Bislang sind Deutschlands Hochschulen besser durch die Krise gekommen als anderswo. Damit das so bleibt, müssen sie ihre Finanzierung krisenfest machen. Ein Gastbeitrag von Frank Ziegele.
Frank Ziegele ist Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE).
Foto: Arne Weychardt für die Bertelsmann-Stiftung.
ANTONIO LOPRIENO, Präsident der Jacobs University, stellte im Interview hier im Blog zu Recht fest, dass die deutschen Hochschulen im Vergleich zu vielen anderen Ländern bisher finanziell gut durch die Krise gekommen sind. Während hierzulande die staatlichen Hochschulen nicht von den Gebühren ausländischer Studierenden abhängig sind, macht deren Anteil im Budget australischer Unis 40 Prozent aus. Dort wird es jetzt richtig eng.
Eine Woche später warnte jedoch Jan-Martin Wiarda in einem Kommentar: "Das dicke Ende kann und wird kommen." Deutsche Hochschulen – außer die privaten – würden zwar nicht von der ersten Welle der Corona-Finanzkrise erfasst. Dafür könne die zweite sie erwischen, wenn die Verschuldung über die öffentlichen Haushalte hereinbricht.
Wiardas Befürchtungen teile ich. Denn es ist sicher unrealistisch, dass es mit den staatlichen Geldern einfach so weitergeht. Gerade im Hochschulsystem wird Bund wie Ländern eine Kürzung zu gegebener Zeit leichtfallen, denn viel staatliches Geld steckt in zeitlich befristeten Programmen, die man einfach auslaufen lassen kann. Und selbst die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen ist in der Krise keine heilige Kuh, wie die Beispiele anderer Länder in der letzten Finanzkrise gezeigt haben.
Die Ausgangssituation der Hochschulen in Deutschland ist dennoch vergleichsweise gut und erinnert an die Lage im Gesundheitssektor zu Beginn der Pandemie: Ihre Finanzstruktur mit 86 Prozent staatlicher Finanzierung hat wertvolle Zeit geschaffen, die nun dem Hochschulsystem zugutekommen kann – wenn sich alle auf das „dicke Ende“ drohender staatlicher Haushaltskürzung einstellen. Allerdings müssen sie damit jetzt sofort beginnen.
Was sind die bisherigen Lehren aus Corona für die deutschen Hochschulen, und was ist zu tun?
Erstens: Die Hochschulen müssen
in der Krise ein Teil der Lösung sein.
Gezielte Weiterbildungsangebote für in Not geratene Angestellte und Branchen oder Kooperationen mit kleinen und mittleren Unternehmen zur Entwicklung innovativer Produkte sind wichtig für die Krisenbewältigung. Die Politik kann solch ein Transferprofil von Hochschulen gezielt fördern: In Schweden etwa vergibt der Staat in diesem Sommer 6.000 Stipendien für Weiterbildung im Rahmen von Summer Schools an den Hochschulen, mit denen die Kosten des Studiums - inklusive Lebensunterhalt - bezahlt werden. Ziel ist die Qualifizierung und "Employability" der von der Krise betroffenen Berufstätigen.
Ein weiterer nachahmenswert pragmatischer Ansatz, wie Unternehmen vom akademischen Know-how profitieren, findet sich in den Niederlanden. Hier gibt es seit Jahren staatlich bezahlte "innovation vouchers", mit denen kleine und mittelständische Unternehmen bei den Hochschulen Leistungen in angewandter Forschung und Transfer einkaufen können. Solche Programme, welche die Hochschulen systematisch zum Akteur und Partner bei der Krisenbekämpfung machen, fehlen im bisherigen Konjunkturpaket.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) kann auf die Milliarden zusätzlicher Forschungsgelder im Konjunkturpaket zu Recht stolz sein, sollte aber auch die Strukturen seiner bestehenden Hochschulförderprogramme weiterentwickeln, bevor diese dem Rotstift zum Opfer fallen. Sonst droht ein ähnliches Szenario wie bei den mühsam etablierten "Pflänzchen" akademische Weiterbildung und Wissenstransfer, die in der Krise als erstes einzugehen drohen, wenn nicht gegengesteuert wird. Hoffentlich rächt sich nicht, dass es trotz der Diskussionen um die "Deutsche Transfergemeinschaft" bisher kein dauerhaft angelegtes Förderinstrument für Transfer und Innovation nach dem Vorbild der Schweiz gibt.
Zweitens: Risikomanagement ist gefragt, und das
Finanzportfolio der Hochschulen muss auf den Prüfstand.
Von jeder Geldanlage ist bekannt: Wer sein Portfolio streut, streut auch das Risiko. Wenn Hochschulen weitestgehend von Studiengebühren oder staatlicher Grundfinanzierung abhängig sind, hat das Einbrechen einer dieser Quellen dramatische Folgen. Wenn sie aber zugleich Einnahmen aus Weiterbildung, Wissenstransfer oder unternehmerischer Tätigkeit erzielen, dazu aus internationalen Quellen wie EU, aus strategischen Allianzen mit Unternehmen, Stiftungen, Sponsoring oder Fundraising haben, dann sind sie besser aufgestellt. Probleme an einer Stelle können durch die anderen Quellen aufgefangen werden. Dazu gibt es in Deutschland schon viele Ansätze, aber die Hochschulen könnten an dieser Stelle systematischer vorgehen.
Das CHE hat im Jahr 2018 die Finanzstrukturen von ausgewählten Hochschulen analysiert. Beispiele aus Köln, Bochum und Wildau zeigen, dass jeweils die Hälfte der Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), aus der Wirtschaft oder Brüssel kommen. Das ist erstmal ein toller Erfolg, bedeutet aber eine hohe Abhängigkeit von wenigen Drittmittelquellen, womit die Hochschulen immer noch krisenanfällig sind. Sie brauchen deshalb ergänzend zur akademischen Strategiebildung eine strategische Finanzplanung.
Der Staat sollte dabei noch bessere Rahmenbedingungen für die Diversifizierung der Finanzquellen schaffen, etwa durch die nötige Finanzautonomie, bessere Bedingungen für Weiterbildung (zum Beispiel die Möglichkeit einer staatlich-privaten Mischfinanzierung), klare gesetzliche Rahmenbedingungen für Unternehmensgründung durch Hochschulen und in letzter Konsequenz auch durch die Erlaubnis, zur Überbrückung von Krisen Kredite aufzunehmen.
Studienbeiträge sollten allerdings in der jetzigen Situation ein Tabu sein. Ein finanzieller Beitrag der Studierenden kann nur dann richtig sein, wenn sie im Gegenzug höhere Qualität erhalten und keinen entsprechenden Rückzug des Staates aus der Finanzierung
So könnte also ein Maßnahmenpaket der krisenfesten Hochschulfinanzierung für Deutschland aussehen: Solange es noch geht, die Verstetigung der Hochschulpakte festzurren, gute Rahmenbedingungen für finanzielle Diversifizierung politisch schaffen und diese in den Hochschulen strategisch steuern. Fokussierte staatliche Anreizprogramme würden den Hochschulen zugleich dabei helfen, zu Akteuren der Krisenbewältigung zu werden und diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe anzunehmen.
Noch haben die deutschen Hochschulen und Politik die Trumpfkarte Zeitgewinn in der Corona-Krise, dürfen sie aber nicht leichtfertig verspielen, wenn sie sich jetzt auf einem "Glück gehabt, weiter so" ausruhen.
Frank Ziegele ist Geschäftsführer des gemeinnützigen CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh und hat seit 2004 eine Professur für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück inne.
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