Handlungen im Forschungs- und/oder Wissenschaftsministerium – dann muss es einen Untersuchungsausschuss geben. Dann müssen, wenn sich die Vorwürfe zweifelsfrei beweisen lassen, rechtliche und
politische Konsequenzen folgen.
Was indes nicht länger geht: sich immer neue Detailaspekte des verkorksten Verfahrens aus den Unterlagen zu picken und jedes Mal zu verkünden, es rieche nach
Schiebung. Klar gelingt es so jedes Mal, Karliczek und das Forschungsministerium schlecht aussehen zu lassen, eben weil das Vergabeverfahren schlecht war. Und natürlich ist es
öffentlichkeitswirksam, von Karliczek eine Wiederholung der Entscheidung durch eine unabhängige Kommission zu fordern, die diese freiwillig nie einberufen wird.
Die Verunsicherung in der Batterieforschungsszene wird unterdessen maximal, die Wissenschaftspolitik gerät insgesamt in Verruf. Wegen des erratischen
Entscheidungsprozesses im BMBF. Aber auch weil man den Eindruck bekommt, hier wären einige Bundesländer in Wahrheit vor allem darauf aus, Kompensationszahlungen für ihre Standorte herauszuholen.
Die Kritiker müssen jetzt handeln – oder aber es gut sein lassen.
Dieser Artikel erschien heute in leicht gekürzter Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda Will`s Wissen" im Tagesspiegel.
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Thomas Sattelberger (Montag, 21 Oktober 2019 12:14)
Lieber Herr Wiarda, schon recht: Prozesse sind manchmal quälend lang. Und gerade deshalb muss man sie sauber führen. Wir wissen jetzt, dass das BMBF unter der politischen Verantwortung von Anja Karliczek für diese 500 Millionen Euro schwere Entscheidung nur einen komplett verkorksten Prozess zustande gebracht hat. BMBF-Staatssekretär Michael Meister hatte mir zudem am 30. August 2019 mitgeteilt, es habe seitens Fraunhofer keine provisorische Priorisierung gegeben. Wir wissen mittlerweile aus den seit 12. September 2019 verfügbaren Akten, dass das nicht stimmt. Wurde hier gelogen? Wurde hier die Wahrheit gebogen? Oder hatte er keine Ahnung? Damit will ich das Ministerium am Mittwoch im Ausschuss konfrontieren, bevor ich sage: das Maß ist voll!