Die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Kinder und Jugendlichen sinkt die zweite Woche in Folge überdurchschnittlich. Was bedeutet das? Eine statistische Einordnung.
NACH VORLÄUFIGEN ZAHLEN des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist der Anteil der nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Kinder und Jugendlichen erneut stark zurückgegangen.
Insgesamt verzeichnete das RKI in der gestern zu Ende gegangenen Kalenderwoche nach vorläufigen Zahlen 850 Infektionsmeldungen für die Altersgruppe der Unter-15-Jährigen. Das waren genau 200 Kinder und Jugendliche (19,0 Prozent) weniger als in den sieben Tagen zuvor. Gegenüber dem Höchststand aus der Kalenderwoche 34 (1240) sank die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen sogar um ein knappes Drittel.
Zum Vergleich: Insgesamt gingen die Corona-Neuinfektionen in der Kalenderwoche 36 gegenüber zwei Wochen zuvor um genau 20 Prozent zurück. Der Anteil der Unter-15-Jährigen an allen Neuinfektionen entwickelte sich entsprechend ebenfalls nach unten: von 13,0 Prozent über 12,0 auf 11,1 Prozent in Kalenderwoche 36.
Der Bevölkerungsanteil der Unter-15-Jährigen liegt bei etwa 13 Prozent – womit derzeit wieder unterdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche nachweislich an Covid-19 erkranken.
Tatsächlich sinkt der Anteil der Unter-15-Jährigen an allen registrierten Neuinfektionen seit Kalenderwoche 33, als er mit 15,5 Prozent höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag. 11,1 Prozent ist nun der niedrigste Wert seit Kalenderwoche 22 (ab 31. Mai), als er sich zuletzt unter 10 Prozent befand.
Die Entwicklung der vergangenen Wochen lässt
sich nicht über die Testhäufigkeiten erklären
Die vom RKI für die Kalenderwoche 36 erfassten Daten können sich durch Nachmeldungen noch erhöhen; an den grundsätzlichen Trends ändert sich indes aller Voraussicht nach nichts mehr.
Noch keine Angaben liegen zur Testhäufigkeit bei den Unter-15-Jährigen in der vergangenen Woche vor. In den Kalenderwochen 31 bis 35 stieg die die Zahl der 0- bis 4-Jährigen mit SARS-CoV-2-PCR-Testung pro 100.000 Einwohner von 200 auf rund 260, in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen von etwa 160 auf etwa 330.
Der zwischenzeitlich starke Anstieg der Neuinfektionen ging also – wie bei anderen Altersgruppen auch – mit einem kräftigen Plus bei den Tests einher. Dem Rückgang von Kalenderwoche 34 auf 35 bei der Zahl gemeldeten Neuinfektionen bei Kindern und Jugendlichen stand eine weitere – obgleich deutlich geringere – Steigerung bei den Testzahlen gegenüber.
Sowohl die steigenden also auch die sinkenden Zahlen lassen sich somit zumindest bis einschließlich Kalenderwoche 35 nicht allein (oder vorrangig?) über die Testhäufigkeiten erklären. So lagen die Pro-Kopf-Testzahlen bei den Kindern und Jugendlichen in den Kalenderwochen 28 und 29 sogar noch höher, um danach zwischenzeitlich abzufallen – während sich die Zahl der gemeldeten Neuinfizierten in dieser Altersgruppe bis Woche 33 merklich erhöhte.
Ein negativer Einfluss offener Kitas und
Schulen ist bislang nicht feststellbar
Da zwischen Ansteckung und Meldung ans RKI mehrere Tage vergehen, lassen die jetzt bekannten Zahlen zuverlässig nur einen Rückschluss auf das Infektionsgeschehen bis Ende August zu.
Zu diesem Zeitpunkt war in der Mehrzahl der Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, seit mindestens 14 Tage wieder Schule mit vollen Klassen und täglichen Unterricht. Auch die meisten Kitas sind seit spätestens Anfang August zum Regelbetrieb unter Corona-Bedingungen zurückgekehrt.
Ein negativer Einfluss der Öffnung von Kitas und Schulen auf die Infektionszahlen lässt sich damit bislang nicht feststellen. Natürlich kann sich dies ändern. Festzuhalten ist allerdings, dass zwei Wochen, nachdem die Mehrheit der Schulen und fast alle Kitas Vollbetrieb hatten, der Anteil der nachweislich neuinfizierten Kinder und Jugendlichen an allen gemeldeten Neuinfektionen deutlich niedriger lag als in den Wochen zuvor und zugleich auf dem niedrigsten Stand seit Ende Mai.
Dass parallel dazu an hunderten Schulen und Kitas deutschlandweit jede Woche Verdachts- oder Infektionsfälle auftreten und deswegen Klassen oder ganze Einrichtungen zeitweise schließen müssen, ist demgegenüber kein Widerspruch. Denn logischerweise geht (fast) jedes der neuinfizierten Kinder in eine Kitagruppe oder Schulklasse. Entscheidend ist, ob Kitas und Schulen sich als Schwerpunkte des Infektionsgeschehens erweisen. Und das tun sie bislang nicht: Die derzeit berichteten Zahlen waren erwartbar und müssen ins Verhältnis der insgesamt 80.000 bis 100.000 Kitas und Schulen bundesweit gesetzt werden.
Entwarnung ist trotzdem
nicht angebracht
Wo sich die Zahl der nachweislich neuinfizierten Kinder dagegen kaum verringerte bislang: in Bayern und Baden-Württemberg – also dort, wo noch Ferien sind und die Rückkehrer aus dem Ausland offenbar noch überdurchschnittlich viel getestet werden. Für die beiden Bundesländer verzeichnete das RKI vergangene Woche 441 Covid-19-Meldungen zwischen 0 und 14 Jahren (gegenüber 482 in Kalenderwoche 35 und 419 in Kalenderwoche 34).
Die aktuellen Infektionsstatistiken bedeuten natürlich auch bundesweit keine Entwarnung, da die Zahl der neuinfizierten Kinder und Jugendlichen immer noch mehr als doppelt so hoch ist wie nach dem Shutdown. Allerdings wurden damals anteilig auch viel wenig der Unter-15-Jährigen überhaupt getestet. Das hat sich erst seit etwa Anfang Juni geändert (siehe Bericht Seite 9) – also seit Kitas und Schulen schrittweise geöffnet und parallel dazu erst Reihentestungen durchgeführt wurden.
Entwarnung ist auch schon deshalb nicht angebracht, weil der erst zwei Wochen alte Abwärtstrend bei den Coronazahlen insgesamt möglicherweise schon wieder zum Stillstand kommt. Der Sieben-Tage-Schnitt der neuen Fälle bundesweit und aller Altersgruppen liegt nur noch vier Prozent im Minus gegenüber der Vorwoche. Der Rückgang von Kalenderwoche 35 auf 36 insgesamt hatte nach den vorläufigen Zahlen noch gut 13 Prozent betragen. Die für Samstag und Sonntag gemeldeten Infektionszahlen überstiegen sogar deutlich die Werte vorhergehender Wochenenden.
Hinweis: Auf Nachfrage habe ich Formulierungen von "neuerkrankten Kindern" in "neuinfizierte Kinder" geändert, weil die zitierten RKI-Zahlen alle registrierten Infektionen beinhalten – auch jene, bei denen keine Symptome vorliegen.
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