Zukunftsvertrag und Hochschulzulassung: Warum der 15. Januar für künftige Studierende eine besondere Bedeutung hat.
DER 15. JANUAR ist für die Hochschulen in doppelter Hinsicht ein spannender Tag. Heute sind die Entwürfe der sogenannten Verpflichtungserklärungen fällig, in denen die Bundesländer gegenüber der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ausbuchstabieren sollen, wie sie die Milliarden aus dem neuen Hochschulpakt auszugeben planen. Und ebenfalls heute endet die erste Online-Bewerbungsphase für künftige Medizinstudenten, die nach einem grundsätzlich neuen System läuft – administriert von der Stiftung für Hochschulzulassung, die nach jahrelanger Krise ihrerseits gerade den Neustart versucht.
Von 2021 erhalten die Hochschulen vom Bund zunächst 1,88 Milliarden Euro pro Jahr, so sieht es der "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" vor – und er bestimmt auch, dass die Länder denselben Betrag drauflegen sollen. Doch wie genau wollen die Wissenschaftsminister eigentlich das Geld verteilen? Und kommen wirklich alle dem Versprechen nach, die verlangte Gegenfinanzierung nicht anderswo bei den Hochschulen gleich wieder einzusparen? Diesbezügliche Sorgen hatte zuletzt Bernhard Kempen, der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), geäußert.
Und tatsächlich gibt es Beispiele, die misstrauisch machen. So sollen Niedersachsens Hochschulen künftig pro Jahr 17,4 Millionen Euro weniger bekommen – wegen einer globalen Kürzung des Landeshaushaltes, der sich über fast alle Ressorts zieht. Das Wissenschaftsministerium wartet derzeit laut einem Bericht der Landeszeitung auf einen Vorschlag der Rektoren dazu, wie man die Einsparungen besser aufteilen könne. "Geht es der Uni ans Personal?" fragt die Landesleitung in ihrer Headline, bezogen auf die Leuphana Universität Lüneburg, aber die gleiche Frage stellen sich die anderen Hochschulen in Niedersachsen auch.
Jetzt beginnen die
eigentlichen Verhandlungen
Die Kürzungen stehen in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Zukunftsvertrag – aber es wird spannend sein zu sehen, wie Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) den Nachweis führt, dass sein Land den Zukunftsvertrag transparent gegenfinanziert. Auch in anderen Bundesländern laufen zum Teil hitzige Debatten um die künftige Hochschulfinanzierung.
Wozu genau sich die einzelnen Landesregierungen verpflichten wollen, wird heute freilich noch nicht öffentlich. Man könnte sogar sagen: Jetzt erst beginnen die eigentlichen Verhandlungen um die Umsetzung des Zukunftsvertrages. Laut der vergangenes Jahr geschlossenen Bund-Länder-Vereinbarung gehen die Verpflichtungserklärungen der Länder nämlich zwar spätestens heute dem Bund zu, doch zunächst nur auf "Arbeitsebene". Die BMBF-Beamten werden nun die Angaben und Pläne der Landesministerien prüfen und können diesen "Empfehlungen und Änderungsvorschläge" übermitteln. Bis Mai sollen die Länder dann in Rücksprache mit dem Bund, so nötig, ihre Erklärungen überarbeiten. Parallel gibt es eine Besprechungsrunde zwischen den Ländern und mit dem Bund in der GWK, ebenfalls noch auf Fachebene, dort sollen die Entwürfe "aus einer länderübergreifenden und überregionalen Perspektive" heraus betrachtet werden. Auch daraufhin können sich die Erklärungen nochmal ändern. Und erst dann, in ihrer Sommersitzung, bekommen die Minister aus Bund und Ländern alle Erklärungen in der Gesamtschau offiziell vorgelegt und nehmen sie "zur Kenntnis". Und erst danach werden die finalen Verpflichtungserklärungen veröffentlicht.
So kompliziert der Abstimmungsprozess ist, so klar ist damit auch: Mit dem Abgabetermin heute ist nichts entschieden. Und genau deshalb nutzen Gewerkschaften und Hochschulinitiativen die Gelegenheit zu einem bundesweiten Protesttag. Vor der Mensa der Freien Universität Berlin zum Beispiel soll es heute zwischen 11 und 14 Uhr "Informationsstände und Aktionen sowie Kurzvorträge geben", teilte das Bündnis "Frist ist Frust Berlin" mit. "Betroffene Beschäftigte, Studierende und Interessenvertretungen" sollen für Interviews zur Verfügung stehen. "Betroffene Beschäftigte" – weil die Gewerkschaften mit dem Protesttag erneut auf die hohe Befristungsquote an den Hochschulen hinweisen wollen und auf den Umstand, dass mehr Dauerbeschäftigung, also mehr unbefristete Stellen, zu den Qualitäts-Zielen des Zukunftsvertrages zählt.
In Potsdam will "Frist ist Frust" eine Kundgebung vor dem Landtag abhalten; an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ist ein Empfang für Senat und Uni-Leitung geplant, unter dem Motto: "Willkommen im Jahr der Entfristung?“ werde es je nachdem Sekt oder Selters geben. An der Universität Kassel haben die Organisatoren einen Fototermin vor der Mensa angekündigt. Die Initiative "Uni Göttingen unbefristet" wiederum hatte Niedersachsens Ressortchef Thümler schon vergangene Woche einen Offenen Brief geschrieben und anlässlich des Protesttages zum Lokaltermin nach Göttingen eingeladen – "zum gemeinsamen Einsatz für bessere Beschäftigungsbedingungen an niedersächsischen Hochschulen". Womöglich täuscht diese Aufzählung allerdings etwas: An den meisten Hochschulstandorten wird es am groß angekündigten bundesweiten Protesttag voraussichtlich ruhig bleiben.
Die hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, forderte unterdessen, zur grundlegenden Verbesserung von Studienqualität und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen müssten unbefristete Arbeitsverträge zur Förderbedingung des Zukunftsvertrags gemacht werden. "Nur so bekommen die Beschäftigten neue Perspektiven ohne ständige Angst vor Erwerbslosigkeit." Die Kontinuität von Lehre und Forschung leide unter der "völlig aus dem Ruder gelaufenen Befristungspraxis der Hochschulen."
Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, sagte, es entspreche nicht der Bund-Länder-Vereinbarung, dass einzelne Länder die Zukunftsvertrags-Mittel offenbar in einem wettbewerblichen Verfahren an die Hochschulen vergeben wollten. "Hier ist Bundesministerin Anja Karliczek gefordert, die Einhaltung des Zukunftsvertrags durchzusetzen."
Medizin-Zulassung: Hält die Technik
den Anforderungen stand?
Das zweite Ereignis, der Bewerbungsschluss fürs Medizinstudium, findet heute vermutlich noch weitaus weniger öffentliche Beachtung, ist aber für die Zukunft der Hochschulen und vor allem der künftigen Studierenden ebenfalls wichtig. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende 2017 den bundesweiten Medizin-NC in seiner bisherigen Form für teilweise verfassungswidrig erklärt und eine grundlegende Reform verlangt – innerhalb von zwei Jahren. Die sind jetzt rum, das Wintersemester 2020 ist das erste, das nach den neuen Regeln läuft.
Doch klappt das Verfahren, oder geht die Technik in die Knie? Ausgeschlossen war das im Vorfeld nicht, weil die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) schon vor dem Urteil massive Software-Probleme hatte und nun in kurzer Zeit die neuen Bewerbungsregeln umsetzen musste – zunächst und wohl auf Jahre hinaus provisorisch. Die Zeit war so knapp, dass die Hochschulen zu ihrem Unmut das neue System parallel zu der bereits laufenden Bewerbungsphase testen mussten.
Da auch die anderen bundesweiten Studiengänge (Tier- und Zahnmedizin, Pharmazie) nach dem neuen Verfahren laufen und parallel dazu die lokalen NCs von der Stiftung (Online-Name Hochschulstart.de) administriert werden, steht die Zukunft der Studienplatzvergabe insgesamt auf dem Prüfstand.
Zwar ist laufend von kleineren und größeren Problemen zu hören: So hätten die Hochschulen der Stiftung während des Software-Testverfahrens wie versprochen Fehler gemeldet, doch anders als von der Stiftung behauptet, seien diese bislang nicht alle behoben worden. Auch heftige Kritik und rechtliche Bedenken an der derzeitigen Umsetzung der sogenannten "0-Stunden-Regelung" wurden laut. Doch insgesamt scheint das Online-Portal bislang zu funktionieren.
Der Vorsitzende des SfH-Stiftungsrats, der Siegener Uni-Rektor Holger Burckhart, sagte, er sei zuversichtlich, "dass wir nach der erfolgreichen Aufnahme aller Bewerbungen auch die Erstellung der Ranglisten und damit die Zuteilung von Studienplätzen frist- und sachgerecht bewältigen werden." Bislang sei er zufrieden, die Bewerbungsphase sei bis zum heutigen Tag ohne besondere Vorkommnisse verlaufen.
Allerdings dürften allerdings auch erst die kommenden Tage und Wochen besonders datenintensiv und damit spannend werden: Bis zum 22. Januar haben die Studieninteressierten nun Zeit, alle ihre online abgegebenen Bewerbungen in ihre Wunsch-Reihenfolge zu bringen. Parallel dazu beginnt schon morgen die sogenannte Koordinierungsphase, in der die Hochschulen jederzeit Studienplatz-Angebote an die Bewerber schicken können. Die Bewerber können eines annehmen oder auf weitere Angebote warten – bis alle Hochschulen reagiert haben. Wenn bis zum 22. Februar gar keine Angebote da waren, erhalten die potenziellen Studienanfänger einen Ablehnungsbescheid und Informationen über mögliche Nachrück-Verfahren.
Kommentar schreiben