Die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende soll Ende September auslaufen. Ein zweistelliger Millionenbetrag ist noch übrig. Was passiert jetzt mit dem Geld?
Foto: Screenshot der Antrags-Website.
NÄCHSTEN MITTWOCH ENDET auch die Verlängerung der Corona-Überbrückungshilfe für Studierende, die das Bundesbildungsministerium aufgelegt hatte. Zunächst auf Juni bis August beschränkt, hatte das BMBF zuletzt noch den September drangehängt. 100 Millionen Euro standen für die Zuschüsse zur Verfügung, die Studierende für jeweils einen Monat, aber auch mehrmals nacheinander beantragen konnten. Wichtigste Voraussetzungen: dass sie durch die Pandemie in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind und deshalb nachweislich weniger als 500 Euro auf dem Konto haben. Dann erhielten sie nach Prüfung durch die Studierendenwerke je nach Kontostand bis zu 500 Euro, die sie nicht zurückzahlen müssen.
Das Programm war im Vorfeld von Opposition und Studierendenverbänden als zu spät, als vom Volumen zu gering und als bürokratisch zu kompliziert worden. Es lege die Hürden für eine Bewilligung zu hoch, und gleichzeitig seien die Zuschuss-Beträge viel zu niedrig. Als es losging, gab es Ärger um lange Wartezeiten nach dem Online-Antrag und Vorwürfe, die Quote der Ablehnungen liege unnachvollziehbar hoch. Den Antragsstau der ersten Wochen hatten die Studierendenwerke zuletzt abgearbeitet, was aber auch damit zusammenhing, dass sich von Monat zu Monat weniger Studierende um eine Hilfe bewarben. Weil sie abgeschreckt waren? Oder weil zu Anfang viele Studierende, die sich gar nicht in einer Corona-Notlage befanden, einfach mal einen Versuchsballon hatten starten lassen? Und weil sich später tatsächlich nur noch diejenigen bewarben, für die die Hilfe gedacht war? So sahen sie es zumindest im BMBF, weil gleichzeitig nämlich die Bewilligungsquote merklich stieg. Der parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU) sagte Ende August, die beiden Säulen der Überbrückungshilfe – Zuschuss und KfW-Kredit "wirken und erreichen diejenigen Studierenden, die Unterstützung benötigen."
Bislang haben 135.000 Studierende
einen Zuschuss erhalten
Wie sehen die aktuellen Zahlen kurz vor Ablauf der vier Monate Überbrückungshilfe aus? Insgesamt, teilte das BMBF auf Anfrage mit, haben bislang 135.376 Studierende einen Zuschuss erhalten, wobei die Kopfzahl niedriger liegt, weil viele Betroffene mehrfach Geld bewilligt bekamen. Alle zusammen bekamen 58,7 Millionen Euro zugeteilt, das macht pro Bewilligung knapp 434 Euro und liegt damit nahe am Maximalbetrag von 500 Euro.
Vergangenen Monat hatte ich geschätzt, dass nach Ablauf des Septembers noch mindestens 20 Millionen Euro im Topf liegen dürften. Stand heute sind nach Abzug der Kosten für die Antragsbearbeitung & Co (vor allem dürfen die Studierendenwerke 25 Euro netto pro Antrag, nicht pro Bewilligung abrechnen) noch über 30 Millionen übrig, allerdings sind noch nicht alle Anträge für September bearbeitet, und neue kommen noch rein.
Die Zahl der Bewilligungen sank von gut 44.000 in den Monaten Juni und Juli auf 37.000 im August, im September dürfte sie, das legen die bisherigen Zahlen nahe, erneut niedriger liegen. Bisher wurden überhaupt erst knapp 23.000 Anträge registriert. Zur Bewilligungsquote im September machte das BMBF noch keine Angaben. Im Juni lag sie bei 53 Prozent, stieg im Juli auf fast zwei Drittel und im August auf 72,5 Prozent. Insgesamt befänden sich derzeit noch rund 14.000 Anträge in der Bearbeitung, teilte das Ministerium mit, die meisten davon aus dem September.
Und wie geht es jetzt weiter? Das Bundesbildungsministerium will zeitnah Klarheit schaffen. Es gilt indes als ausgemacht, dass keine erneute Verlängerung beschlossen wird. Aber was passiert dann mit dem Geld? Bleibt es im Topf und steht zur Verfügung, wenn es im Herbst und Winter doch zu neuen ökonomischen Verwerfungen wegen der Pandemie kommen sollte?
Es sind Fragen zu beantworten. Unabhängig von der Corona-Notlage ist eine besonders wichtig. Viele Studierende waren schon vor Corona in wirtschaftlichen Schwierigkeiten – weshalb laut Definition die Nothilfe für sie nicht in Frage kam. Aber offenbar greift das bestehende Sicherungssystem mit dem Kernbestandteil BAföG in seiner momentanen Verfassung auch nicht. Ganz gleich also wie es mit der Corona-Nothilfe weitergeht: Es wird Zeit für einen großen Wurf in der Studienfinanzierung.
Nachtrag am 25. September, 12 Uhr:
BMBF setzt Überbrückungshilfe aus
Das Bundesbildungsministerium teilte am Vormittag wie erwartet mit, dass die Überbrückungshilfe nicht erneut verlängert wird. Allerdings werde sie lediglich "ausgesetzt", sagte BMBF-Staatssekretär Michael Meister. "Wir werden die Lage der Studierenden in den nächsten Monaten weiter beobachten. (...) Sollte noch einmal eine Situation für Studierende entstehen wie zu Beginn der Pandemie, so steht uns jetzt ein etabliertes Instrument zur Verfügung, um schnell reagieren zu können."
Insgesamt zog Meister eine positive Bilanz. Mit dem Zuschuss habe vielen Studierenden geholfen werden können, die durch die Pandemie ihre Studentenjobs verloren hätten oder deren Familien sie nicht mehr hätten unterstützen können. "Mittlerweile hat sich erfreulicherweise die Wirtschaftslage wieder entspannt, womit sich auch da Beschäftigungsangebot für Studierende verbessert." Meister sieht darin auch einen Grund, warum die Zahl der Anträge zurückgegangen ist. Außerdem habe die bessere Lage dazu geführt, dass die "pandemiebedingte Notlage bei Antragstellung in immer weniger Fällen nachgewiesen werden kann". Allerdings stieg die Annahmequote der eingereichten Anträge im September auf einen neuen Höchstwert von 75 Prozent.
Der Dachverband der Studierendenwerke wollte sich der positiven Darstellung des BMBF nur teilweise anschließen. Ja, es sei richtig: "Die Überbrückungshilfe kam an; sie hat funktioniert, sie hat geholfen", sagte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). "Aber leider nicht allen." Das sei die bitterste Erkenntnis.
Bei mehr als der Hälfte der abgelehnten Anträge habe die Begründung gelautet: "Ablehnung, obwohl die Studierenden in einer Notlage sind – diese aber eben nicht pandemiebedingt ist." Die Betroffenen befänden sich nicht durch den coronabedingten Verlust eines Nebenjobs oder wegbrechender Elterneinkommen in einer Ausnahmesituation, sondern "in einer dauerhaft prekären Notlage." Es gebe eine strukturelle Armut unter den Studierenden, die schon vor der Pandemie virulent gewesen sei. "An ihnen musste die Überbrückungshilfe notwendigerweise vorbeigehen; diesen Studierenden konnten wir nicht helfen." Als Konsequenz forderte Meyer auf der Heyde "dringend eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung" insgesamt.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg, Sprecher seiner Fraktion für Hochschulpolitik, bezeichnete das Auslaufen der Überbrückungshilfe als "das leise Ende eines katastrophalen Krisenmanagements. Mit ihrer Salami-Taktik hat Anja Karliczek viel zu viel Zeit verloren." Die Corona-Krise habe unübersehbar werden lassen, dass das BAföG eine grundlegende Strukturreform zu einer elternunabhängigen Förderung brauche. "Viele Bedürftige fallen beim Bafög durchs Raster. Die größten Finanzierungsprobleme haben die, deren Eltern für den BAföG-Höchstsatz zu viel und für die volle Studienfinanzierung zu wenig verdienen."
Oliver Kaczmarek, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von zwei wichtigen Erkenntnissen aus der bisherigen Bilanz der Corona-Nothilfen. Erstens: Gerade weil die Nothilfen notwendig gewesen seien und 135.000 Mal geholfen hätten, verwundere Ministerin Karliczeks Entscheidung zu deren Einstellung "in Zeiten steigender Infektionszahlen und allgemeiner Warnungen vor einer zweiten Infektionswelle". Sie sende damit "ein bedenkliches Signal". Zweitens: Es gebe eine relevante Gruppe von mehr als 40.000 Studierenden, die sich in einer Notlage befänden, die aber nicht pandemiebedingt sei. "Die SPD will erreichen, dass diese Studierenden zukünftig nicht vergessen werden. Wir brauchen wirksame Hilfen und vor allem eine Modernisierung des BAföG, damit es Studierenden in Notlagen zukünftig mit Hilfe des BAföG gelingt, ihre Ausbildung zu Ende zu führen."
Der Studierendenverband fzs twitterte, es gebe "Neuigkeiten vom BMBF": 1. Corona ist vorbei! 2. Die Ueberbrueckungshilfe hat super funktioniert und sollte immer wieder so gestaltet werden! Newsflash: Das ist beides inkorrekt!"
Der Anteil der Studierenden, die einen Antrag stellten, war laut BMBF sehr ungleich über Deutschland verteilt und variierte zwischen den 57 Studierendenwerken zwischen einem und sechs Prozent der Studierenden.
Studierende können noch bis 30. September einen Antrag auf Überbrückungshilfe für diesen Monat online stellen.
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