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Was die Eltern denken

Die Sorgen um die Bildung ihrer Kinder ist größer als die Angst vor den gesundheitlichen Risiken, zeigt eine aktuelle DIW-Auswertung. Entsprechend wächst die Mehrheit für offene Schulen – trotz der aktuellen Corona-Lage.

ÜBER DIE ROLLE von Kitas und Schulen in der Corona-Pandemie wird gerade wieder einmal heftig diskutiert. Die Zahlen der gemeldeten Neuinfektionen steigen besonders bei den Unter-15-Jährigen stark an, parallel hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst, das Ziel formuliert, dass möglichst noch im März alle Kinder und Jugendlichen wieder zumindest teilweise Präsenzunterricht haben sollen – wenn sich die Pandemielage nicht wesentlich verschlechtert. 

 

Was denken eigentlich die Eltern der Schüler in dieser schwer durchschaubaren Situation? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin hat im Rahmen seines "FamilienMonitor_Corona" teilweise überraschende Ergebnisse präsentiert. Sie beruhen auf täglichen Online-Befragungen von infratest dimap, die den Forschern zufolge den Anspruch erheben, repräsentativ für die Gesamtbevölkerung mit Online-Zugang zu sein.

 

Das DIW berichtet, die Sorge der befragten Eltern um die Gesundheit der eigenen Kinder sei im Vergleich zum Februar etwas geringer geworden. 32 Prozent der Eltern und damit zwei Prozentpunkte weniger geben an, sie machten sich "große Sorgen um die Gesundheit meines Kindes". Und das, obwohl inzwischen wieder deutlich mehr Neuinfektionen unter den Jüngsten gemeldet werden.

 

Deutlich häufiger große Sorgen machen sich die Eltern dagegen um die wirtschaftliche Zukunft ihrer Kinder (+5 Prozentpunkte auf 54 Prozent), auch Sorgen um die Bildung ihrer Kinder treibt mehr Familien um (2 Prozentpunkte auf 53 Prozent). 

 

Im Januar waren immerhin noch die
Hälfte der Eltern für die Schließungen

 

Entsprechend schwindet die Unterstützung für die Schulschließungen. Nur noch 40 Prozent (-2 Prozentpunkte) der Eltern befürworten sie, 57 Prozent lehnen sie ab. In der ersten Januarhälfte war die entsprechende Frage noch genau 50 zu 50 beantwortet worden. Damals sagten auch noch 39 Prozent der Eltern, sie sorgten sich um die Gesundheit ihres Kindes. 

 

Die aktuellen Zahlen bedeuten aber eben auch: Selbst drei Monate nach Beginn der Schulschließungen sprechen sich immer noch zwei von fünf befragten Eltern für fortgesetzte Schließungen aus.

 

Umgekehrt sorgten sich sogar im Januar, kurz nach dem Höhepunkt der ersten Welle mit bundesweiten Inzidenzen über 150, stets deutlich mehr Eltern um die Bildung (55 Prozent) und die Zukunft (50 Prozent) ihrer Kinder als um ihre Gesundheit.

 

Aktuell machen sich den DIW-Forschern zufolge vor allem die Eltern mit älteren Kindern mehr Gedanken um die Bildung und die Zukunft, da sich diese deutlich häufiger noch komplett im Distanzunterricht zu Hause befinden. Besonders Eltern ohne einen Abiturabschluss sorgen sich: Hier liegt die Quote bei 60 Prozent, unter Eltern mit Abitur bei 45 Prozent. "Diese großen Unterschiede in den Sorgen um die Bildung und Zukunft der Kinder nach Bildungshintergrund der Eltern unterstützen auch die Hypothese vieler BildungswissenschaftlerInnen, wonach die Corona-Krise bereits existierende Bildungsungleichheiten wohl verstärkt", schreibt das DIW.

 

Positiv: "Mit den zunehmenden Kita- und Schulöffnungen erholt sich die Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung", sagt Mathias Huebener, Bildungs- und Familienökonom am DIW. Bei den Eltern mit Kitakindern nimmt auch die Zufriedenheit in Bezug auf das Familienleben und das Leben allgemein wieder zu und erreicht die Vor-Lockdown-Werte aus dem November. Bei den Eltern von Schülern gab es dagegen laut DIW bislang kaum Veränderungen bei den Zufriedenheitswerten. "Es bedarf endlich ernsthafter Bemühungen aus den Kultusministerien, auch mit höheren Infektionszahlen gute Bildung für Kinder jenseits des Homeschooling zu sichern", schließt Huebener aus den Umfragewerten.

 

Der "FamilienMonitor_Corona" basiert auf der "CoronaCOMPASS-Erhebung", in der infratest dimap täglich 250 bis 350 in Deutschland wahlberechtigte Personen online befragt. Sie werden unter den Mitgliedern von "Payback" ausgewählt. An dem Konsumenten-Bonusprogramm nimmt etwa jeder zweite Haushalt teil. "Die Ergebnisse der COMPASS-Befragung erheben den Anspruch, nach Gewichtung für die in Deutschland Wahlberechtigten mit Online-Zugang repräsentativ zu sein", schreiben die DIW-Forscher. Im Fokus der Analysen für den FamilienMonitor_Corona stehen Mütter und Väter mit im Haushalt lebenden Kindern unter 16 Jahren. In dieser Altersgruppe nutzten laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2019 nahezu alle Personen das Internet mindestens einmal pro Woche. 

 

"Damit gelingt es uns nahezu in Echtzeit, die Sorgen und das Wohlbefinden von Familien im Lockdown zu erfassen", sagt DIW-Forscher Huebener. Das sei wichtig. "Denn die Infektionszahlen sind nur eine Seite des Pandemiegeschehens."


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