Die Chefetagen der Fachhochschulen sind auf den ersten Blick erschreckend uniform besetzt. Beim genaueren Hinschauen zeigt sich zum Glück etwas mehr Diversität.
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VOR EINEM HALBEN JAHR waren die Universitätspräsidenten dran, jetzt hat sich das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die Chefs der Fachhochschulen angeschaut, genauer gesagt: ihre Demographie. Das Ergebnis ist ernüchternd. Nur jede fünfte Fachhochschule (20,8 Prozent) hatte Ende September 2019 eine Frau an der Spitze, der Anteil der Rektorinnen und Präsidentinnen lag damit noch niedriger als an den Universitäten (23,5 Prozent).
Im Schnitt waren die FH-Chefs 57 Jahre alt, zwei Jahre jünger als ihre Uni-Kollegen, nur neun von 101 in die Studie eingegangenen FH-Präsidenten wurden in Ostdeutschland (inklusive Berlin) geboren. Was immer noch wenig ist, aber mehr als die null ostdeutschen Unirektoren – eine Zahl, die im Februar besonderes Aufsehen erregt hatte. Deprimierend niedrig ist auch der Anteil der Hochschulleitungen, die im Ausland geboren wurden. Es sind genau zwei von 101, zwei Frauen: Muriel Helbig von der TH Lübeck und Anne Lequy von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Auf der Leitungsebene ist die vielbeschworene Internationalisierung der Hochschulen also noch nicht angekommen. Was an den Universitäten kaum anders ist: Von deren Chefs waren im Dezember 2018 nur sechs (knapp 7 Prozent) im Ausland geboren. Immerhin: Rund 60 Prozent der unter 57-jährigen FH-Rektoren bzw. Präsidenten haben eine längere Zeit im Ausland verbracht, aber nur 46 Prozent der über 57-Jährigen.
Der an den Fachhochschulen noch niedrigere Frauenanteil unter den Chefs erklärt sich womöglich mit der dortigen Fächerzusammensetzung, sprich: mit dem höheren Anteil an Ingenieur- und Naturwissenschaften, in denen abhängig vom Fach immer noch unterdurchschnittlich viele Frauen studieren. Den CHE-Forschern zufolge sind 29,9 Prozent der FH-Rektoren Ingenieure, an den Unis ist ihr Anteil nur etwa halb so hoch. Und während an den Universitäten 22 Prozent der Hochschulleitungen Geisteswissenschaftler sind, trifft das laut CHE nur auf drei FH-Rektoren (drei Prozent) zu. 22,4 Prozent der Chefs an Fachhochschulen haben Mathematik oder Naturwissenschaften studiert. Freilich hatten jeweils die meisten Präsidenten an den Fachhochschulen (35,5 Prozent) wie an den Universitäten (32 Prozent) einen Hintergrund in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
57, männlich, deutsch: Damit ist der typische FH-Rektor beschrieben, was ziemlich genau dem "59, männlich, westdeutsch" der Universitäten zu entsprechen scheint. Auf den ersten Blick erschreckend wenig Diversität an der Spitze von Einrichtungen, die die Führungskräfte für die Welt von morgen ausbilden sollen.
13 der 101 FH-Präsidenten haben
vorher eine Lehre gemacht
Auf den zweiten Blick erweist sich immerhin, dass die Zusammensetzung der Führungsetagen an den Fachhochschulen doch etwas heterogener ist. Im Schnitt haben die Chefs 8,7 Jahre Berufserfahrung außerhalb der Hochschule gesammelt. Nur drei gaben explizit an, niemals außerhalb der Hochschulweit gearbeitet zu haben. Immerhin 13 der 101 Chefs haben vor ihrem Studium eine Ausbildung absolviert, drei als Bankkaufleute. Aber es gibt auch Gärtner, Schauwerbegestalter und Tischler – wobei nicht alle 13 ihre Lehre abgeschlossen haben. Der Anspruch der Fachhochschulen, gerade auch Bildungsaufsteigern ein Studium zu ermöglichen, spiegelt sich in der Demografie ihrer Rektoren also zumindest in Teilen wider. CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele spricht sogar von der "Vielfalt der ausgewerteten Lebensläufe, die sich teilweise deutlich von den Universitätsleitungen unterscheidet." Aber wirklich nur teilweise. So haben lediglich sieben FH-Leitungen selbst ihr Studium an einer Fachhochschule begonnen, was sicher auch mit der Tatsache zusammenhängt, dass sie im Schnitt deutlich älter sind als die Institution Fachhochschule selbst: Die ersten Gründungen sind gerade 50 Jahre her, der Großteil entstand erst in den Jahrzehnten nach 1970.
52 der 101 in die Studie eingegangenen Hochschulchefs haben zusätzlich die Frage des CHE beantwortet, wie sie sich auf ihre Führungsaufgabe vorbereitet haben. 21 gaben an, ein Führungskräftetraining durchlaufen zu haben, 14 haben an Fortbildungen im Hochschul- und Wissenschaftsmanagement teilgenommen, 20 ein Coaching mitgemacht. Insbesondere die Führungskräftetrainings fielen allerdings oftmals in die für FH-Professoren obligatorische Berufszeit außerhalb der Hochschulen, meist in der Industrie.
Ist das jetzt viel oder wenig Vorbereitung auf den Präsidentenjob? Immerhin ist die Datenlage damit besser als an den Universitäten, wo das CHE keinerlei Informationen zu Führungskräftetrainings oder ähnlichem sammeln konnte. Studienleiterin Isabel Roessler hebt denn auch vor allem die praktische Erfahrung der FH-Leitungen hervor: Da einige zuvor eine Ausbildung absolviert hätten und fast alle über mehrjährige berufliche Erfahrungen verfügten, "kennen sie die Welt jenseits der Hochschulmauern sehr gut. Dadurch wissen sie, wie die anwendungsorientierte Ausbildung der Hochschulen optimal gestaltet werden kann."
Ein Großteil der FH-Präsidenten
stammt aus der Region
Eine programmatische Aussage, deren Wahrheitsgrad sich kaum überprüfen lässt. Was die harten Fakten sonst noch über die Führungskräfte sagen: Externe Bewerber haben es auch an den Fachhochschulen extrem schwer. Nur 24 der Leitungen wurden von außerhalb der eigenen Hochschule berufen, fünf von ihnen waren auch dort Präsident(in) oder Rektor(in). Rund die Hälfte der 101 Chefs war vorher Prorektor(in) oder Vizepräsident(in) und gut 60 Prozent Dekan(in), Prodekan(in) oder Studiedekan(in). Damit bestätigt sich ein Satz, den CHE-Expertin Roessler schon im Februar über die Unichefs gesagt hatte. Es gebe sicherlich kein Geheimrezept, um Präsident oder Präsidentin zu werden, sagte sie damals. "Aber was sicherlich hilft: Lange vor Ort gewesen zu sein."
Und zwar sehr lange: Die Mehrheit der in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg arbeitenden FH-Rektoren ist im selben Bundesland geboren, in weiteren sechs Bundesländern trifft das auf mindestens 25 Prozent der Chefs zu. Apropos: Wie nennen sich die Chefs eigentlich? Die Antwort: zu 63 Prozent "Präsident(innen)", zu 37 Prozent "Rektor(innen)".
Die größte Führungserfahrung hatte Ende September Winfried Lieber, der seit 1997 die Hochschule Offenburg leitet. Der älteste FH-Chef ist Lieber mit seinen 63 jedoch nicht. Der wurde 1952 geboren, wobei das CHE nicht mitteilt, wer das ist. Der jüngste Präsident hat den Geburtsjahrgang 1978 – wobei die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Mann handelt, immer noch hoch ist. Selbst bei den 12 Neubesetzungen 2019 waren lediglich ein Drittel Frauen.
Zum Vergleich: Die Studie "Universitätsleitungen in Deutschland" finden sie hier.
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Chris A (Mittwoch, 06 November 2019 15:53)
Ich verstehe ganz ehrlich den Punkt
"Deprimierend niedrig ist auch der Anteil der Hochschulleitungen, die im Ausland geboren wurden."
nicht. Ein*e Hochschulpräsident*in (sei es nun an einer Universität oder einer Fachhochschule) leitet rechtlich gesehen erstmal eine deutsche Behörde - mit all den einhergehenden Zwängen, Vorgaben und Rechten, die der Status einer öffentlichen Einrichtung so mit sich bringt. Da wäre ich durchaus skeptisch, wenn die Präsidentin aus den USA, Japan oder dem UK käme.
GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 04:09)
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