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Wo ist der Plan?

Die Kultusminister sollten heute konkrete Vorschläge zu den drohenden Schulschließungen vorlegen. Nicht, weil sie sie befürworten, sondern weil sie nur so im politischen Spiel bleiben.

Foto:  Peggy Choucair / Pixabay. 

HEUTE VORMITTAG lädt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) zu ihrer Abschlusspressekonferenz als KMK-Präsidentin, und Erinnerungen ans Frühjahr werden wach. Mitte März tagten die Kultusminister parallel zu den Regierungschefs von Bund und Ländern und stemmten sich gegen die drohenden Schulschließungen. Und zwar komplett. Um nur einen Tag später von den Entscheidungen ihrer Chefs überrollt zu werden, die einer nach der anderen die Schulen zusperrten. 

 

Die Kultusminister hatten sich verkalkuliert. Anstatt die Lage realpolitisch einzuschätzen und den Handlungsdrang ihrer Chefs durch geeignete Vorschläge zu kanalisieren, ließen die Bildungspolitiker sich das Heft aus der Hand nehmen – und wirkten zögerlich und unkoordiniert. 

 

Wiederholt sich die Geschichte des Frühjahrs heute? Sagen die Kultusminister erneut kategorisch "Nein", und ihre Chefs sagen zwei Tage später, wenn sie sich am Sonntag virtuell treffen: "Das interessiert uns nicht"?

 

Der Druck auf die Kultusminister ist jedenfalls gewaltig. Fast 30.000 Corona-Neuinfektionen registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) allein heute Morgen, die Wirkung des Teil-Shutdowns scheint verpufft zu sein. Das Ende Oktober von den Regierungschefs beschlossene Maßnahmenpaket unterschied sich in fast allem von dem Shutdown des Frühjahrs. Doch die öffentliche Debatte fokussiert sich spätestens seit den Leopoldina-Empfehlungen von Anfang der Woche zu einem großen Teil auf die offengehaltenen Schulen. 

 

Das kann man einseitig finden. Man kann auch zu Recht auf andere europäische Länder wie Irland oder Frankreich verweisen, denen es gelungen ist, mit ganz oder teilweise offenen Schulen einen "harten Lockdown" hinzubekommen. Doch die Kultusminister befinden sich argumentativ auf ziemlich verlorenem Posten. Habt euch nicht so, schallt ihnen entgegen. Sperrt sofort die Schulen zu, es geht doch nur um wenige Tage vor und ein paar Tage nach Weihnachten. "Was wird man im Rückblick auf ein Jahrhundertereignis mal sagen, wenn wir nicht in der Lage waren, für diese drei Tage noch irgendeine Lösung zu finden?", fragte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag. 

 

Dass es eben nicht um ein paar Tage geht, dass im Frühjahr Ähnliches versprochen wurde und dann die Schulen nach OECD-Rechnung insgesamt 17 Wochen ganz oder teilweise geschlossen waren, das macht den Kern des Widerstands der Kultusminister aus. Nur will genau das im Augenblick keiner wirklich hören.

 

Jetzt könnte die KMK noch Weichen stellen

 

Die Frage ist allerdings auch, ob die Kultusminister diesmal den Schuss gehört haben. Wenn ja, dann würden sie heute anders als im Frühjahr einen konkreten Maßnahmenplan vorlegen, wie sie die Schließungen umsetzen wollen. Nicht, weil sie sie befürworten, sondern weil sie nur so im Spiel bleiben würden. Weil sie nur so in der Lage wären, überhaupt noch ein Stückweit zu beeinflussen, was und wie ihre Regierungschefs so oder so am Sonntag beschließen werden.

 

Ein solcher Plan der Kultusminister könnte nicht mit allen Ministerpräsidenten abgestimmt sein, und das müsste er auch gar nicht. Er würde aber ein Signal setzen. Zum Beispiel dieses: dass die Kitas garantiert von den Schließungen ausgenommen bleiben müssen. Und dass Grundschüler anders behandelt werden sollten als die Schüler weiterführender Schulen. So könnten die Bildungsminister vorschlagen, dass die weiterführenden Schulen schon am Mittwoch schließen, die Grundschulen aber erst am Freitag.

 

Wichtig wäre auch, schon jetzt konkrete Vorschläge für Januar vorzulegen. Wenn doch schon absehbar ist, dass der Lockdown nicht am 10. Januar enden wird, dann sollten die Kultusminister dafür plädieren, ab 10. Januar zumindest die Grundschüler wieder in den Wechselunterricht zu lassen. Sie sollten zudem klare Kriterien vorschlagen, ab denen auch die älteren Jugendlichen im Januar wieder tageweise zur Schule gehen könnten. Und sie sollten eines ganz klar und ultimativ fordern: Wenn die Geschäfte wieder geöffnet werden, dann müssen auch die Schulen wieder aufgehen. 

 

Warum? Weil die Politik ihrem im Sommer abgegebenen Versprechen, die Schulen als letztes zuzusperren und als erstes wieder zu öffnen, dann wenigstens zum großen Teil gerecht werden würde. 

 

Es ist nicht gesagt, dass die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin am Sonntag solchen oder ähnlichen Vorschlägen der Kultusminister folgen würden. Vielleicht ist ihr Blick auch schon zu eng geworden, vielleicht sind sie gedanklich schon zu eingeschlossen, um im unvermeidbar notwendigen Lockdown noch differenzieren zu können. 

 

Aber die Kultusminister hätten ihren Fehler aus dem Frühjahr nicht wiederholt. Man könnte es auch härter formulieren: Sie würden sich anders als im März nicht erneut selbst überflüssig machen. 

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