· 

"Da geht vieles durcheinander"

HRK-Präsident Peter-André Alt im Interview über den Streit um Befristungen, Tricks der Länder beim Zukunftsvertrag, den Zustand der Wissenschaftsfreiheit – und die Rolle der Hochschulrektorenkonferenz als Meinungsführer.

Peter-André Alt ist seit August 2018 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Vorher war der Literaturwissenschaftler acht Jahre lang Präsident der Freien Universität Berlin. Foto: HRK/David Ausserhofer.

Herr Alt, als Sie im April 2018 zum Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz gewählt wurden, haben Sie der HRK in Ihrem ersten Interview eine "Profilschwäche" bescheinigt und als Ziel ausgegeben, "nicht immer nur hinterherzulaufen, sondern selbst Themen zu setzen." Gerade hat sich die HRK in Hamburg wieder zu ihrer Jahresversammlung getroffen. Würden Sie sagen: Mission erfüllt?

 

Auf jeden Fall sind wir vorangekommen. Bei allen Themen, die uns als Hochschulen wichtig sind, versuchen wir, die Meinungsführerschaft zu erringen, und wenn ich mir die öffentlichen Debatten in der letzten Zeit so anschaue, finde ich, dass uns das sehr oft auch gut gelungen ist. Natürlich nicht immer, das ist klar.

 

Meinungsführerschaft ist ein großes Wort. Bei welchen Themen sehen Sie die denn bei der HRK?

 

Wenn es um Fragen der Lehre geht zum Beispiel. Auch die Bedeutung einer ausreichenden Grundfinanzierung für die Hochschulen haben wir der Politik viel bewusster als früher machen können. Dass wir uns bei der Exzellenzstrategie so nachdrücklich für rein wissenschaftsgeleitete Auswahlentscheidungen positioniert haben, hat im Juli eine klare Wirkung erzielt. Auch über die Wissenschaftsfreiheit und ihre Konsequenzen diskutieren wir viel pointierter als noch vor ein, zwei Jahren. Und zur Zukunft des europäischen Forschungsraums hat unser Brüsseler Büro ein weiterführendes Papier in die politische Diskussion eingebracht, ein weiteres bereiten wir zur nachhaltigen Entwicklung vor. Damit wird auch deutlich: Die Meinungsführerschaft ist nicht immer nur über die Medien zu erreichen, sondern auch und gerade im direkten Austausch mit Hochschulen und Politik. >>


Was die Hochschulrektoren bei ihrer
Mitgliederversammlung beschlossen haben

Die HRK will mehr für Frauen in Spitzenpositionen. Bei ihrer Mitgliederversammlung beschlossen die Rektoren ein Papier, das einer Selbstverpflichtung gleichkommt. Frauen sollten künftig häufiger die Leitungspositionen in den Hochschulen übertragen werden, anstatt dass sie "wie es häufig der Fall ist – Aufgaben in zweiter Reihe übernehmen, die in der Regel mit keinem geringeren Aufwand, aber deutlich geringerem Einfluss verbunden sind." Die Entschließung fordert von den Hochschulen die Implementation von den dafür nötigen "Prozessen und Verfahren" und benennt auch, wer dafür in erster Linie zuständig sei: die Hochschulleitungen. So klar die Erklärung der Rektoren geworden ist, so eindeutig werden sie sich also auch in den nächsten Jahren am Stand ihrer Umsetzung messen lassen müssen. 

 

Auch zum wachsendsen Antisemitismus äußerten sich die HRK-Mitglieder und bekräftigten vor dem Hintergrund der Terrorattacke von Halle am 9. Oktober "unsere Abscheu und unseren Widerstand gegen Antisemitismus in jeglicher Form", wie Peter-André Alt im Anschluss formulierte. Die Hochschulen befürworteten in ihrer Entschließung die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und betonten, sie wollten diese an allen Hochschulstandorten etabliert sehen.  "Jüdisches Leben auf dem Campus darf nicht gefährdet sein, jüdische Forscherinnen und Forscher, Lehrende und Studierende müssen sich an allen Hochschulen sicher fühlen können."

 

Schließlich wiederholten die Rektoren ihren Protest gegen die von der Bundesregierung 

 

geplanten neuen Abschlussbezeichnungen für die berufliche Bildung. Die HRK-Mitglieder appellierten an die Regierungschefs der Länder, wie vom Bundesratsausschuss für Kulturfragen empfohlen den Vermittlungsausschuss anzurufen. Es sei zweifellos möglich, Bezeichnungen zu finden, "die die hohe Wertigkeit der deutschen Berufsbildung deutlich machen und gleichzeitig Verwechslungen mit akademischen Abschlüssen ausschließen", sagte HRK-Präsident Alt. Der breite Widerstand auch in der Wirtschaft gegen die vorgesehenen Bezeichnungen zeige, dass es nicht um die Verteidigung hochschulspezifischer Positionen gehe, "sondern um Eindeutigkeit und Transparenz im In- und Ausland."

 

Die Bildungsgewerkschaft GEW erkennt in den HRK-Beschlüssen derweil eine Kluft zwischen Rektoren und Kanzlern beim Thema Befristungen. Obwohl sie bei ihrer Mitgliederversammlung keine förmliche Bewertung der Bayreuther Erklärung der Unikanzler beschlossen, hätten sich die Rektoren  anders als die Unikanzler erneut "zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Befristungen" bekannt und "den Auftrag des Bund-Länder-Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken, dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse auszubauen", akzeptiert. Die Gewerkschaft hob die von der HRK verabschiedete Resolution hervor, "mit der sich die Hochschulen verpflichten, die bevorstehende Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu unterstützen." In seinem Interview hier im Blog relativiert HRK-Präsident Alt allerdings die Sichtweise der GEW, er habe sich zu deren Formel "Dauerstellen für Daueraufgaben" bekannt. Die sei zwar griffig, verfehle aber den Kern der Debatte.



Sie haben eben aber auch gesagt, das mit dem Vorneweglaufen sei Ihnen nicht immer gelungen. Haben wir nicht gerade ein hervorragendes Beispiel dafür erlebt, wie den Hochschulen ein Thema entgleitet? Stichwort: Befristungen? Die Bayreuther Erklärung der Unikanzler, die sich für den Erhalt der besonderen Befristungsmöglichkeiten in der Wissenschafts ausgesprochen haben, hat heftige Reaktionen bei Wissenschaftlerinitiativen und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ausgelöst.

 

In der Tat ist es uns als Hochschulen bislang nicht gelungen, ausreichend deutlich zu erklären, was die Wissenschaft zu ihrem Funktionieren benötigt und warum sie auch in Zukunft ohne die Befristung von Stellen nicht auskommen wird. Die Bayreuther Erklärung war in dem Zusammenhang nicht optimal. 

 

"Die griffige GEW-Formel
verfehlt den Kern."

 

Wie meinen Sie das?

 

Die Kanzler haben ein in der Sache richtiges Argument zu knapp dargestellt, so dass die Absicht, die Debatte damit zu versachlichen, leider nicht erreicht wurde. Wichtig wäre es gewesen, den nötigen Kontext zu liefern, der sichtbar macht, warum die griffige GEW-Formel "Dauerstellen für Daueraufgaben" den Kern verfehlt. 

 

Worin hätte denn dieser Kontext bestanden?

 

Die Grundaussage der Kanzler ist absolut richtig: dass befristete Stellen auch der Gerechtigkeit dienen, weil nur so jede neue Wissenschaftlergeneration eine Chance auf Qualifikation erhält. Was aber der Bayreuther Erklärung gleichzeitig fehlt, ist eine Erläuterung, wie man zu Dauerstellen steht und auf welche Weise es gelingen kann, deren Anteil bedarfsgerecht zu erhöhen. Das Thema der Befristung ist wichtig, aber es gibt eine Vielzahl weiterer Themen, die eine Personalentwicklungsstrategie tragen. Im Übrigen wäre es gut gewesen, wenn die Kanzler ihre Erklärung mit den HRK-Leitungsgremien abgestimmt hätten.

 

Aber Sie haben das Papier, wie ich hörte, doch vorab gehabt?

 

Ja, wir erhielten es zur Kenntnisnahme. Ich denke aber, dass ein gemeinsames Papier differenzierter und damit deutlicher gewesen wäre. Wir werden uns künftig intensiver austauschen, so haben wir verabredet. Die HRK hat zudem auf ihrer Mitgliederversammlung beschlossen, eine Arbeitsgemeinschaft zu der zentralen Frage einzurichten, wie wir ein angemessenes Verhältnis von Dauerstellen zu befristeten Stellen schaffen, gerade vor dem Hintergrund des Zukunftsvertrags "Studium und Lehre stärken". Dazu wird gehören, dass wir nochmals die Begrifflichkeiten klarziehen, da geht vieles durcheinander, übrigens auch bei der GEW.

 

Wo zum Beispiel?

 

Wenn die GEW sagt, die Lehre sei eine institutionelle Daueraufgabe, dann ist ihr beizupflichten. Was aber nicht stimmt, ist, dass jede institutionelle Daueraufgabe ausschließlich mit Dauerstellen zu erfüllen ist. Natürlich gehört es zu den meisten Qualifikationsstellen, dass die Inhaber auch lehren. Aber in einem klar definierten Rahmen und mit einem genauen Qualifikationsziel. Das ist es, was ich mit Klarziehen und Präzisieren meine. Dazu gehört auch, die immer wieder von der GEW und anderen zitierten hohen Zahlen von Ein-Jahres-Verträgen für junge Wissenschaftler in den richtigen Kontext einzubetten. Sehr oft entstehen diese Zahlen dadurch, dass Doktoranden in der vorgesehenen Zeit nicht fertig geworden sind. Sollen wir sie deshalb vor die Tür setzen? Oder geben wir ihnen noch einmal ein Jahr, damit sie den Abschluss schaffen? Ich halte es für positiv, dass die Hochschulen sich für letzteres entscheiden, auch wenn das in der Statistik schlecht aussieht.  

 

"Beim Zukunftsvertrag mache
ich mir große Sorgen."

 

Um noch einmal auf das Thema Meinungsführerschaft zurückzukommen: Einer der großen Streitpunkte im vergangenen Jahr war die geplante Einrichtung einer Organisation für die Förderung der Hochschullehre. Sie haben sich als HRK mit Ihren Vorstellungen nicht durchsetzen können. 

 

Das ist so, aber jetzt müssen wir mit der Entscheidung von Bund und Ländern leben und uns mit der neuen Organisation arrangieren. Und das werden wir auch. Im Kern geht es doch darum, dass gute Förderprogramme und Initiativen entstehen, um neue Dinge in der Lehre ausprobieren zu können und dann den Transfer in die Breite der Hochschulen zu schaffen. Eine große Herausforderung sehe ich darin, diejenigen Beschäftigten, deren Stellen im Augenblick noch durch Mittel aus dem Qualitätspakt Lehre finanziert werden, für dauerhafte Aufgaben in den Hochschulen halten zu können. Womit wir wieder beim Thema Befristungen und den schwierigen Rahmenbedingungen für die Hochschulen sind.

 

Die politische Ansage ist doch, dass die Dauerstellen über den von Ihnen bereits erwähnten Zukunftsvertrag kommen können, das miliardenschwere Hochschulpakt-Nachfolgeprogramm.

 

Das wird so gesagt, aber genau an der Stelle mache ich mir große Sorgen. Die Länder sind ja gerade dabei, die im Zukunftsvertrag geforderten Verpflichtungserklärungen zu formulieren. Da zeichnen sich teilweise bedenkliche Versuche ab, die eigene Kofinanzierung möglichst gering zu halten, indem man Dinge, die es schon gibt, als Länderbeitrag deklariert. Einige Modelle sind so gebaut, dass es schwierig wird, einfach gegen sie vorzugehen, aber die betroffenen Länder erschweren es auf diese Weise eindeutig, eines der wichtigesten Ziele des Zukunftsvertrages, nämlich bessere Betreuungsverhältnisse und -kulturen zu erreichen. Wir als HRK werden den Ländern deshalb genau auf die Finger schauen, und wir setzen auf das ebenfalls im Vertrag vereinbarte Monitoring: Der Bund wird die Verpflichtungserklärungen analysieren und hoffentlich, wo nötig, klare Worte finden. 

 

Der Bund war es auch, der vor zehn Jahren viele Millionen Euro für ein Online-Portal für Studienbewerber zur Verfügung gestellt hatte. Das sogenannte "Dialogorientierte Serviceverfahren" sollte die Studienzulassung revolutionär vereinfachen. Jetzt bescheinigen IT-Experten dem Projekt, auf spektakuläre Weise gescheitert zu sein, die Software muss komplett neu geschrieben werden. Ein kollektives Versagen von Wissenschaftsministerien und Hochschulen?

 

Entscheidend ist, dass das Verfassungsgerichtsurteil zur Medizin-Studienplatzvergabe uns aufgrund einer veränderten Mixtur von Zulassungskriterien auch neue technische Prozeduren abverlangt. Wir lösen das in zwei Schritten, durch Weiterentwicklung des bisherigen Systems und ein Reset im Blick auf die Bearbeitung der Zulassungsbedingungen. Wenn man mit den Experten spricht, merkt man, wie komplex die technischen Lösungen sein müssen, damit ein solches Online-Portal wirklich vernünftig funktioniert. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an ein derartiges System sich in den vergangenen Jahren ständig verändert haben, weil sich die Hochschulwelt und die Studiengänge verändern. Die Zahl der Bewerbungen ist beständig gestiegen, die Zahl der Studiengänge und möglichen Kombinationen ist es auch. Aber ich will die Problematik nicht kleinreden. Das System hat nicht funktioniert, wie man schon daran sehen konnte, dass die Hochschulen über Studienplatzbörsen regelmäßig nachsteuern mussten. 

 

"Die Analogie zum Berliner Flughafen
drängt sich auf."

 

Was macht Sie optimistisch, dass künftig alles besser wird?

 

Die alte Geschäftsführung der zuständigen Stiftung für Hochschulzulassung ist nicht mehr aktiv. Wir haben sie im vergangenen Jahr ersetzt, und die Entwicklung der neuen Software wird jetzt mit größerer Expertise vorangetrieben– durch einen Geschäftsführer mit ausgewiesener IT-Kompetenz und einen unabhängigen internationalen Expertenrat. Unser ehemaliger HRK-Vizepräsident Holger Burckhart wird als neuer Vorsitzender des Aufsichtsgremiums mit großer Sachkunde dafür sorgen, dass wir eine kohärente Lösung finden, die fair ist und einen echten Ausgleich schafft zwischen Bewerbern und Hochschulen. Das wird aber seine Zeit brauchen. 

 

Apropos Zeit: Wieso haben Wissenschaftspolitik und Hochschulen der Misere überhaupt so lange zugeschaut?

 

Weil es politisch gewollt war, dass das System funktioniert. Und zwar schnell. Das Thematisieren von Problemen wurde da von einigen offenbar als hinderlich gesehen. Man wollte der Stiftung glauben, dass sie es technisch hinbekommt. Die Analogie zum Berliner Flughafen drängt sich auf. Bei dem hätte man vielleicht schon 2012 sagen sollen, wir reißen ab und fangen nochmals von vorn an. Jedenfalls ist es oft so, dass das ständige Herumreparieren am Ende mehr Arbeit macht und mehr Fehler produziert als der komplette Neustart. Aber den unternehmen wir jetzt und wir werden eine gute Lösung erreichen. 

 

Eines der beherrschenden Themen bei der HRK-Jahresversammlung war die Wissenschaftsfreiheit und die Frage, wie bedroht sie tatsächlich ist. Das ARD-Magazin "Kontraste" hat hierzu vergangene Woche eindrucksvoll Beispiele zusammengetragen, welchen Unsinn Professoren an deutschen Hochschulen tatsächlich sagen können. Die Schlussfolgerung der Reporter: "Das Gerede von der fehlenden Meinungsfreiheit an den Hochschulen – es ist ein Mythos."

 

Auch Wissenschaftler können irrational sein, sich irren oder Unsinn reden. Genau an der Stelle kommt aber eine große Stärke der Wissenschaftsfreiheit zum Tragen. Natürlich besteht sie zunächst einmal darin, inhaltlich frei von staatlichen Vorgaben forschen und lehren zu können. Sie bedeutet aber auch, dass die Wissenschaft ihre eigenen Methoden und Prozesse entwickelt, um wissenschaftlich schlechten Forschungsarbeiten gute gegenüberzustellen und notfalls wissenschaftliches Fehlverhalten zu sanktionieren. 

 

"Die Wissenschaftsfreiheit in
Deutschland funktioniert sehr gut."

 

Das System funktioniert also?

 

Bei allen Schwächen im Detail funktioniert das System sehr gut, ja. Wir reden von wirklichen Einzelfällen, bei denen Standards nicht eingehalten und, übrigens auch durch die beständige Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Methoden, Fehler gemacht werden. Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland nicht sagen dürften, was sie denken, kann ich zum Glück auch nicht erkennen.

 

Warum dann diese große Debatte? Warum diese demonstrative Besorgtheit um die Freiheit der Wissenschaft in Deutschland, die auch die HRK-Jahresversammlung wieder geprägt hat?

 

Weil wir sicherlich aufgrund der Entwicklungen im Ausland auch im Inland sensibler geworden sind. Die Hauptbotschaft bei unserer Jahresversammlung haben aber diesmal gar nicht wir selbst formuliert. Das hat, zu unserem Glück, der Bundespräsident in seiner Rede für uns getan. Er hat die Wissenschaft daran erinnert, dass sie ihre Streitkultur pflegen muss, um ein Vorbild für die Gesellschaft als Ganze sein zu können. Dass wir keine Verbote wissenschaftlicher Positionen zulassen dürfen, sondern dass Wissenschaft über alles sprechen können muss. 

 

Aber Sie haben doch gerade zugegeben, dass sie das darf!

 

Das stimmt, es ist aber trotzdem legitim, auf die Verstöße gegen die Wissenschaftsfreiheit, und seien sie noch so selten, deutlich hinzuweisen. Die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit haben durch ihre Position ganz vorn in unserer Verfassung, in Artikel 5, eine so grundlegende Bedeutung für uns als Gesellschaft, dass eine Debatte über die Wissenschaftsfreiheit immer auch zugleich eine Debatte über den Zustand unserer Demokratie insgesamt ist. 

 

Seit Wochen diskutiert die Wissenschaft über den Fall Lucke: die Rückkehr des ehemaligen AfD-Parteivorsitzenden auf seine Professur und die heftigen öffentlichen Proteste dagegen. Als die erste Veranstaltung wegen lautstarken Protestierern abgebrochen werden musste, veröffentlichten der Hamburger Universitätspräsident Dieter Lenzen und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) ein Statement, für das sie heftigen Gegenwind bekamen. Als HRK-Präsident haben Sie sich entschieden vor die beiden gestellt, warum?

 

Ich fand die Stellungnahme von Universität und Wissenschaftssenatorin eindeutig. Mir kam es böswillig vor, dass von interessierter Seite so getan wurde, als seien da irgendwelche Ambiguitäten enthalten, als hätten sich Präsident Lenzen und Senatorin Fegebank missverständlich geäußert. Ihre Botschaft lautete schlicht, dass die Universität den Streit braucht, dass dieser Streit aber keine Intervention rechtfertigt, die einem Andersdenkenden das Wort abschneidet. Mich stört, dass in Diskussionen oft Wissenschafts- und Meinungsfreiheit miteinander verwechselt werden. Die Wissenschaftsfreiheit muss an den Hochschulen gewährleistet sein, und das ist sie. Es ist aber keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wenn Politiker keine rein politischen Veranstaltungen auf dem Campus abhalten dürfen. Für solche Veranstaltungen gibt es anderswo genügend Möglichkeiten. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 20 November 2019 20:19)

    Liebe Leserinnen und Leser,

    leider muss ich bei den Kommentaren zu einigen Themen derzeit verstärkt feststellen, dass die Netiquette nicht eingehalten wird. Kritik an Akteuren aus den Hochschulen, der Wissenschaft und der Politik ist gut und notwendig, aber bitte immer sach- und nicht personenbezogen. Ansonsten kann ich Ihren Kommentar leider nicht freischalten. Die Betreffenden werden wissen, dass ich sie meine.

    Der gute und wertschätzende Ton im Miteinander bedeutet mir bei allen inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik viel in meinem Blog.

    Beste Grüße und vielen Dank für Ihr Verständnis
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #2

    René Krempkow (Donnerstag, 21 November 2019 09:34)

    Zu: "Eine große Herausforderung sehe ich darin, diejenigen Beschäftigten, deren Stellen im Augenblick noch durch Mittel aus dem Qualitätspakt Lehre finanziert werden, für dauerhafte Aufgaben in den Hochschulen halten zu können." Dies finde ich sehr unterstützenswert und möchte daher an die in der letzten Stifterverbandsstudie zur Personalentwicklung angegebenen Anstrengungen der Hochschulen erinnern, wonach die Hochschulen eine spürbare Erhöhung der Entfristungen planten, und dass sie im Durchschnitt im Bereich der Forschung 38% sowie im Bereich der Lehre 42% als Anteil der unbefristeten Arbeitsverträge an den Arbeitsverträgen insgesamt als optimal einschätzten.
    Dies liegt auch deutlich näher an den Anteilen anderer Industrienationen Europas, wie zum Beispiel den Niederlanden mit 40 Prozent oder Norwegen mit 50 Prozent in Lehre und Forschung [1]. Andere Studien nennen darüber hinaus auch Großbritannien, Irland und Polen als Länder, in denen maximal die Hälfte befristete Verträge hat.

    40 Prozent wären daher mindestens das anzustrebende Ziel.
    [1] www.researchgate.net/publication/303946305

  • #3

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 22 November 2019 08:29)

    @Systemsprengerin: Ich sehe Ihre Ausführungen (für die ich Ihnen herzlich danke!) als für mich bestimmt an und nicht für die Öffentlichkeit. Falls das anders sein sollte, bitte ich um eine Nachricht per E-Mail, damit wir noch ein, zwei Dinge besprechen könnten vorab.