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Souverän Finanzquellen verbaut

Die NRW-Hochschulen freuen sich, dass die Regierung auf Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende verzichtet. Die Gegenfinanzierung ist bei genauem Hinsehen allerdings ernüchternd. Und leider nicht untypisch.

Foto: martaposemukel / Pixabay - cco.

ES WAR EIN Coup. Nordrhein-Westfalens parteilose Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen verkündete vorvergangene Woche, dass sie ein Versprechen des schwarz-gelben Koalitionsvertrags nicht erfüllen wird – und erhielt dafür jede Menge Beifall. "Nach reiflicher Überlegung" habe sich die Landesregierung entschieden, doch keine Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einzuführen, teilte Pfeiffer-Poensgen mit.

 

Zum Ausgleich für die entgangenen Einnahmen, versprach Pfeiffer-Poensgen, sollten die Hochschulen aber gut 50 Millionen zusätzlich an sogenannten "Qualitätsverbesserungsmitteln" erhalten. Deren Rektoren zeigten sich "erleichtert", attestierten der Ministerin gar "souveränes Regierungshandeln."

Souverän war jedenfalls, wie Pfeiffer-Poensgen die 50 Millionen als Kompensation verkaufte, obwohl sie den Hochschulen als Teil des Bund-Länder-"Zukunftsvertrags" ohnehin zugestanden hätten. Die Absage an die Studiengebühren bedeutet für die so erfreuten Hochschulen also in Wirklichkeit empfindliche Budgeteinbußen.

 

Pfeiffer-Poensgens Schwenk kam mit Ansage; im Gegensatz zum Koalitionsvertrag hatte sie persönlich die Einführung immer von einer vorherigen "sorgfältigen Prüfung" der Erfahrungen in Baden-Württemberg abhängig gemacht. Dort ist das Studium für internationale Studierende seit 2017 kostenpflichtig. Es habe sich gezeigt, dass die "Kosten-Nutzen-Relation" nicht klar zu beziffern sei, auch aufgrund der zahlreichen Ausnahmeregelungen, und anders als in Baden-Württemberg fehle in NRW das für den sozialen Ausgleich nötige Stipendiensystem.

 

Von 2020 an dürfen die Länder
keine Schulden mehr machen

 

Mit Ansage kommt allerdings noch eine andere Entwicklung, und das nicht nur in NRW. Vom 1. Januar 2020 an gilt für die Länder die Schuldenbremse, ab dann ist ihnen die Nettokreditaufnahme untersagt. Parallel steigen die Steuereinnahmen, Stichwort Konjunkturschwäche, langsamer als ursprünglich prognostiziert. Ob das nur eine Delle ist oder mehr, vermag keiner zu sagen. Fest steht: Finanzpolitiker fangen an, das Geld zusammenzuhalten. Mit absehbaren Folgen auch für die Hochschulen.

 

Ein besonders virulentes Beispiel ist aktuell Niedersachsen. Das dortige Wissenschafts- und Kulturministerium soll laut Kabinettsbeschluss eine "globale Minderausgabe" von jährlich 24,3 Millionen Euro erbringen, beginnend 2020.

Brandenburgs neue Kenia-Koalition wiederum feiert es als Erfolg, dass sie die Hochschulhaushalte weiter um jährlich fünf Millionen schrittweise erhöhen möchte – tatsächlich liegt die Steigerungsrate damit jedoch bei vielleicht 1,5 Prozent pro Jahr. Da diese aber zusätzlich zu den Besoldungserhöhungen komme, sei das "durchaus bedeutsam", heißt es aus den Hochschulen, die bundesweit gut darin sind, für wenig dankbar zu sein.

 

Die ebenfalls neue Kenia-Koalition im fast schuldenfreien Sachsen verspricht derweil neblig, eine "Dynamisierung" der Hochschul-Grundbudgets zu "beraten", ein konkreter Prozentsatz für die Erhöhung flog aber dem Vernehmen nach schon im Vorfeld raus aus den Verhandlungen. Und das alles vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel die OECD Deutschland schon jetzt regelmäßig für seine zu niedrigen Hochschulausgaben kritisiert.

 

Klar, es gibt auch Länder wie Bayern, dessen Ministerpräsident der Forschung kürzlich in recht großspuriger Manier einen Milliardensegen versprochen hat. In den meisten Ländern beschränkt sich der Ehrgeiz jedoch derzeit darauf, die Bundesmittel aus dem Zukunftsvertrag zu verplanen.

 

Ob Studiengebühren oder nicht: Eigentlich wäre es für die Wissenschaftsminister jetzt an der Zeit, mutig über neue Finanzquellen für die Hochschulen zu reden, anstatt sich wie in NRW demonstrativ Optionen zu verbauen.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEITWissen3Brief. 

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Kommentare: 4
  • #1

    Klaus Diepold (Montag, 09 Dezember 2019 12:10)

    die Versprechungen des bayerischen Ministerpräsidenten beziehen sich meinem Verständnis nach auf die Forschung. Ob, und wenn ja wieviel die Lehre davon profitiert ist noch unklar.

    Habe in Canada gerade gelernt, dass dort das operative Budget der Unis ca 50% aus Studienbeiträgen finanziert wird. Das beinhaltet nicht das Forschungsbudget.

  • #2

    Karla K. (Mittwoch, 11 Dezember 2019 15:34)

    Lieber Herr Wiarda,

    ich schätze die Ausrichtung vieler Ihrer Kommentierungen, so bin ich Ihnen hier auch sehr dankbar dafür, dass Sie die finanztechnische Trickserei von Isabel Pfeiffer-Poensgen klar als eben solche benennen.

    Ich bin aber auch jedes Mal irritiert, wenn Sie sich wieder für (allgemeine) Studiengebühren stark machen, und Sie darin eine/die rettende Finanzquelle für die Hochschulen sehen.

    Erstaunlich finde ich auch bei dieser Diskussion die Begründungslinie bzw. den Verweis darauf, dass demnächst die Schuldenbremse gelten wird - als würde es sich alternativlos zwischen "Schulden" oder "Studiengebühren" entscheiden.

    Es gäbe so viele Möglichkeiten, auf der Einnahmenseite für ein Plus zu sorgen. Entsprechend gäbe es Mehr, das verteilt werden könnte.

    Aber selbst ohne zusätzliche ließen sich die vorhandenen Einnahmen ja auch anders verteilen, wenn man wollte. Und bereits innerhalb des System Wissenschaft/Hochschule ließen sich bspw. Mittel der diversen Projektförderungen (für deren mal erfolgreiche, oft erfolglose Antragstellung, Begutachtung, Berichtswesen, Evaluierung etc. ein abartig ressourcenverschwendender Aufwand betrieben werden muss) in die Grundausstattung der Hochschulen überführen, was ein nicht unerhebliches Ressourcenplus für das Kerngeschäft (Forschung, Lehre und Transfer) bedeuten würde.

    Aber reden wir, wie von Ihnen angeregt, mutig über neue Finanzquellen, wie wäre es hiermit: Ein Unternehmen, das eine*n Hochschulabsolvent*in einstellt, zahlt der ausbildenden Hochschule eine Prämie; von, sagen wir ganz vorsichtig: 5.000 Euro (entspräche 500 Euro je Semester für 10 Semester Regelstudienzeit). Ein solcher Ansatz böte eine Vielzahl an Ausgestaltungsmöglichkeiten (Staffelungen, Ratenzahlung, Rabatte, Ausnahmetatbestände, Verschränkungen etc.).

    Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass von den zuletzt jährlich ca. 110.000 Hochschulabsolvent*innen in NRW knapp die Hälfte prämienpflichtig unterkommt. Da kämen mal eben 250 Mio. Euro zusammen. Erhöhen wir die Prämie auf 10.000 Euro (was hinsichtlich der damit fürs Unternehmen gewonnenen Kompetenz immer noch ein Schnäppchen wäre), sprechen wir schon über zusätzliche 500 Mio. Euro. Jedes Jahr. Ohne Gefahr zu laufen, Studieninteressierte vom Studium abzuschrecken. Ohne Absolvent*innen (zusätzlich) verschuldet ins Arbeitsleben starten zu lassen. Ich finde: Schöne Aussichten.

    Mit besten Grüßen
    Karla K.

  • #3

    Mannheimer Studi (Donnerstag, 12 Dezember 2019 12:35)

    Der Vorschlag den Hochschulen eine Studienprämie durch die einstellenden Unternehmen finanzieren zu lassen, halte ich nicht für ganz geglückt. Die Intention ist klar, aber ein unerwünschter Nebeneffekt wäre eine Verzerrung in den Personalentscheidungen: Der Vorschlag setzt konkret einen Anreiz weniger Hochschulabsolventen einzustellen, was ceteris paribus zu suboptimalen Produktionsentscheidungen führen wird.

    Besser wäre es wie schon erwähnt eine neue Priorisierung der Staatsausgaben zugunsten der Hochschulen vorzunehmen. Neue Einnahmen kann man natürlich auch generieren, und das widerspricht auch der Schuldenbremse nicht und das geht auch ohne das oben angesprochene Problem.

  • #4

    Karla K. (Donnerstag, 12 Dezember 2019 21:26)

    Lieber Mannheimer Studi,

    hier wäre ich für eine Übersetzung (und dann vermutlich auch für eine Begründung) dankbar: "Der Vorschlag setzt konkret einen Anreiz weniger Hochschulabsolventen einzustellen, was ceteris paribus zu suboptimalen Produktionsentscheidungen führen wird."

    Inwiefern sind (welche?) Verzerrungen in den Personalentscheidungen zu erwarten?

    Das mit der Prämie ließe sich auch hervorragend an die Entwicklungen der vergangenen Jahre anpassen:

    Es gibt eine Grundprämie (bspw. die 5.000 Euro), und die erwartete Qualität der Absolvent*innen schlägt sich in einem spezifischen Faktor nieder:

    Absolvent*innen von Exzellenzuniversitäten kosten das 3fache der Prämie.

    Absolvent*innen von Universitäten mit wenigstens einem Exzellenscluster kosten das 2fache der Prämie.

    Absolvent*innen von den übrigen Universitäten kosten die Prämie an sich.

    Absolvent*innen von Fachhochschulen kosten nur das 0,5fache der Prämie.

    Dann lassen sich noch Faktoren für unterschiedliche Fachrichtungen einpreisen.

    Da kann man dann ja schauen, was man sich als Unternehmen leisten will (oder kann).

    Heij, wenn mal angefangen hat, mutig draufloszureden, entstehen die wunderbarsten Ideen.

    Mit besten Grüßen
    Karla K.