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Überbrückungshilfe: Droht die nächste Hängepartie?

Ende März läuft der Not-Zuschuss für Studierende mal wieder aus. Und mal wieder hält Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sich bedeckt, wie es danach weitergeht.

Foto: Avatarnavi / Pixabay.

ALS ANJA KARLICZEK Ende Oktober die Rückkehr der Corona-Überbrückungshilfe  ankündigte, war sie spät dran. Mal wieder. Schon im Frühjahr hatte die Ministerin sechs Wochen gebraucht, um nach Lockdown-Beginn endlich Notmaßnahmen für von der Krise besonders hart getroffene Studierende zu verkünden. Und dann vergingen weitere zwölf Wochen, bis die ersten die dringend benötigte Finanzhilfe endlich auf dem Konto hatten.

 

Dafür wurde die Überbrückungshilfe Ende September umso übereilter ausgesetzt mit der Begründung, die Lage habe sich gebessert. Um sie dann, als der November-Lockdown nahte, schleunigst zu reaktivieren. Wobei es, weil wenig vorbereitet war für die Verlängerung, dann nochmal drei Wochen dauerte, bis endlich feststand: Die Hilfen gehen bis Ende März weiter. Endlich ein bisschen Atempause für die Studierenden – und für Anja Karliczek.

 

Doch die ist jetzt vorbei. Der März rückt näher, die Corona-Krise dauert an, und wieder stellt sich die mittlerweile bekannte Frage: Wie geht es danach weiter? Und eine neue kommt dazu: Schafft es die Ministerin zum ersten Mal, in Sachen Überbrückungshilfe proaktiv zu agieren? Noch hätte sie dazu Zeit genug.

 

Bis zu 500 Euro pro Monat,
jeden Monat neu zu beantragen

 

Kurz zur Erinnerung: Die am stärksten von der Krise getroffenen Studierenden, die keine andere Abhilfe haben, können jeden Monat neu einen Antrag auf staatlichen Zuschuss stellen. Je nach Kontostand, der über die Auszüge des Vormonats belegt werden muss, gibt es dann zwischen 100 und 500 Euro. Wer bei Antragstellung über 500 Euro auf dem Konto hat, geht leer aus. Als Bestätigung einer "pandemiebedingten Notlage" können Kündigungsschreiben eingereicht werden oder der Nachweis erfolgloser Job-Bewerbungen. 

 

Parallel zu dem rückzahlungsfreien Zuschuss für die Bedürftigsten stellte die Bundesregierung vergangenes Frühjahr den KfW-Studienkredit bis Ende März 2021 zinsfrei und öffnete ihn, ebenfalls bis Ende März 2021, für internationale (Nicht-EU)-Studierende. Ende Oktober 2020 verkündete Karliczek dann, dass die Zinsfreiheit bis Ende 2021 verlängert werde. Der Beantragungszeitraum für internationale Studierende wurde dagegen nicht ausgedehnt.



Der Überbrückungshilfe-Zuschuss wiederum sollte ursprünglich nur für die Monate Juni bis August gezahlt werden, dann wurde der September drangehängt. Im Oktober gab es, siehe oben, kein Geld, dann kam die Verlängerung (samt leichten Veränderungen der Modalitäten) bis Ende März. Und danach?

 

Den letzten Koalitionsgipfel
verpennt?

 

"Dass sich Ministerin Anja Karliczek darüber ausschweigt, wie es im Sommersemester weitergehen soll, ist pure Kurzsichtigkeit", kritisierte die linke Hochschulpolitikerin Nicole Gohlke bereits im Januar. Der World University Service bemängelte, dass beim jüngsten Corona-Koalitionsgipfel Milliardenhilfen für Familien, Geringverdiener, Unternehmen und Kulturschaffende beschlossen worden seien, es aber "dank der Untätigkeit von Ministerin Karliczek keinerlei Vorsorge" gegeben habe, was nach Ende März mit der Überbrückungshilfe werde. 

 

Ganz so stimmt das freilich nicht, denn schon Ende November hat der Haushaltsausschuss des Bundestages weitere 200 Millionen Euro für die Unterstützungsprogramme freigegeben – zusätzlich zu den bis dahin bewilligten 150 Millionen. Bislang sind nach Angaben des Deutschen Studentenwerks (DSW) rund 107 Millionen Euro als Zuschuss bewilligt worden. Auch wenn ein weiterer Teil der insgesamt 350 Millionen in die Zinsbefreiung der KfW-Kredite fließt und dazu ein Betrag in die Antragsverwaltung: Der Topf ist noch gut gefüllt.

 

Bislang allerdings drückt sich Anja Karliczek vor einer klaren Ansage. "Wir werden die Situation weiter sorgfältig beobachten", sagt sie auf Anfrage. Und ihr Ministerium teilt mit: Konkrete Entscheidungen, wie es weitergeht, würden "zu gegebener Zeit auf Basis der Analyse der dann vorliegenden Zahlen sowie der Rückmeldungen der vor Ort zuständigen 57 Studierenden- und Studentenwerke getroffen". Deutet sich also doch wieder eine Entscheidung auf den letzten Drücker an?

 

Dabei liegen die Statistiken längst auf dem Tisch: Seit Beginn der Überbrückungshilfe wurden 244.000 Anträge auf Zuschuss angenommen, 123.000 wurden abgelehnt. Knapp 60 Prozent aller gestellten Anträge waren Folgeanträge, also von Studierenden, die schon mindestens einmal zuvor um Geld ersucht hatten. Was auf eine große Anzahl von Studierenden hindeutet, die sich längerfristig in einer Notlage finden. 

 

Klar ist nur: Für internationale Studierende ist 

beim KfW-Kredit endgültig Antragschluss

 

Gleichzeitig schien die Situation vieler Studierender im zweiten Lockdown ab November zunächst etwas entspannter zu sein: So finden sich auf den Seiten verschiedener Studentenwerke auch gegenwärtig einige Jobangebote. Entsprechend lag die Zahl der Anträge im November mit 38.000 zunächst deutlich niedriger als die teilweise über 80.000 im Sommer. Bis Januar stieg die Zahl der Anträge allerdings wieder auf 48.000, und die Bewilligungsquote kletterte von 65 auf zuletzt fast 80 Prozent. 

 

Die Opposition im Bundestag, viele Landesregierungen, der Studierendenwerke-Dachverband DSW und selbst der SPD-Koalitionspartner fordern derweil schon seit vielen Monaten, anstelle der befristeten und eng ausgelegten Überbrückungshilfe einen dauerhaften Unterstützungsmechanismus für in Not geratene Studierende zu schaffen – etwa durch eine Öffnung des BAföG. So betont DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde unablässig: "Wir können uns nicht von Überbrückungshilfe zu Überbrückungshilfe hangeln."

 

Karliczek bekräftigt indes, der Anspruch sei und bleibe, "dass wir denen, die pandemiebedingt in eine Notlage geraten sind, im Rahmen des Möglichen und Sinnvollen Unterstützung gewähren, damit sie ihr Studium fortsetzen können." Mit dem Studienkredit habe das Ministerium schon im zurückliegenden Jahr ein längerfristiges Förderangebot auf den Weg gebracht. "Die Zinsbefreiung während der Kreditauszahlungsphase gilt für alle betroffenen Kreditnehmenden noch bis Ende dieses Jahres weiter."

 

Nebenbei nutzt die Ministerin ihr Statement, um das endgültige Ende der begrenzten Unterstützung internationaler Studierender durch das KfW-Darlehen zu bekräftigen. Die vorübergehende Ausdehnung, die eine Kreditdauer für das gesamte Studium ermögliche, sei für alle bis spätestens 15. Februar 2021 neu beantragten Kredite mit Finanzierungsbeginn zum März gültig."

 

Mit anderen Worten: Das war's dann. Was man von der Corona-Krise derzeit leider nicht sagen kann.


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Kommentare: 2
  • #1

    Rebecca Hahn (Montag, 08 Februar 2021 16:29)

    Das ist wirklich ein Trauerspiel. In einem früheren Kommentar wurde hier schon mal diese entsetzliche
    "Behäbigkeit" und Unangagiertheit deutscher Behörden thematisiert. Man kann nur hoffen, daß dieses Ministerium ab Herbst neu besetzt wird.

  • #2

    Steffen Prowe (Dienstag, 09 Februar 2021 12:03)

    Sehr schade. Schade, weil Frau Karliczek offenbar null Einblick in studentische Realitäten hat. An den Hochschule erleben wir viele sehr divers konstruierte Einzelfälle, die über eine solche zurückhaltende und pauschale "Förderung" oft garnicht erreicht werden.
    Eigene Initiativen haben zB bei uns dazu geführt, dass nach einem individuellen Einsatz eines Kollegen >20.000 e zusammen kamen, es mussten daraus dann "Berechtigte" ausgewählt werden. Die Anträge waren zT wirklich Augen öffnend, welche Problemkonstellationen dahinter liegen können. So leid es mir tut, aber wer plakativ 9 Mrd für eine nicht fliegendes Luftfahrtunternehmen u.a. Ausgaben ankündigt, dürfte bei Bildung genauso wenig zögerlich sein. So steht stets der Verdacht im Raum, dass "die Studierenden" sich €€ "erschummeln" könnten (Hinweis "Prüfungskultur" https://www.jmwiarda.de/2021/02/08/die-corona-krise-als-chance-für-eine-neue-prüfungskultur/). Statt die paar 100€ zu gönnen, damit der Bildungsnachwuchs danach mit guten Ideen hilft, aus der Misere wieder heraus zu kommen. Macht mich schon mehr als "betroffen" derlei Wichtung in der Politik. Dank an der Stelle der Kanzlerin, die Studierenden zugehört hat. Warum nicht Frau Karliczek (auch)?