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Schnelle Hilfe, strenge Limitierungen

Angesichts der Corona-Pandemie tut auch der Bund sein Möglichstes, um Bildungsangebote aufrechtzuerhalten. Doch auch in der Krise gilt: Schulbildung ist Sache der Länder. Ein Gastbeitrag von Anja Karliczek.

Anja Karliczek. Foto: BMBF/Laurence Chaperon.

AUCH DAS BILDUNGSSYSTEM ist im Ausnahmezustand. Die Corona-Pandemie hat die Schließung sämtlicher Bildungseinrichtungen erzwungen – allen voran der Schulen. Die Kultusministerien, die Schulträger und die einzelnen Schulen unternehmen derzeit große Anstrengungen, um Schule auch unter den aktuellen Bedingungen möglich zu machen. Darüber hinaus haben sich viele private Initiativen gebildet, die Bildung in dieser Ausnahmesituation unterstützen. 

 

Wenn Präsenz nicht möglich ist, können digitale Lernangebote helfen. Jetzt kommt es darauf an, diese Angebote rasch auszubauen und die Infrastrukturen zu ertüchtigen. Die Bundesregierung unterstützt dies mit eigenen Initiativen. 

 

100 Millionen Euro aus dem
Digitalpakt Schule – sofort

 

Erstens: Wir nutzen den Digitalpakt Schule. Die Krise zwingt uns, mit Hochdruck Projekte voran zu treiben, die unter normalen Bedingungen monatelang geplant worden wären. Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, 100 Millionen Euro aus dem Digitalpakt Schule für landesweite und länderübergreifende Maßnahmen kurzfristig zu aktivieren. Projekte können vorzeitig starten, so gewinnen wir wertvolle Tage und Wochen. 

 

Erstmals ist es möglich, nicht nur Lehr- und Lern-Infrastrukturen zu fördern, sondern auch Bildungsinhalte. Denn: Da digitale Angebote den Unterricht plötzlich ersetzen, bedarf es rasend schnell auch hochwertiger Inhalte. Zudem werden die Antragsverfahren gestrafft. Dies gilt bis zum Jahresende.

 

Was unter dem Dach des Digitalpakts Schule auf den Weg gebracht wird, bleibt im Zuständigkeitsbereich der Länder. So bauen wir auf das auf, was bereits in den zurückliegenden Jahren an Inhalten und Infrastrukturen etabliert wurde. Daher ist es unverzichtbar, dass die Länder je eine eigene Antwort auf die Krise formulieren. Gleichzeitig begrüße ich sehr das Bemühen, über die Kultusministerkonferenz eine enge Koordinierung herzustellen.

 

Nicht alles, was in diesem Zusammenhang notwendig ist, können Länder und Schulträger in kurzer Frist und in der Fläche decken. Daher unterstützt der Bund mit eigenen Mitteln auch außerhalb des Digitalpakts – mit klar formulierten Zielen und strengen Limitierungen. Denn auch in der Krise gilt: Schulbildung ist Sache der Länder. 

 

Die HPI-Schul-Cloud ist eine befristete
Soforthilfe in der Krise – ausschließlich

 

Zweitens: Kurzfristig wird die HPI Schul-Cloud Schulen in ganz Deutschland zur Verfügung gestellt. Sie wird seit 2017 entwickelt – ursprünglich als Forschungsprojekt in Kooperation mit den Schulen des "MINT-EC". Seit 2018 wurde die Schul-Cloud als niedersächsische Bildungscloud pilotiert. 2019 folgten Brandenburg und Thüringen, die sie als Landescloud ausrollen werden. 

 

Diese Schul-Cloud hat sich bewährt. Ihre Software-Architektur lässt eine schnelle Ausweitung zu. Ab sofort können sich Schulen in ganz Deutschland für eine Nutzung der HPI-Schul-Cloud anmelden. Hierfür stellt das BMBF 15 Millionen Euro zusätzlich bereit. Die Infrastruktur wird zudem durch das Angebot Offener Bildungsmaterialien (OER) ergänzt. Denn auch für die Schul-Cloud gilt: Digitale Infrastrukturen sind die notwendige Grundlage, digitale Inhalte ermöglichen erst das gute Lernen.

 

Die Schul-Cloud soll vor allem Schulen zur Verfügung stehen, die nicht auf eine Landeslösung zurückgreifen können. Dies ist bis zum Jahresende 2020 befristet. Ich möchte unmissverständlich klarstellen: Der Bund steigt nicht in die Versorgung von Schulen mit digitalen Infrastrukturen ein, sondern leistet ausschließlich Soforthilfe. Aber niemand kann es Kindern und Eltern zumuten, würde ein verfügbares Angebot in der Krise zurückgehalten. 

Die Corona-Krise stellt unser Land, stellt unsere Gesellschaft vor gewaltige Herausforderungen. Wir werden diese Krise überwinden, wenn alle politisch Verantwortlichen eng zusammenarbeiten, wenn wir flexibel reagieren und im Einzelfall auch unkonventionelle Wege gehen.

 

Eine neue Allianz für die
MINT-Bildung zu Hause

 

Drittens: Eine weitere Initiative ist die Allianz für MINT-Bildung zu Hause. Diese Aktion hat das BMBF kurzfristig gemeinsam mit den Ländern und rund 50 Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft ins Leben gerufen. Unter dem Dach der MINT-Allianz werden unterschiedlichste Online-MINT-Angebote gebündelt, um sie für Schülerinnen und Schüler leicht zugänglich und bekannter zu machen. Damit soll auch während der Schulschließungen das Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik geweckt werden. Für alle Alters- und Erfahrungsstufen ist etwas dabei: vom virtuellen Labor bis zum selbst programmierten Computer. Und es sollen auch immer wieder neue Angebote hinzukommen. Sicher ist die MINT-Allianz kein Ersatz für die schulische Bildung. Aber es ist ein Angebot für alle, die in diesen herausfordernden Zeiten sagen wollen: Wir bleiben schlau!

 

Viertens: Auch die Erwachsenenbildung ist von der Schließung der Bildungseinrichtungen betroffen. Als Bund fördern wir schon eine ganze Weile das vhs-Lernportal der Volkshochschulen. Weil der Präsenzunterricht wegfällt, steigen die Nutzerzahlen des Portals jetzt enorm. Darauf reagieren wir kurzfristig und bilden zusätzliche Lehrkräfte zu online-Tutoren aus. Damit kann das Lernen im digitalen Raum in den für die Gesellschaft besonders wichtigen Bereichen Alphabetisierung und Grundbildung (also Lesen, Schreiben, Rechnen) und Deutsch als Zweitsprache massiv ausgebaut werden.

 

Der Bund ist dazu bereit, sein Möglichstes zu tun, um Bildung auch in diesen schwierigen Zeiten so gut es geht aufrecht zu erhalten. Dabei kooperieren wir den mit den Ländern und anderen Partnern. Auch in dieser Krise wollen wir für gute Bildung einen Beitrag leisten, soweit dies geht.

 

Anja Karliczek (CDU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesministerin für Bildung und Forschung.



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Kommentare: 1
  • #1

    scheppler (Freitag, 03 April 2020 15:58)

    An anderer Stelle habe ich geschrieben:
    "Man braucht wohl eine gewisse Schamlosigkeit, um als „Krisengewinnler“ die eigenen Marketingmaßnahmen als Argument ins Feld zu führen, zusätzlich staatliche Unterstützung zu fordern."
    Das bezog sich auf die Forderung einer Unternehmerin, der Staat möge den kommerziellen Anbietern im Gegenzug für deren "Hetzt-alles-Corona-kostenlos"-Kampagnen Unterstützung zugestehen.

    Hier möchte man sagen:
    "Man braucht wohl eine gewisse Schamlosigkeit, um bei angeblicher Flexibilität und Unkonventionalität ausgerechnet wieder das HPI auszufinanzieren".

    Die ganze Aktion wirkt hingegen weder flexibel noch unkonventionell. Im Gegenteil hat man den Eindruck, dass die Verbindung zwischen HPI, BMBF und Bitkom inzwischen schon recht eingespielt und alles andere als unkonventionell ist (siehe z.B. das Zustandekommen der ersten Fördermillionen).

    Auch von Flexibilität merkt man wenig. Es sei denn, man meint nur die eigene Flexibilität des BMBF. Denn die Schulen hätte man mit 15 Millionen Euro über die anstehenden Osterferien hinweg doch sicher auch in ein auf stabilen Servern laufendes, befristetes Moodle einladen können, oder? Dort wären die Schulen dann Ende 2020 wohl auch deutlich "flexibler" wieder rausgekommen und könnten die Daten einfach mitnehmen.

    Und das Ganze auch noch als Einzelfall zu bezeichnen, ist mir endgültig schleierhaft, wenn man doch offenbar gewillt ist, an unzähligen Schulen Fakten zu schaffen. Als "Einzelfall" kann man das doch wieder nur aus der eigenen Nabelbeschau des BMBF heraus bezeichnen.

    Es wäre interessant zu wissen, ob das Ministerium die Registrierung der Schulen beim HPI begleitet (hinsichtlich der eigenen Maßgabe) und auch den Auszug der Schulen aus der Wolke. Oder überlässt man dies (auf welcher Grundlage) alleine der Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering gGmbH ? Ich denke, wer in Krisenzeiten "flexible und unkonventionelle" Wege beschreitet, ist im Sinne des demokratischen Schulsystems doppelt und dreifach gefordert, diese Wege auch demokratisch legitimiert, eng zu begleiten. Denn vieles, was in Krisenzeiten an Fakten geschaffen wird, lässt sich später kaum mehr wieder einfangen.

    Und schließlich stellt sich noch die "unkonventionelle" Datenschutzfrage: Auf welcher Grundlage erfolgt aus Sicht des BMBF die Datenverarbeitung? Und wie stellt das BMBF sicher (oder überlässt man das auch einer gGmbH?), dass die mutmaßlichen Einwilligungen nach DSGVO Erwägungsgrund 42 und 43 wirklich freiwillig, ohne Nachteil und ohne "sanften Zwang" stattfinden? Als "public authority" hat man da doch sicher einen Plan, wie man vermeidet, dass Eltern nicht den Eindruck haben, bei Nicht-Einwilligung einen Nachteil zu erfahren (wo doch die Schulen zu sind) oder wie man auch ohne private Geräte partizipieren kann. Das HPI zieht sich dabei ja schnell aus der Verantwortung: "Wie die Schulen in diesem Fall umgehen, ist im entsprechenden Einzelfall zu entscheiden." (https://blog.schul-cloud.org/einwilligungskonzept-der-hpi-schul-cloud/).

    Angesichts der Entwicklungen rund um die HPI-Schulcloud in den letzten Jahren, halte ich es da eher mit Margit Stumpp:
    "Auf dem Markt gibt es bereits ein Dutzend pädagogisch ausgereifter Systeme, die über Nacht einsatzbereit sind. Dass die Bundesmittel ausschließlich der HPI-Cloud zugute kommen sollen, ist mehr als kritikwürdig."
    (https://taz.de/Gruenen-Politikerin-ueber-Bildungspolitik/!5672821/)