Auch Unionsabgeordnete stimmen für den Beschluss: Ministerium soll Gesetz einhalten und bis November berichten, wie es künftige Verfahren anders gestalten will.
ES IST ein ungewöhnlicher Schritt. Der Bundestagsforschungsausschuss hat am frühen Mittwochabend dem von Anja Karliczek (CDU) geführten Bundesforschungsministerium gegenüber sein deutliches Missfallen ausgedrückt. Einstimmig. Also auch mit den Stimmen der Regierungskoalition. Mitglieder des Ausschusses sprachen von einer "Rüge" der Ministerin.
Anlass ist ein Anfang September vorgelegter Bericht des Bundesrechnungshofes, der das Handling des Standortwettbewerbs für die Forschungsfertigung Batteriezelle durch das BMBF scharf kritisiert hatte. Es sei an vielen Stellen des Verfahrens der Eindruck entstanden, berichteten die Prüfer, dass es eine Fokussierung auf den Standort in Nordrhein-Westfalen, dem Heimatbundesland der Ministerin, gegeben habe. Auch jede Menge Verfahrensmängel und eine unvollständige Aktenführung bemängelte der Bundesrechnungshof.
Besonders pikant an der heutigen Reaktion des Haushaltsausschusses: Die missbilligende Stellungnahme des Forschungausschusses kam nicht nur mit den Stimmen, sondern sogar auf Betreiben der Regierungskoalition zustande – also unter Mitwirkung auch der CDU-/CSU-Haushälter.
Wörtlich heißt es in dem Beschluss: "Der Haushaltsausschuss fordert das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf, bei seinen Vergaben die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes, insbesondere im Hinblick auf objektive, faire und transparente Verfahren, die Einhaltung von Mitwirkungsverboten, die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes, die methodisch einwandfreie Auswertung der Bewerbungen sowie den Grundsatz der Aktenmäßigkeit und seine Dokumentationspflichten strikt einzuhalten."
Mahnung ans BMBF:
Gesetz einhalten
Dass ein parlamentarisches Gremium glaubt, ein Bundesministerium an die Einhaltung der Gesetze erinnern zu müssen, ist ein bemerkenswerter Vorgang – erst recht, wenn der Beschlusstext von Parteifreunden der verantwortlichen Ministerin mitgetragen wird. Alle vom Haushaltsausschuss erwähnten Gesichtspunkte hatte der Rechnungshof in seinem Bericht als kritisch oder unbefriedigend im Batteriefabrik-Vergabeverfahren eingestuft.
Peinlich für Karliczek ist auch, dass der Ausschuss vom BMBF mit Fristsetzung 23. November 2020 verlangt, ihm "schriftlich über das künftige Vorgehen bei Vergaben und Sicherstellung der Einhaltung" der genannten Vorgaben zu berichten.
Karliczek hatte bereits in ihrer ersten Reaktion auf den Rechnungshofbericht vor zwei Wochen Besserung gelobt, gleichzeitig sah sie sich aber persönlich entlastet.
Tatsächlich hätte es noch schlimmer für sie kommen können. So wurde ausschussintern auch die Möglichkeit diskutiert, die Entscheidung rückgängig zu machen und eine Neuausschreibung des Wettbewerbs zu verlangen. Da sich die Koalitionsabgeordneten zunächst auf ein gemeinsames Vorgehen wollten, war das Thema Rechnungshofbericht vergangene Woche kurzfristig von der Tagesordnung des Haushaltsausschusses genommen worden.
Karliczeks Staatssekretäre
vor dem Ausschuss
So extrem wollten die Unionsabgeordneten ihre Ministerin dann aber wohl doch nicht bloßstellen – zumal auch die im Standortwettbewerb unterlegenen Länder anders als im vergangenen Jahr eine Wiederauflage des Wettbewerbs wohl nicht mehr begrüßt hätten. In der Zwischenzeit haben sie nämlich alle selbst Kompensationszahlungen von der Bundesregierung zugesagt bekommen – auch wenn Karliczek betont, diese seien ohnehin als Teil des Batteriekonzepts vorgesehen gewesen.
"Wir nehmen die deutliche Rüge des Rechnungshofes sehr ernst", sagte der SPD-Haushälter Swen Schulz im Anschluss an den Beschluss des Ausschusses. "Der Verdacht einer Bevorzugung wiegt schwer. Wir verpflichten das Ministerium, die Verfahren künftig ordentlich durchzuführen. Bis zu den abschließenden Haushaltsberatungen muss klar sein welche Änderungen ergriffen wurden."
Schulz' Kollegin Ekin Deligöz von der grünen Bundestagsfraktion sagte: "Mit dem Maßgabebeschluss stellt sich der Haushaltsauschuss demonstrativ hinter die Kritik des Bundesrechnungshofes und nimmt das BMBF an die kurze Leine."
Vor dem Beschluss hatten zwei BMBF-Staatssekretäre in einer ausführlichen Debatte vor dem Ausschuss Versäumnisse im Verfahren eingeräumt, zugleich aber das Ergebnis Standort-Entscheidung für Münster verteidigt. Neben dem parlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) stellte sich auch der beamtete Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas den Fragen der Abgeordneten, der vergangenes Jahr noch als Abteilungsleiter die für das Vergabeverfahren zuständige Abteilung geleitet hatte.
Kommentar schreiben
Th. Klein (Donnerstag, 17 September 2020 16:24)
"... die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes, ... strikt einzuhalten."
Politisch misslich die Rüge, aber in der Sache doch unproblematisch. Denn wenn es tatsächlich so gravierende Versäumnisse gegeben hätte, würde das Verfahren ja gekippt. Es wird ja auch immer konstatiert, dass lediglich der "Anschein" erweckt würde, NRW bzw. Münster sei bevorzugt worden. Beispiel: NRW fragt nach Spezikationen für das Grundstück und erhält eine Antwort. Versäumnis: Die Antwort wurde nicht auf eine FAQ-Liste o.ä. aufgenommen. Aber ähnliche Fragen Anderer wurde ja nicht unbeantwortet gelassen.