Bund und Länder wollen in der Coronakrise einen Teil der Digitalpakt-Gelder schneller fließen lassen. Zeitlich befristet sollen auch Bildungsinhalte finanziert werden dürfen.
Foto: stokpic / pixabay - cco.
BUND UND LÄNDER haben sich auf ein kurzfristiges Hilfsprogramm für die Digitalisierung der Schulen geeinigt. Dafür sollen 100 Millionen Euro aus dem insgesamt 5,5 Milliarden Euro schweren Digitalpakt Schule in den schnellen Ausbau von Auf- und Ausbau von Online-Plattformen fließen, um den digitalen Unterricht in Zeiten geschlossener Schulen zu erleichtern.
Es können sowohl Infrastruktur als auch – bis Ende 2020 befristet – Bildungsinhalte finanziert werden. Vor allem die Finanzierung von Lizenzen privatwirtschaftlicher Anbieter und Plattformen, aber auch die Entwicklung neuer digitaler Lernmaterialien konnte bislang nicht mit Mitteln aus dem Digitalpakt abgedeckt werden. Letzte Details müssen noch geklärt werden, teilte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) den Ländern in einem Schreiben mit. Das Angebot mit dem Hilfsprogramm hatte die Ministerin den Ländern bereits vor einer Woche gemacht, wie das Datum des Karliczek-Schreibens belegt. Trotzdem hatte KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) erst am Morgen gefordert, dass Digitalpakt-Mittel umgewidmet werden müssten, was offenbar im BMBF für Missstimmung sorgte.
In einem Pressestatement sagte Karliczek heute Nachmittag nun: "Wir wollen vor allem auch die Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer derzeit besonders anspruchsvollen Aufgabe unterstützen. Ihnen danke ich von ganzem Herzen, weil sie mit viel Engagement und Kreativität ihre Schülerinnen und Schüler mit Unterrichtsmaterialien versorgen und jetzt unter erschwerten Umständen das Lernen ermöglichen."
KMK-Präsidentin Hubig sagte, schon jetzt gelinge es in den Ländern "auf vielfältige Weise sehr gut", den Schülern trotz der Schulschließungen bestmögliche Bildungsangebote zu machen – "weil sich Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern schnell und flexibel auf die vollkommen neue Situation eingestellt haben." Hubig, die zugleich Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz ist, fügte hinzu: "Wir wollen jetzt die Rahmenbedingungen für digitale Angebote an Schülerinnen und Schüler schnell und unbürokratisch verbessern. Weil alle Länder gleichermaßen vor dieser Aufgabe stehen, wollen wir Mittel aus dem Digitalpakt Schule nutzen, um länderübergreifende Synergieeffekte zu erzielen."
Umfrage: Sechs von zehn Schülern klagen
über Schlechte technische Ausstattung ihrer Schule
Zuletzt waren in mehreren Ländern Lernplattformen unter den hohen Nutzerzahlen zeitweise zusammengebrochen. Zudem klagten Lehrkräfte über Unsicherheiten, welche digitalen Angebote sie als Lernmaterialien ihrer Schüler einsetzen durften und welche nicht.
Am Morgen hatte der Digitalverband Bitkom die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 500 Schülern weiterführender Schulen veröffentlicht. Demzufolge sieht eine große Mehrheit (83 Prozent) in der Digitalisierung ihrer Schule und des Unterrichts eine Chance. 93 Prozent aber an, digitale Medien machten den Unterricht interessanter. Mit digitalen Medien könne Schule eher auf individuelle Bedürfnisse eingehen und Schüler würden Inhalte besser verstehen. Allerdings bezeichneten zugleich 59 Prozent der befragten Schüler den fehlenden Einsatz digitaler Medien als das dringlichste Problem an ihrer Schule. 56 Prozent beklagten die schlechte technische Ausstattung ihrer Schule.
Nachtrag am 27. März 2020
Bundesbildungsministerium öffnet HPI-Schul-Cloud für alle Schulen in Deutschland
Ab sofort können alle Schulen, denen weder eine Landes-Cloud noch eine kommunale Lern-Plattform zur Verfügung steht, die vom Hasso-Platter-Institut (HPI) entwickelte Schul-Cloud nutzen. "In diesen Wochen der Schulschließungen müssen wir alle Ressourcen mobilisieren, damit der Unterricht zumindest teilweise stattfinden kann", sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) heute Nachmittag.
Das BMBF fördert den Aufbau der HPI-Schul-Cloud seit 2016, derzeit wird sie von 128 Gymnasien mit MINT-Schwerpunkt ("MINT-EC-Schulen") genutzt. Die Länder Niedersachsen, Brandenburg, Thüringen erproben die HPI-Cloud zudem an jeweils ein paar Dutzend Schulen. Als länderübergreifendes Digitalpakt-Projekt wollen diese drei Länder und auch Sachsen-Anhalt die Plattform an allen Schulen ausrollen.
Die Voraussetzungen, um die HPI-Schul-Cloud in großem Umfang auszuweiten, seien bereits geschaffen, teilte das BMBF mit. Das System könne schnell ausgerollt und "wie in einem Baukasten-System" an die unterschiedlichen Bedarfe der Schulen angepasst werden.
Karliczek betonte, die Zuständigkeit der Länder für die Schulen und damit auch für digitale Lehrinhalte werde dadurch "selbstredend nicht in Frage gestellt. Es geht um Soforthilfen für Schulen in einer nie dagewesenen und bislang kaum vorstellbaren Notlage." Deshalb sei das Angebot auch auf die Dauer der Krise beschränkt.
Auch auf offene Bildungsinhalte, so genannte Open Educational Resources (OER), solle mittels der HPI-Schul-Cloud zugegriffen werden. Daher seien das Bündnis Freie Bildung und das edu-sharing Network Teil des Projekts.
Kommentar schreiben
Kay Gollhardt (Samstag, 28 März 2020 22:47)
Hallo Herr Wiarda,
Ihr Blog ist einfach einmalig in Deutschland. Bitte weiter so.
Kurze Frage: Wo und wann wird man nähere Informationen lesen können, wer wann welche Mittel für welche Lerninhalte/Technik beantragen kann? Wird dort wieder eine Ergänzung zum bestehenden Bund-Ländervertrag geschlossen, oder geht das nun, auf Grund der Krise, über den kurzen Dienstweg?
Wo kann man sich hierzu näher informieren?
Viele Grüße & Dank
Kay Gollhardt
Jan-Martin Wiarda (Sonntag, 29 März 2020 10:49)
@Kay Gollhardt: Vielen Dank für das nette Kompliment! Ihre Frage kann ich aktuell nicht beantworten. Ich hoffe, das BMBF kann es, wobei Ministerin Karliczek ja betonte, dass noch einige Details geklärt werden müssten. Ich hoffe, dass dies kurzfristig geschehen wird und BMBF und KMK dann eine Mitteilung machen.
Dr. Burkhard Schwier (Mittwoch, 22 April 2020 15:45)
Wir verfolgen die Veränderungsinititativen im Bereich der Digitalisierung sehr intensiv, können jedoch bis jetzt in der hier aufgeführten Angelegenheit immer noch keine Fortschritte erkennen, die wir gerne nutzen würden.
Wir sind eine Ersatzschule, die, wie andere Ersatzschulen auch aufgrund der Corona-Krise mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen hat.
Unsere erste Antragstellung zum Digitalpakt haben wir zwar fertiggestellt, die Liquiditätsprobleme verhindern aber die vorgeschriebene Vorfinanzierung. Da die verfügbarkeit digitaler Medien und somit der schnelle Ausbau der diesbezüglichen Infrastruktur gerade jetzt sehr dringlich ist, kommt dieser finanzielle Engpass natürlich zu Unzeiten.
Angemessen wäre es daher seitens der Bezirksregierungen diesbezügliche Maßnahmen zu ergreifen und die Vorfinanzierung auszusetzen.
J. Petersen (Dienstag, 26 Mai 2020 23:00)
Gibt es in dieser Sache hier Fortschritt? Die Entscheidung eines Soforthilfeprogramm für die Finanzierung von Bildungsinhalten klang beherzt, sie ist nun aber schon wieder zwei Monate her und es scheint bis heute nichts geschehen zu sein, außer dass das BMBF das SODIX-Portal (FWU) und die HPI-Cloud mit ein paar Millionen beglückt hat. Das SODIX-Portal (OER) ist allemal ein mittelfristiges Ziel und hat mit einer Soforthilfe für Lehrer, Schüler und Eltern nichts zu tun. Die landeseigenen Bildungsportale (Distributionsportale für digitale Bildungsmedien) bleiben weiterhin mäßig bestückt obwohl es eine Fülle von Qualitätsmedien gibt, die man sofort allen Lehrern + Schülern freischalten könnte. Die stoische Ruhe in den Kultusministerien ist schon beachtlich. Die Länder bekommen es anscheinend nicht einmal hin, das Geld des Bund zielgerecht auszugeben. Ganz zu schweigen von den jahrelangen Versäumnis, selbst in Bildungsinhalte zu investieren um eine solide Grundversorgung vorzuhalten (mit wenigen Ausnahmen). Die Bildungsinhalte sollen weiterhin durch die klammen Kommunen finanziert werden. So wird das nichts mit der Bildungsgerechtigkeit und der digital gestützten Bildung. Schüler und Eltern werden beim Homeschooling auch weiterhin alleine gelassen. Vielleicht sind die Inhalte dann rechtzeitig zur nächsten Pandemie da.