Wer wird Träger der neuen Organisation für die Hochschullehre? Wann erfahren die Hochschulpakt-Beschäftigten, was aus ihren Stellen wird? Und wie ehrlich sind die Länder bei der Kofinanzierung des Zukunftsvertrages? Wenn sich am Freitag die GWK-Minister treffen, sind die Erwartungen an die Runde mal wieder groß.
Foto: Screenshot der GWK-Website.
AM ANFANG STEHT mal wieder der Kaminabend. Donnerstagabend trifft sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mit ihren Ministerkollegen aus den Ländern, am Freitag tagt sie dann offiziell und zum letzten Mal in diesem Jahr: die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK). Der offizielle Höhepunkt: Bund und Länder küren die Trägerinstitution für die neue Organisationseinheit "Innovation in der Hochschullehre".
Fünf Bewerber darum gab es, und so schwer greifbar die noch namenlose neue Organisation, die auf Wunsch der Länder rechtlich nicht eigenständig sein soll, gegenwärtig ist – sie wird in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen. Ein Jahresbudget von 150 Millionen Euro erhält sie von 2021 an, sie soll Lehrprojekte fördern und die bundesweite Vernetzung von Hochschullehrern organisieren, und sie soll dafür sorgen, dass all die guten Ideen auch ihren Weg finden in den regulären Lehrbetrieb.
Entsprechend werden Deutschlands Hochschulen am Freitag sehr genau auf die GWK schauen. Im Oktober haben sich die fünf Bewerberinstitutionen mit ihren Konzepten vor einer Auswahlkommission präsentiert, eine Handvoll unabhängiger Experten hat Bund und Länder bei der Begutachtung unterstützt. Und dem Vernehmen nach hat es zwischen Experten und Politik recht unterschiedliche Ansichten zur Eignung der fünf Kandidaten gegeben. Am Freitag mehr dazu.
Bald sind die
Verpflichtungserklärungen fällig
Spannungsreich verläuft die Wissenschaftspolitik auch sonst gerade. Bei ihrem Kaminabend wird Karliczek mit ihren Kollegen auch über die Verpflichtungserklärungen zum Hochschulpakt-Nachfolger Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken sprechen, die am 15. Januar fällig sind. In diesen Erklärungen sollen die Landesminister haarklein darstellen, wie sie die anfangs 1,88 Bundesmilliarden (plus einem gleich hohen Länderanteil!) auszugeben gedenken – und inwieweit sie damit die Ziele des Zukunftsvertrags erfüllen.
Jedes Land kann eigene Schwerpunkte setzen, die, so steht es im Vertrag, "den spezifischen Herausforderungen und Bedarfen der einzelnen Länder und ihrer Hochschulen gerecht" werden. Allerdings müssen sich die Minister dabei aus einem Katalog an Maßnahmen bedienen, die die GWK im Frühjahr vereinbart hat, und in jedem Fall müssen sie erklären, wie sie die Betreuungssituation an den Hochschulen verbessern wollen.
Derweil droht die Stimmung an den Hochschulen in mehreren Bundesländern gerade zu kippen. So haben 877 Beschäftigte der Universität Mainz, der größten Hochschule von Rheinland-Pfalz, einen Offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verschickt. "Mit wachsender Sorge", schreiben ihr die Unterzeichner, nähmen sie "die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen zwischen dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen des Landes zur Transformation des Hochschulpakts 2020 in den Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken wahr".
Allein an der Universität Mainz werden aus Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre über 400 Mitarbeiter auf rund 300 Vollzeitstellen bezahlt, die wie die bisherigen Pakte bis Ende 2020 befristet sind. Die Mitarbeiter hoffen auf eine Entfristung, weil ja der Zukunftsvertrag auf Dauer angelegt ist und der Bund in der Folge mehr Dauerstellen von den Ländern verlangt.
Offener Brief: Ankündigung von Minister Wolf
widerspreche der GWK-Vereinbarung
Doch anders als die im Mai abgeschlossene Bund-Länder-Vereinbarung verspreche, kritisieren Unterzeichner des Offenen Briefes, habe Wissenschaftsminister Konrad Wolf (ebenfalls SPD) bei einer universitätsinternen Veranstaltung Anfang Oktober "explizit erklärt", dass der Zukunftsvertrag ausschließlich dem Erhalt der Studienplatzkapazitäten in Rheinland Pfalz dienen solle und qualitative Ziele, wie sie etwa in den bisherigen Projekten des Qualitätspakts Lehre realisiert würden, nicht Bestandteil der Verhandlungen zwischen dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen zum Zukunftsvertrag sein könnten. Wolf ist übrigens derzeit Vorsitzender der GWK.
Nun fürchten die aus Paktmitteln bezahlten Mainzer Unimitarbeiter um ihre Arbeitsverträge. Der Offene Brief, den auch 140 der gut 520 Mainzer Professoren unterschrieben haben, richtet sich dann auch direkt an Malu Dreyer: "In unserem Verständnis widerspricht dies der von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, unterzeichneten GWK-Vereinbarung, in der sich die Länder ausdrücklich auf die Finanzierung qualitativer Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des Studiums, der Vermeidung von Studienabbrüchen, der Erhöhung der Durchlässigkeit, der Digitalisierung etc. im Rahmen des Zukunftsvertrags verpflichten."
Dass ordentlich Druck im Kessel ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Wolfs Wissenschaftsministerium zu einer weiteren Stellungnahme auf Anfrage nicht bereit ist, sondern auf die eigens herausgegebene Pressemitteilung verweist. In der steht, die rheinland-pfälzischen Hochschulen erhielten durch den Zukunftsvertrag von 2021 an rund 140 Millionen Euro an Bund- und Landesmitteln, und zwar dauerhaft. Rheinland-Pfalz profitiere besonders und können von 2024 an mit weiteren Zuwächsen aus dem Zukunftsvertrag rechnen, die dann ebenfalls den Hochschulen bereitgestellt würden. "Das Wissenschaftsministerium ist im intensiven Austausch mit den Hochschulen darüber, wie die Mittel auf die Hochschulen des Landes verteilt werden, und strebt in der Frage der Verstetigung des Hochschulpaktes eine Lösung im Einvernehmen mit den Hochschulen an."
Die Hochschulen stecken in
einem Verteilungskonflikt
Das Misstrauen der Brief-Initiatoren bleibt trotzdem. Ob, wie die Pressemitteilung des Ministeriums betont, in den Gesprächen "auf Leitungsebene und in Arbeitsgruppen intensive Gespräche mit den Hochschulen aufgenommen" und damit "alle Informationen transparent bereitgestellt" worden seien, "das können wir nicht beurteilen", sagt Erstunterzeichner Andreas Frings, Studienmanager im Historischen Seminar der Universität. Vermutlich seien die Beteiligten zum Stillschweigen verpflichtet. "Für die Beschäftigten der Universität Mainz stellt sich jedenfalls die Frage, weshalb weder der Wissenschaftsminister auf der Tagung am 1. Oktober noch das Wissenschaftsministerium bislang das geplante Verteilungsmodell sowie die sich daraus für die Hochschulen des Landes ergebenden Finanzierungsvolumina öffentlich kommuniziert haben."
Wichtig sei, dass die von 2021 dauerhaft versprochenen 140 Millionen Euro so, wie der Zukunftsvertrag es verlange, "zusätzliche Mittel" sein müssten. "Das Wissenschaftsministerium rechnet in seiner Presseerklärung jedoch explizit Mittel hinein, die angeblich im Vorgriff auf die Verstetigung des Pakts verstetigt worden seien."
Allerdings handelt es sich nicht nur um einen Streit zwischen der Uni Mainz und dem Ministerium, die Hochschulen des Landes stehen gleichzeitig auch in einem Verteilungskonflikt untereinander. So haben ebenfalls vor wenigen Tagen sieben Landeshochschulen einen gleichlautenden Brief an ihre jeweiligen Landtagsabgeordneten geschrieben – mit der Bitte um Unterstützung, damit die durch den Hochschulpakt aufgebauten Studienplatzkapazitäten "für die aktuellen und künftigen Studierenden" erhalten bleiben. Diese sieben Hochschulen verweisen ebenfalls auf den Zukunftsvertrag und die darin festgelegten Übergangsregelungen – und unterstützen damit explizit die Linie des Ministeriums.
Die Interessen zwischen den einzelnen Hochschulen und Hochschultypen unterscheiden sich auch bundesweit erheblich: Die einen haben wie die sieben rheinland-pfälzischen Hochschulen besonders viel neue Studienplätze geschaffen, womit sie der Logik des bisherigen Hochschulpakts folgten. Die anderen freuen sich, dass künftig der Zukunftsvertrag, schon von seinen zwischen Bund und Ländern vereinbarten Verteilungsparametern her, stärker auf Qualität setzten soll. Für die Gelder, die auf die einzelnen Hochschulen entfallen, macht das potenziell einen Riesenunterschied. Vor allem die Fachhochschulen sind in den vergangenen Jahren extrem gewachsen, die Unis zum Teil auch, im jedoch Schnitt geringer. Entsprechend ziehen sich auch die Verhandlungen der Landesministerien mit den Hochschulen, alle versuchen, möglichst viel für sich herauszuholen, und währenddessen hält die Ungewissheit weiter an.
Die Hängepartie um den Zukunftsvertrag
könnte bis zum Sommer dauern
Bis Anfang Dezember, so hat das Wolfs Ministerium versprochen, soll eine "gute Lösung mit den Hochschulen" gefunden sein – also bis jetzt. Der Zeitplan ist natürlich nicht zufällig: Zur GWK will keiner der Wissenschaftsminister mit leeren Händen fahren, auch wenn die Verpflichtungserklärungen noch bis Mitte Januar Zeit haben.
Wobei selbst dann noch längst nicht der Deckel drauf ist: Der Zukunftsvertrag sieht vor, dass nach einer Prüfung durch den Bund, etwaigen Nachbesserungen und schließlich der Koordination der Erklärungen aller 16 Länder (Ziel ist eine dabei eine "länderübergreifende" und "überregionale" Perspektive) die GWK die Verpflichtungserklärungen erst im Sommer offiziell absegnet. Eine ewig lange Wartezeit besonders für die Beschäftigten, deren Verträge nur wenige Monate später auslaufen.
Angesichts der absehbaren Hängepartie steigt auch anderswo die Ungeduld an den Hochschulen. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen: "Gute Lehre braucht verlässliche Bedingungen", schreibt Marco Winzker im Gastbeitrag hier im Blog. Winzker ist Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und leitet das dortige Projekt im Qualitätspakt Lehre. "Für die Hochschulen ist es darum essentiell wichtig, Anfang 2020 zu wissen, über wie viel unbefristetes Budget sie vom 1. Januar 2021 verfügen werden." Die Gesamtfördersumme stehe seit einem halben Jahr fest, und es gebe Kriterien für die Verteilung auf die Länder. "Es muss doch möglich sein, dass auf die einzelnen Hochschulen herunterzurechnen. Vielleicht muss man nach Hochschultyp differenzieren und zur Vermeidung von Härten noch etwas justieren, aber das sollte bei gutem Willen in einem halben, Dreivierteljahr machbar sein."
Für Stirnrunzeln sorgte in Nordrhein-Westfalen, dass die parteilose Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen kürzlich schon mal gut 50 Millionen Euro aus der Zukunftsvertrags-Kofinanzierung angekündigt hatte – als Ausgleich dafür, dass die umstrittenen Studiengebühren für internationale Studierende doch nicht eingeführt werden sollen.
Dafür, dass die Studienbeiträge, die im schwarz-gelben Koalitionsvertrag standen, nicht kommen, erhält Pfeiffer-Poensgen im Land zwar Beifall. Doch, wie Marko Winzker es ausdrückt, machen "die bislang versprochenen 50 Millionen nur einen Bruchteil" der Zukunftsvertrags-Gelder aus: Von den 3,76 Milliarden dürfte auf die NRW-Hochschulen tatsächlich nämlich rund ein Viertel entfallen. Die Unklarheit bleibt also. Mutig ist auch, dass Pfeiffer-Poensgen den Ausgleich für die Studiengebühren als "zusätzlich" bezeichnet. In Wirklichkeit wären die Einnahmen aus den Studienbeiträgen zusätzlich gewesen, die 50 Millionen aus dem Zukunftsvertrag hätten den Hochschulen dagegen, siehe oben, ohnehin zugestanden.
Der Bund will den Ländern
das Tricksen schwerer machen
Zu den Hauptknackpunkten im Bund-Länder-Ringen um die Mitte Januar fälligen Verpflichtungserklärungen dürften insofern auch folgende Fragen zählen: Wie transparent bringen die Länder die nötige Kofinanzierung auf? Sind es wirklich neue und damit zusätzliche Mittel – oder werden, wie etwa die Mainzer Briefeschreiber fürchten, bereits vorhandene Landesgelder als "im Vorgriff auf den Zukunftsvertrag verstetigt" deklariert?
Im Mai erst hatte der Bundesrechnungshof Bund und Ländern vorgeworfen, der bisherige Hochschulpakt sei gekennzeichnet gewesen durch "Fehlentwicklungen und Verstöße im Haushaltsvollzug“. Es sei fraglich, ob die Bundesländer die Gesamtfinanzierung des Hochschulpakts im mit dem Bund vereinbarten Umfang gesichert hätten, doch sei das aufgrund des intransparenten Berichtswesens kaum mehr nachvollziehbar. Für den Zukunftsvertrag hatte die Bundesregierung gegenüber dem Rechnungshof Besserung gelobt, man werde den Ländern mögliche Tricksereien schwerer zu machen, die Kofinanzierung werde stärker überprüft werden als bislang.
Besonders spannend dürfte bei derlei Prüfungen auch der niedersächsische Fall werden. Wie das Wissenschaftsministerium von Björn Thümler (CDU) bestätigt, muss es nach Beschluss der Landesregierung in den kommenden Jahren eine globale Minderausgabe von rund 24,3 Millionen Euro jährlich erbringen. Da 78 Prozent des Haushalts im Ministerium auf die Hochschulen entfallen, werden sie vermutlich auch den größten Teil der Einsparungen leisten müssen. "Wir stehen zu diesem Thema in engem Austausch mit der Landeshochschulkonferenz", sagt Thümlers Sprecherin Heinke Traeger auf Anfrage. Der Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz, Wolfgang-Uwe Friedrich, sprach in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von einem "Kurswechsel" der Landesregierung: Vom Ministerpräsidenten und vom Finanzminister sei den Hochschulen Planungssicherheit und ein stabiler Finanzrahmen versprochen worden.
Wie passen Kürzungen bei den Hochschulbudgets
und die Zukunftsvertrags-Kofinanzierung zusammen?
Wie eine reale Kürzung der Hochschulbudgets mit dem Versprechen auch des Landes Niedersachsen in der GWK zusammenpasst, die Kofinanzierung des Zukunftsvertrages zusätzlich zu liefern, müssen Thümler und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der die Bund-Länder-Vereinbarung unterzeichnet hat, erstmal erklären. Unterdessen steigen auch in mehreren anderen Bundesländern die Begehrlichkeiten der Haushaltspolitiker, an der Höhe der Hochschulbudgets zu drehen.
Angesichts so unerfreulicher Themen dürften die Minister froh sein, bei der GWK noch über ein anderes Anliegen reden zu können: die Zukunft der Exzellenzstrategie. Denn da sind noch reichlich Fragen offen. Wie genau sollen zum Beispiel die jährlichen Berichte an die GWK aussehen, die die Exzellenzcluster und -universitäten laut Bund-Länder-Beschluss liefern sollen? Auch, wie die vorgesehene übergeordnete Evaluation des neugestalteten Exzellenz-Förderprogramms laufen soll, müssen die Minister festzurren. Unklar, aber zentral ist schließlich auch die Frage, wie die zweite Ausschreibungsrunde zu den Exzellenzuniversitäten im Detail vonstatten gehen wird.
Dazu demnächst mehr. Am Freitag wollen Bund und Länder erst einmal die Einrichtung einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe "Exzellenzstrategie" beschließen.
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