Nach der "Berlin University Alliance" entsteht in Berlin das nächste Mega-Netzwerk. Was bringt die Zusammenschließeritis der Wissenschaft?
Grafik: Gerd Altmann / pixabay - cco.
WAS SIND SIE STOLZ. 41 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen haben sich am vergangenen Dienstag zur "BR 50" zusammengeschlossen und ihre Tat zwei Tage später der Öffentlichkeit verkündet. "BR" steht für "Berlin Research"; 50 ist die Zahl an Mitgliedern, die der Verbund anstrebt. Dann wären nämlich wirklich praktisch alle nennenswerten, nicht an Hochschulen angesiedelten Forschungsinstitute Berlins dabei, von den Helmholtz-Zentren über die Max-Planck-Institute bis hin zu den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes wie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
"BR 50" soll als Pendant zur "BUA" dienen, der im Juli mit dem Exzellenztitel gekrönten "Berlin University Alliance". Ein der BUA vergleichbares Bündnis solle "die Abstimmung zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen
erleichtern und eine zentrale Anlaufstelle für die Zusammenarbeit mit den Berliner Universitäten und den Austausch mit Gesellschaft und Politik bieten", heißt es in der begleitenden Pressemitteilung. Hin zur Kooperation also, weg vom innerstädtischen Wettbewerb der Wissenschaftsinstitutionen.
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zur "BUA", zumindest wenn man der Darstellung der neuen Partner folgt: Bei der "Berlin University Alliance" hatte Berlins Wissenschaftspolitik, namentlich vor allem der Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (beide SPD), nichts dem Zufall überlassen. Bei der "BR 50" haben die Gründer dagegen aus freien und nur aus freien Stücken gehandelt.
Ein Zusammenschluss
aus freien Stücken
Nein, die "BUA"-Partner hatten nicht wirklich die Wahl, sich nicht zu verpartnern, auch wenn alle Beteiligten bis heute so tun, als sei es anders gewesen. Ihr Engagement wuchs, vorsichtig formuliert, erst im Laufe des Prozesses. Doch die Politik wollte den Verbund der Universitäten unbedingt, weil sie sich dadurch bessere Chancen im Exzellenzstrategie-Rennen erhoffte. Und der "ExStra"-Erfolg, könnte man sagen, hat ihr ja auch Recht gegeben.
Ob die konkrete Umsetzung des Mammutprojekts "Berlin University Alliance" es ebenfalls tut, muss sich zeigen. Die Reibungen zwischen den Partnern waren lange spürbar, die große Frage lautet: Gelingt im Alltag die Abstimmung der unterschiedlichen Interessen, auch der Machtinteressen einzelner Personen, ohne dass ein bewegungsunfähiger Riese entsteht, den all die smarten Marketing-Sprüche nur mühsam verbergen können?
Die entscheidende Frage, die sich jetzt angesichts der Gründung von "BR 50" stellt, ist demgegenüber eine völlig andere: Wozu das Ganze überhaupt?
Vergleichbare wissenschaftspolitischen Anreize fehlen. Es gibt für die neuen Partner keinen Exzellenzwettbewerb zu gewinnen. Möglicherweise haben die Berliner Universitäten mit ihrer "BUA" die Außeruniversitären trotzdem so verschreckt, dass sie Angst hatten, ohne eigenen Zusammenschluss ins Hintertreffen zu geraten. Ebenso wenig ist auszuschließen, dass auch die "BR 50"-Mitglieder in einer Art vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Berliner Großverbund-Begeisterung gehandelt haben. Fakt ist allerdings: Die Finanzierung der meisten "BR 50"-Institute hängt viel weniger vom Wohlwollen der Berliner Landespolitik ab als bei den "BUA"-Universitäten. Viele Forschungsinstitute werden mindestens so stark (oder sogar ausschließlich) vom Bund bezahlt.
Womit die "BR 50" in der Begründung ihrer Existenz auf wissenschaftsimmanente Argumente zurückgeworfen ist. Und womit die Frage lautet: Welche konkreten Formen der zu Recht so hochgehaltenen wissenschaftlichen Kooperation ermöglicht die neue Konstruktion, die nicht schon bislang möglich waren?
Geht es um die Grand Challenges oder
doch eher um neue Geldquellen?
Was bedeutet und verspricht das Ziel etwa, eine "zentrale Dialogpartnerin für Berliner Universitäten" zu schaffen, wie eine der Gründungskoordinatoren, Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) für Sozialforschung, sagte? Oder anders gefragt: Was hinderte die Partner bislang daran, gemeinsam die "zukunftsweisende Forschungsprojekte" anzustoßen, die sie sich jetzt von "BR 50" versprechen? Wenn es um die Harmonisierung gemeinsame Standards bei Berufungen, Publikationen etc. geht – fällt die wirklich leichter, wenn man sich jetzt, siehe "BUA", zusätzlich noch mit allerlei Verbund-Governancefragen beschäftigen muss?
Tatsächlich haben die neuen Partner außer zur Governance und der Zusammensetzung des "BR 50"-Führungspersonals bislang nicht viel Konkretes über ihre Pläne herausgelassen. Von den "großen Problemen der Gegenwart", von den "Grand Challanges", denen es angemessen zu begegneten gelte, ist allgemein-globalgalaktisch und natürlich in Anlehnung an die "BUA"-Strategie die Rede; und immer wieder von "Kooperation", die in der Wissenschaft die Devise sei. Genauer wird das bislang nicht. Vielleicht ist man ja noch zu begeistert von der Großtat des Zusammenschlusses an sich.
Und hofft als Belohnung doch auf den einen oder anderen Euro aus der Politik.
Dem Tagesspiegel gegenüber schwärmte Thomas Sommer vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft schon mal von einer "enormen Dynamik" und der "sehr positiven Stimmung" in Berlin und sagte: "Die Politik kann helfen, diese Initiative zu unterstützen, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene."
Zur Hang der Berliner Wissenschaftspolitik, groß zu denken, passt "BR 50" jedenfalls hervorragend. Bevor allerdings die Wissenschaftseinrichtungen anderer Metropolen jetzt auch den akuten Drang zur Zusammenschließeritis verspüren, sollten sie erstmal entspannt abwarten. Und gespannt das doppelte Groß-Experiment in Berlin verfolgen. Dass Groß gleich Besser ist, ist zuerst einmal eine zu beweisende wissenschaftspolitische Hypothese.
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Liberaler (Montag, 24 Februar 2020 10:41)
Die Skepsis des Autors ist berechtigt. Wenn deutsche Wissenschaftsfunktionäre behaupten, man müsse Kräfte bündeln, wollen sie in Wahrheit den Wettbewerb ausschalten. Die tatsächlich exzellenten Universitäten im Ausland sind alle durch Wettbewerb entstanden: Oxford gegen Cambridge, Stanford gegen Berkeley, Harvard gegen Yale, und so weiter.
Dass die planwirtschaftlich organisierte deutsche "Exzellenzstrategie" Zusammenschließeritis fördert, und auch Verbundprojekte erzwingt wo diese kontraproduktiv sind (Geisteswissenschaften), ist im Hinblick auf das was eigentlich zählen sollte --die *inter*nationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hochschulen-- ein schwerer Fehler.
Jule Specht (Montag, 24 Februar 2020 12:23)
"Dass Groß gleich Besser ist, ist zuerst einmal eine zu beweisende wissenschaftspolitische Hypothese."
Man könnte auch sagen: Dass Konkurrenz besser sei als Kooperation, ist zuerst einmal eine gewagte Hypothese.
Ein Großteil der Forschung entsteht im Team, insofern ist der kollegiale Zusammenschluss von Menschen und Institutionen, die in der Wissenschaft ähnliche Ziele verfolgen, doch ein vielversprechender Ansatz.