Die Schule von morgen braucht mehr gut ausgebildete Lehrkräfte. Doch dazu braucht es die richtigen Voraussetzungen. Wir Arbeitgeber haben deshalb neun Ziele formuliert. Ein Gastbeitrag von Gerhard F. Braun.
Gerhard F. Braun ist Unternehmer, Mitglied im Präsidium der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Vorsitzender des Bildungsausschusses von BDA und Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Foto: BDA.
GUTE SCHULEN UND GUTE LEHRKRÄFTE sind wichtig für den Standort Deutschland: Was die nachwachsende Generationen lernen, welche Kompetenzen sie erwerben, entscheidet über die Innovationskraft unserer High-Tech-Wirtschaft. Die deutschen Arbeitgeber engagieren sich deshalb schon lange für ein hochwertiges Schulsystem. Die Bildungswerke der Wirtschaft bieten Fortbildungen für Lehrkräfte an; Schulen und Unternehmen kooperieren im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland; die Stiftung der Deutschen Wirtschaft hat Förderprogramme für angehende Lehrkräfte entwickelt.
Doch weil die Zeiten sich rasant verändert haben, bildungspolitisch wie gesellschaftlich, haben wir unsere bildungspolitischen Standpunkte zur Lehrerbildung neu formuliert. Für uns Arbeitgeber stehen neun Ziele im Vordergrund.
1. Lehrermangel vermeiden: Wir brauchen viele gute Lehrkräfte. Es ist völlig unverständlich, wieso "plötzlich" und "überraschend" festgestellt wurde, dass zu wenig Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stehen. Darum war es überfällig, dass die Kultusministerkonferenz die jährliche Aktualisierung der Prognosen und Berechnungen beschlossen hat. Die jährliche Taktung muss beibehalten werden, um zuverlässige, aktuelle und realistische Prognosen vorzulegen und die weiteren Planungen konsequent daran zu orientieren. Die Länder müssen aber auch enger als bisher miteinander kooperieren, um Personalengpässe auszugleichen und ausreichende Studienkapazitäten sicherzustellen.
2. Rahmenbedingungen verbessern: Eine gute Aus- und Fortbildung alleine kann kein Problem nachhaltig lösen. Der Erfolg einer Lehrkraft hängt auch von den Gegebenheiten und der Unterstützung in ihrem Umfeld ab. Die Kultusministerien sind aufgefordert, die Rahmenvorgaben so zu gestalten, dass sie den Lehrkräften die Entfaltung ihres Potenzials ermöglichen. Kommunen müssen den Sanierungsstau beheben, so dass konzentriertes und anregungsreiches Unterrichten möglich ist. Schülerinnen und Schüler mit erschwerten Startbedingungen brauchen Unterstützung durch soziale Dienste; multiprofessionelle Teams sind an allen Schulen sinnvoll.
3. Lernergebnisse verbessern: Vergleichsstudien zeigen bereits seit Jahren mangelhafte Ergebnisse bei den Schülerleistungen in Deutschland. In PISA 2018 schnellte die Zahl der leistungsschwachen Jugendlichen wieder auf über 20 Prozent hoch. Das müssen wir ändern! Die Ausbildung muss den Lehrkräften die praxisrelevanten Kompetenzen für das Lehren und Lernen vermitteln. Zu diesen gehören die zielgenaue Diagnostik und Differenzierung, ein ausreichendes Handlungsrepertoire im Umgang mit Heterogenität, begabungsgerechtes Fördern, soziale und kommunikative Kompetenzen, ein nachhaltiges Fachwissen sowie Evaluation, Reflexion und Qualitätsverbesserung – und die Offenheit für Weiterentwicklung. Die Lehramtsstudierenden sollten schon an der Hochschule zeitgemäße Lernmethoden wie kollaboratives Arbeiten selbst erlebt haben, um sie im Beruf anwenden zu können. Und es geht immer auch darum, Haltung zu vermitteln und das professionelle Selbstverständnis zu fördern.
4. Digitales Lernen möglich machen: Die Krisenmonate haben gezeigt, dass es nicht nur an digitalen Ressourcen, sondern auch an Fortbildungen für die Lehrkräfte fehlt. Lernen mit und über digitale Medien muss absolut selbstverständlich sein. Schülerinnen und Schüler sollen den Umgang mit Medien lernen und die Digitalisierung mit ihren Hintergründen und Implikationen verstehen können. Die Aus- und Fortbildung muss die Lehrkräfte befähigen, situations-, zielgruppengerecht und didaktisch sinnvoll digitale Medien im Fachunterricht einzusetzen, Lernplattformen und Lernprogramme zu nutzen, zu kommunizieren und digitale Möglichkeiten für die eigene Weiterentwicklung und im Team zu nutzen. Lehrkräfte brauchen zudem Entlastung durch IT-Support.
5. Theorie und Praxis verbinden: Lehramtsstudierende vermissen oft die Praxisrelevanz in den Veranstaltungen und empfinden den Berufsstart als Praxisschock. Die Hochschulen müssen nicht nur eng mit den Schulen bei den Praxisphasen kooperieren, sondern diese auch systematisch vor- und nachbereiten und die Studierenden kontinuierlich begleiten – auch als „Eignungscheck“. Das Master-Studium kann schon mit dem Vorbereitungsdienst verzahnt werden.
6. Flexibilität und Durchlässigkeit zwischen Fach- und Lehramtsstudium erhöhen: Bis heute sind nicht alle Lehramtsstudiengänge vom Staatsexamen auf Bachelor- und Master-Abschlüsse umgestellt. Und selbst wenn, ist der Umstieg nicht einfacher geworden: Wer zum Beispiel mit Sport und Biologie für das Lehramt beginnt, kann nicht ohne Weiteres ein Master-Studium Biologie anschließen. Umgekehrt kann mit dem Biologie-Bachelor nur in Ausnahmefällen in ein Master-Studium Biologie für das Lehramt gewechselt werden. Das System ist so intransparent und unflexibel. Die Wissenschaftsministerien sind aufgefordert, die Entscheidung für den Lehrerberuf auch erst mit dem Master-Studium möglich zu machen, die Ein-Fach-Lehrkraft muss eine Option sein. Die bundesweiten Standards für die Lehrerbildung sollten konkreter gefasst und ihre Umsetzung sichergestellt werden.
7. Seiten- und Quereinstieg begleiten: Lehrkräfte mit Quer- und Seiteneinstieg bringen zusätzliche, vielfältige Perspektiven und Kompetenzen in die Schule ein. Sie brauchen aber eine zielgenaue fachdidaktische und pädagogische Nachqualifizierung. Universitäten sollten auch Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen mit Bachelor zum Master-Studium Lehramt zulassen. Es muss möglich sein, berufsbegleitend Studium und Referendariat nachzuholen. An den Schulen ist die Integration durch erfahrene Kolleginnen oder Kollegen und eine gute Personalentwicklung wichtig.
8. Lehrerbildung wertschätzen: Die institutionelle Verankerung des Lehrerstudiums an den Hochschulen, etwa in "Schools of Education", ist nur vereinzelt gelungen. Hochschulen müssen die Schlüsselrolle der Lehrerstudiengänge stärker anerkennen und sie in die strategische Gesamtplanung einbeziehen. Sie können zudem stärker als bisher Lehrerfortbildungen anbieten, auch im Verbund oder digital. Neue oder modifizierte Anforderungen an den Lehrerberuf müssen zügiger aufgegriffen und umgesetzt werden. Bei der zunehmenden Internationalisierung der Hochschulen darf die Lehrerbildung nicht außen vor bleiben. Stipendienprogramme sollten die zukünftigen Lehrkräfte bewusst als eigene Zielgruppe fördern.
9. Fortbildung als Teil der Schulentwicklung konzipieren: Fortbildung gewinnt angesichts von Digitalisierung, Heterogenität oder Inklusion an Bedeutung, ist aber oft nicht systematisch und nachhaltig organisiert. Schulen haben zu wenig Möglichkeiten, Fortbildung selbstständig für Personal- und Schulentwicklung zu nutzen. Die Kultusministerien müssen die Lehrerfortbildung deshalb gezielt in die Qualitätsentwicklung integrieren und aktiv fördern, aber auch für wirksame Formate sorgen. Schulen brauchen ein Budget, damit sie auf Bedarf flexibel reagieren, Angebote nutzen und Kosten übernehmen können.
Ich habe höchsten Respekt für die tägliche pädagogische Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer, zumal in oft nicht einfachen Situationen. Mit unserem Engagement wollen wir sie dabei unterstützen – sie haben eine hochwertige Ausbildung und gute Fortbildung verdient. So schaffen wir gemeinsam die Schule für morgen!
Das gesamte Positionspapier "Lehrerbildung verbessern" der Arbeitgeber finden Sie hier.
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