Die Berliner Beuth-Hochschule will sich umbenennen, weil ihr Namensgeber Antisemit war. Bemerkenswerter noch als dieses Ergebnis war die jahrelange Debatte, die sich die Hochschule zum Glück nicht erspart hatte.
MEHR ALS ZWEI JAHRE dauerte der Streit um Christian Peter Beuth, nun hat die gleichnamige Berliner Fachhochschule entschieden, sich einen neuen Namensgeber zu suchen. Ihre Akademische Versammlung votierte gestern Abend mit 30 Ja- bei 14-Neinstimmen und einer Enthaltung für die Umbenennung.
Es war kein Schritt, mit dem sich die Hochschule leicht getan hat. Es wurde debattiert und gerungen, zuerst hochschulintern, dann unter öffentlicher Beobachtung. Darf eine Hochschule nach einem Mann heißen, der bei allen Verdiensten als Bildungs- und Wirtschaftsreformer zwei Gutachten zufolge eben auch Antisemit war? Gestritten wurde allerdings auch um die Frage, wie gut belegt die Vorwürfe gegen Beuth wirklich seien.
Irgendwann suchte die Beuth-Hochschulleitung sogar aktiv die Öffentlichkeit und veranstaltete zwei viel beachtete Symposien über die historische Person Beuth, die judenfeindliche Deutsche Tischgesellschaft, deren Mitglied er war – und über die Rede, die Beuth 1811 vor der Tischgesellschaft gehalten hat und die von antisemitischen Motiven durchzogen war.
Streit um die
Quellenlage
Es gab aber auch einflussreiche Stimmen wie den ehemaligen Hochschulpräsidenten Reinhard Thümer, der bestritt, dass Beuth diese Rede überhaupt gehalten habe, das überlieferte Manuskript trage gar nicht seine Handschrift. Eine steile These, der nicht nur der Soziologe Achim Bühl widersprach, der 2017 in einem ersten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, Beuth sei Antisemit gewesen. Das Manuskript sei wahrscheinlich das Werk eines Protokollanten, sagte Bühl, nicht mehr. Thümer sei weder Historiker noch objektiv, wurde diesem von anderer Seite entgegengehalten, da er just zu dem Zeitpunkt Präsident gewesen sei, als die Hochschule 2009 nach Beuth benannt wurde.
Letzteres machte die ganze Angelegenheit noch facettenreicher. Hier handelte es sich nicht um einen in einer anderen Epoche vergebenen Namen wie etwa bei der Universität Greifswald, die seit 1933 nach dem deutschtümelnden Dichter Ernst Moritz Arndt hieß, einem glühenden Antisemiten, und die nach mehreren Anläufen erst 2018 dessen Namen wieder ablegte. Die Beuth-Hochschule musste sich auch der Frage stellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass noch im Jahr 2009 ein Name gewählt wurde, offenbar ohne die historischen Hintergründe des Namensgebers ausreichend ausgeleuchtet zu haben.
Jetzt ist die Sache entschieden. Daran hat der neue Präsident der Hochschule, Werner Ullmann, einen wichtigen Anteil. Seine Vorgängerin, bis Mitte 2019 im Amt, hatte den Streit in konstruktive Bahnen gelenkt, sie hatte die notwendige Debatte geöffnet. Sie zum Ziel zu führen, war nun allerdings die Aufgabe Ullmanns, der sich vor der gestrigen Entscheidung klar positioniert hatte. Der Tagesspiegel zitiert Ullmann heute so: Für ihn verbinde sich der Name Beuth "nicht mit einer zukunftsorientierten Perspektive einer Hochschule. Es hätte immer eine Kluft zwischen Namen und Anspruch der Hochschule gegeben." Außerdem sei ihm ein Zeichen gegen den stark gewachsenen Antisemitismus und Rassismus in der Gesellschaft wichtig gewesen.
Die Gespaltenheit beim Abstimmungsergebnis
geht in Ordnung
Das Abstimmungsergebnis reflektierte allerdings auch die Gespaltenheit in der Hochschule, und diese Gespaltenheit geht in Ordnung. Denn zwingend war die Entscheidung nicht. Sie war aber eben auch kein Akt ängstlicher politischer Korrektheit, keine Form der Geschichtsklitterung. Stattdessen war es eine in weiten Teilen beispielhafte Debatte. Beispielhaft, weil sie überwiegend ohne schrille Töne auskam, weil sich die Beteiligten Zeit nahmen und die Person Beuth in ihrer Differenziertheit Beachtung fand.
Beispielhaft ist aber auch das Ergebnis, weil es klar macht: Der Name einer Hochschule sollte mindestens drei Funktionen erfüllen. Er sollte erstens idealerweise eine Person ehren, die sich besonders um die Gesellschaft verdient gemacht hat. Zweitens sollte der Name für die Mitglieder der Hochschule und die Gesellschaft insgesamt die Möglichkeit bieten, sich mit ihm zu identifizieren, eben weil er den von Ullmann erwähnten Anspruch für die Zukunft ausdrückt. Und drittens sollte der Hochschulname möglichst keine Menschen emotional verletzen. Der dritte Punkt, Ausdruck einer inklusiven Gesellschaft, ist sicherlich am schwierigsten zu entscheiden und – siehe die Sorge vor political correctness – auch derjenige, bei dem es sich die Beuth-Hochschule am schwersten machen musste.
Doch ist es eben etwas Anderes, ob man einen seit 200 und mehr Jahren gültigen Namen eines absolutistischen Fürsten in Frage stellt, womit man vermutlich die Mehrheit der deutschen Universitäten umbenennen müsste, oder einen Namen, den eine Hochschule erst wenige Jahre getragen hat. Absolutistische Fürsten des 18. oder 19. Jahrhunderts würden sicherlich heute keine Ehrung mehr verdienen, doch die Namensgebung der nach ihnen heißenden Hochschulen ist in sich historisch. Davon wird bei der Beuth-Hochschule keiner ernsthaft sprechen können.
Etwas lächerlich und unangemessen war freilich, wie in den Tagen vor der Abstimmung plötzlich die angeblichen Kosten der Umbenennung in den Vordergrund gespielt wurden – als entscheide sich eine so zentrale Frage daran, dass der neue Name inklusive neuem Logo auf Schildern, Briefbögen, Zeugnissen und in IT-Systemen nicht zu viel Geld kosten dürfte.
Spannend ist, wie die Suche nach einem
neuen Namen laufen wird
Mit der gestrigen Entscheidung ist die Sache nicht ausgestanden. Es bleibt spannend. Gerade die Kritiker der Umbenennung werden nun sehr genau darauf schauen, welchen Namen die Hochschule für sich wählt. Auf keinen Fall darf man aus Angst vor neuen Debatten automatisch vor einer Person als Namensgeberin zurückschrecken. Im Gegenteil: Beispielhaft wäre die Berliner Fachhochschule erneut, wenn sie es schaffen würde, die derzeitige Gespaltenheit bei der anstehenden Namensuche zu überwinden. Es gibt genügend herausragende Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, die es wert wären und die auch zu einer technisch orientierten Hochschule passen würden. Derzeit trägt in Deutschland übrigens keine einzige Universität den Namen einer Frau. Und auch bei den Fachhochschulen sieht es mau aus. Immerhin gibt es die Alice-Salomon-Hochschule, ebenfalls in Berlin. Vielleicht ein Anlass zum Weiterdenken?
Dass es auch anders laufen kann als an der Beuth-Hochschule, zeigte sich diese Woche in Wiesbaden. Dort entschied sich der Ortsbeirat Nordost mit seiner CDU-/FDP-Mehrheit gegen die von den Grünen beantragte Umbenennung der Pfitznerstraße. Der Komponist Hans Pfitzner war ein Verehrer Adolf Hitlers und verteidigte noch nach 1945 die Judenverfolgung. Selbst der Oberbürgermeister hat die Umbenennung empfohlen. "Ist der Name weg, ist er auch aus den Köpfen weg"; es gehe bei dem Straßennamen nicht in erster Linie um eine Ehrung, sondern "um ein Stück Stadtgeschichte"; der Verzicht auf die Umbenennung erspare mehr als 400 Anwohnern unnötige Belastungen. Das waren die offenbar entscheidenden Argumente.
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Steffen Prowe (Samstag, 25 Januar 2020 17:30)
Danke für diese gute Reflexion von außen! Immerhin konnten Sie ja eine der Veranstaltungen aktiv moderieren und haben daher auch einen guten Innenblick in die Diskussion erleben können.
Bzgl der Kostendiskussion sei gesagt, dass diese Frage auch einen wichtigen Anteil haben muss. Zum einen ist es die Pflicht im Rahmen des Haushaltes solche Kosten transparent zu machen (wobei es eine ERSTE KostenSCHÄTZUNG war). Auch, um die Bedeutung für und die Chancen auf Neues (Wandel kostet auch immer) reflektiert und mit Augenmaß in etwas Neues umsetzen zu können. Grundlage war es immer und ist auch immer die inhaltliche und sehr gut extern als auch intern angereicherte Diskussion im Rahmen der Symposien gewesen. Dieser Prozess hat bei vielen in der Hochschule etwas ausgelöst, nämlich die Beschäftigung mit uns, auch uns als Kolleg*innen & Hochschulangehörige (Studierende).
Das wurde auch darin deutlich, dass sich die AV einstimmig gegen einen mehr als unglücklichen Tagesspiegel-Artikel gewendet hat, in dem wegen gerade dieser aus internen Dokumenten geleakten ersten Zahlen mit sprachlich unpassenden Bezügen ein Bogen zwischen den Entscheidern in der AV als auch Antisemiten gezogen wurde.
Zitat "Eine Hochschule, die das von Buchhaltern aufwiegen lässt, hat ihre Entscheidung getroffen – ganz egal, wie sie ausfällt."
Buchhalter (des Todes) war Eichmann. Und die Entscheidung der AV mit dem einstimmigen Votum sich nicht als "Antisemiten" vereinnahmen zu lassen zeigt, dass ALLE (also Befürworter*innen als auch Gegner*innen einer Umbenennung) sich klar zum Leitbild der Hochschule ("Offenheit, Toleranz") bekannten. Dieses Leitbild wurde im Juni 2019 durch die einstimmig beschlossene Streichung des Namens von Beuth hieraus aktualisiert. Das ist als Klarstellung wichtig zu wissen.
Nun besteht die Chance in einem ebenso wie während der Symposien transparent und offen geführten Prozess einen neuen Namen zu finden, der mit einem ebenso weiter in Überarbeitung befindlichen Leitbild für eine pluralistische und offene (Bildung)Gesellschaft steht.
Und hier möchte ich persönlich anmerken, dass ein Namen sicherlich immer eine zweitbeste Lösung ist. Denn Namen verbinden uns immer mit einzelnen Personen. Egal welche Persönlichkeit diese hatten, eine wie auch immer ausfallende Spiegelung an einer Person kann Schwierigkeiten aufwerfen. Ein aktiver (!!; TFH war es sicherlich nicht!) und neutraler Name birgt die Chance, damit auch aktiv neu gestalten zu können. Mir persönlich ist ein Namenskult eher suspekt, Bildung sollte offen sein für alle Spektren. Das mag dann zwar immer etwas schwerer zu vermitteln sein, birgt aber stets die Chance offen und losgelöst zu agieren.
Und nochmals: gerade heute mit erstarkendem Rechts-Revisionismus und Rechtsradikalismus ist es gerade Aufgabe einer Bildungseinrichtung sich klar zu den liberalen, offenen Grundsätzen unserer Demokratie zu bekennen. Was jetzt geschah.
Ich bin gespannt auf Neues. Was übrigens immer Triebfeder der Wissenschaft und Bildung sein sollte....
Josef König (Montag, 27 Januar 2020 11:00)
Danke für den differenzierten Artikel. Dennoch stellt sich die Frage, ob man nicht wirklich mal überlegen sollte, alle diese Namenspatronate abzuschaffen? Als erstes z.B. den Namen von Martin Luther aus der Universität Halle, der nun wahrlich auch ein strammer Antisemit war, der gegen Juden gewittert hat, und dessen Name erst seit 1933 die Uni Halle „ziert“, also seit aus einer für Deutschland unrühmlichen Zeit.
Und bei den sonstigen Fürsten, Königen und Kaisern und Heiligen wird man sicher, wenn man genauer nachforscht, auch den einen oder anderen Antisemiten finden, der in den heutigen Zeiten nicht mehr genehm sein kann.
Bei allen diesen Diskussionen bleibt ein schaler Geschmack zurück. Ich bin der letzte, der irgendwelchen alten oder neuen Antisemiten das Wort redet. Aber ich frage mich dennoch, wohin unsere heutige ach so moraline Lebens- und Diskussionseinstellung hinführt, wenn Historisches komplett aus der Historie verbannt und Personen der Geschichte nicht mehr als eben Personen aus ihrer Zeit gesehen werden können. Das gilt gleichermaßen für Künstler und Kunstwerke, die heute als „sexistisch“ gelten und aus Museen verbannt werden - so wie auch harmlose Gedichte an Wänden Hochschulen übermalt werden.