Der Bund finanziert Laptops und Tablets für arme Schüler. Das ist gut. Wie sie auf die Länder verteilt werden sollen, zeigt aber, dass der Bildungsföderalismus ein ernstes Problem hat.
THEORETISCH IST der Bildungsföderalismus ja eine feine Sache. Anstatt alle
40.000 Schulen in Deutschland bei jedem Problem in eine Schablone zu pressen, können die Länder und Kommunen vor Ort schauen, was die Schüler, Lehrkräfte und Eltern dort tatsächlich am
dringendsten brauchen.
So in etwa lautete auch das Argument von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), als sie vor einigen Tagen die Regeln für das 500-Millionen-Sonderprogramm für Schüler-Endgeräte vorstellte. Mit dem Geld sollen die Schulen Laptops und Tablets für den Unterricht anschaffen, die sie dann dauerhaft an Schüler verleihen, die sich selbst keine leisten können. Die Situation sei von Schule zu Schule unterschiedlich, sagte Karliczek. "Deswegen können die Schulen am besten entscheiden, wie die Geräte eingesetzt werden. Das gilt sowohl für soziale Bedarfe wie auch für pädagogische Erfordernisse."
Die Schwäche des Bildungsföderalismus ist allerdings häufig seine praktische Umsetzung. So auch in diesem Fall. Die Länder haben die Kultushoheit. Wenn der Bund ihnen Geld für die Bildung geben will, müssen sie dem Verteilungsmechanismus alle zustimmen. Was dazu führt, dass am Ende fast immer der sogenannte Königsteiner Schlüssel angewendet wird. Der richtet sich nach Einwohnerzahl und Steueraufkommen. Nicht aber nach dem Problem, um das es geht.
Bremen bekommt deshalb von den 500 Millionen Euro voraussichtlich knapp fünf Millionen. Bayern knapp 78 Millionen. Bayern hat aber nicht 16mal so viele arme Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 25, die Sozialleistungen beziehen wie Bremen, sondern nur dreieinhalbmal so viele. Woraus folgt, dass Bayern pro 6- bis 25-jährigen Leistungsempfänger rechnerisch 731 Euro in Leih-Laptops investieren kann, Bremen aber nur 166 Euro. Baden-Württemberg hat 534 Euro, Berlin 185 Euro. Und so weiter.
Das ist, vorsichtig formuliert, widersinnig. Wer arm ist und zur Schule geht, sollte das lieber in Bayern tun. Nicht nur, weil der bayerische Staat mehr Geld hat, sondern auch weil der Bund pro Bedürftigem mehr zuschießt.
Föderalismus-Pragmatismus
kann funktionieren
Das Endgeräte-Programm ist ein extremes Beispiel für einen immer wieder auftauchenden Missstand im Bildungsföderalismus, der angeblich so nah am Menschen und ihren Problemen ist. Zumindest, wenn es um seine Finanzströme geht, stimmt das allzu oft eben nicht.
Zu fordern, dass der Bund härter verhandeln müsse, um solche Schieflagen zu vermeiden, ist so richtig wie wohlfeil. Es sind vor allem die Länder, die sich solidarischer verhalten sollten. Doch auch das ist leichter gesagt als getan, müsste dann doch zum Beispiel die bayerische Staatsregierung vor ihren Wählern rechtfertigen, warum sie weniger Bundesgeld für ihre Schulen herausholt, als sie könnte.
Unabhängig vom Bildungsföderalismus wäre der Ausweg bei den Endgeräten sogar noch verhältnismäßig einfach. Der Bund könnte die Anschaffung von Laptops & Co als notwendigen Bedarf derjenigen Schüler berücksichtigen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind – und zwar dauerhaft, was ohnehin nötig wäre, anstatt als einmaliges Sondergeschenk. Der Bundesrat hat gerade einen entsprechenden Antrag Berlins in den zuständigen Ausschuss verwiesen. Die 500 Millionen hätten dafür den Anfang markieren können. Das Geld ist jetzt verplant. Doch der dauerhafte Bedarf bleibt.
Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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Vincent Steinl (Montag, 13 Juli 2020 16:21)
"Der Bund könnte die Anschaffung von Laptops & Co als notwendigen Bedarf derjenigen Schüler berücksichtigen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind" - das ist richtig, und das ist eigentlich eine Aufgabe für das Sozialgesetzbuch II und für das BMAS und nicht für das BMBF. Die Gerichtsurteile dazu sind ja aktuell widersprüchlich, deshalb wäre es höchste Eisenbahn, dass der Gesetzgeber hier aktiv wird und dies bundesweit einheitlich klärt. Herr Heil, bitte übernehmen Sie und machen Sie dem Bundestag einen Vorschlag - das wäre doch gerade für einen SPD-Minister ein wichtiges Projekt.
Es bleibt die Herausforderung, wie Familien, die gerade so nicht auf die Grundsicherung angewiesen sind, unterstützt werden können... Auswahl nachhaltig nutzbarer Hardware-Produkte, günstige Preise auch durch Mengenrabattierung, faire Leasing-Modelle sind hier wahrscheinlich der wichtigste Weg; gleichzeitig bräuchte es einen (vielleicht gar nicht so großen) Topf für Härtefälle, verwaltet durch die Schulleitung oder den Förderverein, gefüllt nicht nur durch Beiträge von Eltern, sondern auch durch öffenliche Mittel.