Die Zuschüsse für durch die Coronakrise in Not geratene Studierende sollen schon im November zurückkehren, doch noch läuft der Verhandlungspoker zwischen BMBF und Studierendenwerken. Deren interner Forderungskatalog hat es in sich.
Leere Taschen bei den Studierenden. Foto: Horst Tinnes / pixabay.
VERGANGENEN FREITAG hat das Ministerium von Anja Karliczek (CDU) angekündigt, wegen des "Wellenbrecher"-Shutdowns die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende wiederaufzunehmen. Zwischen Juni und September war sie bereits rund 150.000 mal bewilligt worden und wurde dann vom BMBF ausgesetzt. Die Gelder verteilen sollen erneut die 57 Studierendenwerke. Sie alle haben bereits ihre grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, doch wollen die Einrichtungen offenbar zugleich zusätzliche Bedingungen für ihre erneute Mitwirkung stellen.
So äußerten führende Vertreter der Studierendenwerke in einer internen Videokonferenz vor dem Wochenende massive Kritik an der bisherigen Gestaltung der Hilfe und forderten umfangreiche Änderungen.
Voraussetzung für den erneuten Einsatz der Studierendenwerke bei der Bewilligung der Zuschüsse sei, "dass das Verfahren vereinfacht und dadurch der Aufwand und auch die psychische Belastung für die Mitarbeiter/innen deutlich verringert werden", heißt es in dem Protokoll der virtuellen Sitzung, zu der die Sprecherinnen und Sprecher der Länderarbeitsgemeinschaften der Studenten- und Studierendenwerke zusammengekommen waren. Diese Forderungen würden umso mehr gelten, da jetzt Semesterstart sei und sich die Studierendenwerke gerade in "Auslastungsspitzen" in Hinblick auf ihre originären Aufgaben befänden, etwa bei der BAföG-Antragsbearbeitung, der Sozialberatung oder der Wohnheimverwaltung.
Förderkriterien vereinfachen,
Ablehnungsquote verringern
Mit einer "erheblichen Vereinfachung der Förderkriterien" wollen die Studierenden nicht nur die Prüfentscheidung erleichtern, sondern vor allem geht es ihnen darum, wie es in dem Sitzungsprotokoll heißt, "die Ablehnungsquote nachhaltig zu verringern und gegebenenfalls auch Studierende in (nicht pandemiebedinger) Notlage zu erreichen".
Zwischen Juni und September hatten die Studierendenwerke über ein Drittel (36 Prozent) der Anträge ablehnen müssen – vor allem, wie der Generalsekretär des Studierendenwerke-Dachverbands Deutsches Studentenwerk (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, bei der Einstellung der Überbrückungshilfe Ende September sagte, weil sich viele der betroffenen Antragsteller nicht durch den coronabedingten Verlust eines Nebenjobs oder wegbrechender Elterneinkommen in einer Ausnahmesituation befänden, sondern "in einer dauerhaft prekären Notlage." Es gebe eine strukturelle Armut unter den Studierenden, die schon vor der Pandemie virulent gewesen sei. "An ihnen musste die Überbrückungshilfe notwendigerweise vorbeigehen; diesen Studierenden konnten wir nicht helfen." Die "dringende" Konsequenz, wie Meyer auf der Heyde damals sagte: "Eine strukturelle Reform der Studienfinanzierung" insgesamt.
Diese verlangt die Bundestagsopposition ebenfalls: Grüne und FDP hatten in der vergangenen Woche eine grundsätzliche Neuaufstellung der Studierendenhilfe gefordert.
Als ersten, in der Krise aber zentralen, Schritt schlagen die Studierendenwerke einen Notfallmechanismus vor. Wortwörtlich heißt es in ihrem Papier: "Da die Pandemie anhalten dürfte, ist grundsätzlich ein Notfallmechanismus im BAföG zu implementieren, um ein Hangeln von Überbrückungshilfe zu Überbrückungshilfe zu vermeiden."
Ein Notfallmechanismus
fürs BAföG?
Auch die SPD-Bundestagsfraktion will einen solchen Notfallmechanismus im BAföG. "Wir müssen jetzt handeln, damit Studierende ihre Ausbildung erfolgreich zu Ende führen können. Bundesministerin Karliczek ist aufgefordert, die Studierenden diesmal nicht Monate zu spät mit einem schlechten Kredit zu unterstützen, sondern schnell eine geeignete Vorsorge zu treffen", sagt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek.
Das BMBF hatte die Zuschüsse Ende September mit dem Hinweis auf eine Normalisierung der Lage eingestellt – wenige Wochen später kündigten Bund und Länder erneut einschneidende Beschränkungen des öffentlichen Lebens an.
Um die Überbrückungshilfe jedoch jetzt erstmal schnell wieder an den Start und an die notleidenden Studierenden zu bringen, schlagen die Studierendenwerke eine Verringerung der Antragskriterien vor. Diese sollten mit wenigen Bescheinigungen zu belegen sein, "um den überproportionalen und aufwändigen Anteil von Nachfragen bei Studierenden weitmöglich reduzieren zu können". So sollten künftig neben dem Identitätsnachweis maximal eine Immatrikulationsbescheinigung fürs Wintersemester, der Beleg des Kontostands zum Stichtag ODER aber der Nachweis des Jobverlusts oder abgelehnter Bewerbungen oder der Wegfall der elterlichen Unterstützung ausreichen.
Außerdem solle grundsätzlich ein Pauschalbetrag von 500 Euro gewährt werden, anstatt abhängig vom Kontostand den Zuschuss in Hunderterschritten zu staffeln.
Besonders wichtig: Die Studierendenwerke fordern von Anfang an eine Wiederaufnahme der Überbrückungshilfe für drei Monate, also bis Ende Januar, auch weil sie Planungssicherheit etwa beim Personaleinsatz bräuchten. Entsprechend müsse dann, wenn die Nachfrage da sei, auch der Topf aufgefüllt werden. In der Tat wichtig: 67 Millionen Euro an Überbrückungshilfe wurden bislang ausgezahlt. Von den einst 100 Millionen Euro dürften jedoch (deutlich) weniger als 27 Millionen übrig sein, weil das BMBF den Studierendenwerken für jeden Antrag (nicht Bewilligung!) eine Bearbeitungspauschale von 25 Euro netto gezahlt hat. Auch das digitale Antragstool und weitere antragsabhängigen Kosten wurden mit dem Geld finanziert.
Ein Drahtseilakt für
die Studierendenwerke
DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde wollte sich zu den Details der Forderungen der Studierendenwerke an die Politik nicht äußern. Diese seien intern. Der Forderungskatalog sei allerdings nicht als Auflistung von Alles-oder-nichts-Bedingungen zu verstehen. Man befinde sich mit dem BMBF in Gesprächen.
Aus Karliczeks Ministerium kam die fast wortgleiche Rückmeldung: "Das BMBF und das DSW befinden sich in laufenden, konstruktiven Gesprächen."
Für die Studierendenwerke ist es Drahtseilakt: Auf der einen Seite befinden sie sich gegenüber dem Bildungsministerium jetzt in einer starken Position, um Veränderungen zu verlangen – weil das BMBF ihre Mitwirkung braucht.
Auf der anderen Seite erwarten die betroffenen Studierenden und die Öffentlichkeit schnell Klarheit, ab wann wieder Anträge gestellt werden können. Gestern erst hatte die Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, die schnelle Rückkehr der Überbrückungshilfe gefordert, diese müsse "unkompliziert und ohne große Hürden" kommen. Es seien schnelle Entscheidungen gefragt und keine aufwändigen Verfahrensklärungen, betonte Kunst. "Zudem sollte die Unterstützung über das gesamte Wintersemester laufen, idealerweise über das akademische Jahr 2020/21." Viele Studierende hätten ihre Nebenjobs verloren, die nicht von heute auf morgen wieder zur Verfügung stehen würden. Sie dürften nicht in Existenznot geraten, wenn sie den finanziellen Background aus dem Elternhaus nicht im ausreichenden Maße hätten.
Angesichts der öffentlichen Erwartungen an die Studierendenwerke umso pikanter war eine andere Nachricht der vergangenen Tage: Der staatliche Finanzierungsanteil der 16 Bundesländer für ihre Studenten- und Studierendenwerke liege nur noch bei 8,7 Prozent ihrer Einnahmen – und damit auf einem ähnlichen tiefen Niveau wie in den Vorjahren. Anfang der 1990er Jahren seien es noch rund 24 Prozent gewesen. Der Bund beteiligt sich bislang mit keinem einzigen Euro an ihrer Grundfinanzierung.
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Kristina Mihaylova (Dienstag, 17 November 2020 15:08)
Liebe Damen und Herren,
Ich will fragen, wo ich meine Dokumente abgeben kann und muss Ich mich irgendwo registrieren
Danke Im Voraus !