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Schutzschirm mit eingeschränkter Wirkung

Wie die außeruniversitären Forschungsorganisationen 200 Millionen Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket nicht verbrauchen konnten und trotzdem kein Euro davon für die Hochschulen abfiel.

EIN GESCHENK FÜR FRAUNHOFER? So sahen das zumindest an den technischen Universitäten und Fachhochschulen viele, als im 130-Milliarden-Konjunkturprogramm vergangenen Juni plötzlich eine Milliarde Euro für die anwendungsorientierte Forschung reserviert war – aber nur für die an außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

 

Die Logik hinter dem Hilfsprogramm war dabei durchaus stimmig: Wenn Unternehmen wegen der Coronakrise in Not geraten, werden sie vermutlich ihre Forschungsausgaben reduzieren, und das betrifft dann auch die Drittmittel-Forschungsaufträge für die Wissenschaft. Also beschloss die Große Koalition: Es solle eine staatliche Ersatzfinanzierung geben für "erfolgversprechende" Forschungsprojekte, denen sonst wegen Zahlungsschwierigkeiten auf Unternehmensseite der Abbruch drohe.

 

Aber eben nur für Auftragsforschungsprojekte, die von den ohnehin schon vermeintlich besser finanzierten "Außeruniversitären" Helmholtz, Max Planck, Leibniz und eben Fraunhofer durchgeführt werden. Jede Organisation sollte dafür jeweils einen eigenen Fonds bekommen. Für die anwendungsorientierte Drittmittelforschung an Universitäten und Fachhochschulen war nichts dergleichen vorgesehen. "Wer hier das Ergebnis ausgezeichneter Lobbyarbeit vor allem der Fraunhofer-Gesellschaft vermutet, dürfte richtig liegen", schrieb ich dazu im Juni. Die Fonds wurden mit dem zweiten Nachtragshaushalt beschlossen: jeweils 400 Millionen für 2020 und 2021.

 

Fast alles Geld ging
an Fraunhofer

 

Mit dem Abschluss des Bundeshaushalts 2020 liegen nun Zahlen vor, und die sind eindeutig: Im vergangenen Jahr gingen von dem Geld 740.000 Euro an Institute der Leibniz-Gemeinschaft, 44.000 Euro an ein Zentrum der Helmholtz-Gemeinschaft – und rund 195 Millionen Euro an Fraunhofer. So teilte es Bundesforschungsministerium auf meine Anfrage hin mit. Was zeigt, dass der Schutzschirm zumindest für Fraunhofer gepasst hat. Eindeutig sind die Zahlen allerdings auch insofern, dass demzufolge etwa die Hälfte der Mittel für 2020 gar nicht abgerufen wurde.

 

Doch obwohl so viel Geld übrigblieb, gingen die Universitäten und Fachhochschulen weiter leer aus, denn wie das BMBF betont: Eine nachträgliche Öffnung des Haushaltstitel sei "aufgrund der Zweckbestimmung des Titels nicht möglich" gewesen. Was man natürlich als Große Koalition in Absprache mit dem Bundestag hätte ändern können, als das Geld absehbar nicht wegging. Aber man versuchte es offenbar gar nicht. Die Grundfinanzierung der Hochschulen sei, so das Bundesforschungsministerium, schließlich "Aufgabe der Länder".

 

Bei der Fraunhofer-Gesellschaft konstatiert das BMBF dagegen für das vergangene Jahr einen "substantiellen Bedarf", die Organisation sei als Einrichtung der angewandten Forschung im Betrieb auf die Einnahmen aus Unternehmensaufträgen angewiesen".

 

Dass die ursprünglich vorgesehene Milliarde indes überdimensioniert sein könnte, war schon früh absehbar gewesen. Weshalb sie schon vor der Umsetzung des Konjunkturpakets im zweiten Nachtragshaushalt auf zweimal 400 Millionen zusammengedampft wurde. Gleichzeitig erweiterte die GroKo die im Konjunkturpaket-Text sehr knapp formulierte Zweckbestimmung der Kompensation ausgefallener Unternehmensfinanzierungsanteile" auf die zusätzliche "Förderung von Projekten in Zukunftsfelder der anwendungsorientierten Forschung". Also unabhängig vom Nachweis konkreter Mindereinnahmen. Was noch stärker ein einseitiges Geschenk gewesen wäre für die Außeruniversitären – und die vollständige Verausgabung der Millionen wahrscheinlicher gemacht hätte. 

 

Der Rechnungshof warnte vor einer
"teilweise unnötigen" Zusatzförderung

 

Das sah allerdings auch der Bundesrechnungshof (BRH) so und meldete an den Haushaltsausschuss des Bundestages, dass die Bundesregierung den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Pandemie "teilweise unnötig zusätzliche Mittel" gewähren wolle. Fraunhofer etwa habe noch zu Beginn des Jahres 2020 über Rücklagen in Höhe von 415 Millionen Euro verfügt. Dass das BMBF den Außeruniversitären über die "Zukunftsfelder" zudem Mittel "auch ohne Bezug zur Pandemie – allgemein für die Förderung anwendungsorientierter Forschung" in Aussicht gestellt habe, kritisierten die Prüfer besonders deutlich und forderten, das Ministerium solle "den tatsächlichen pandemiebedingten Förderbedarf erheben, bevor es zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt". 

 

Der Haushaltsausschuss reagierte – und strich die "Zukunftsfelder" in seiner jährlichen Bereinigungssitzung Ende November aus dem Haushaltstitel heraus. 

 

Doch nun wird es pikant. Denn bereits Ende August 2020 hatte Karliczeks Ministerium über seine Förderbekanntmachung die Forschungsorganisationen um die Einreichung von Projektvorschlägen gebeten. Als dann der Haushaltsausschuss die "Zukunftsfelder" entfernte, hätten sich bereits "Anträge aller vier AUF bereits im Bewilligungsprozess" befunden, bestätigt ein Ministeriumssprecher. Der dann holterdipolter gestoppt werden musste.

 

Dabei hatte der Bundesrechnungshof seine Kritik dem BMBF sogar schon vor Veröffentlichung der Förderrichtlinie mitgeteilt. Wollte das Ministerium hier, wissend von der Kritik des Bundesrechnungshofs, Tatsachen schaffen?  

 

Das BMBF widerspricht zwar: Der Entwurf des BRH-Berichts sei erst knapp einen Monat nach der Bekanntmachung der Förderrichtlinie beim Ministerium eingegangen. Tatsache ist aber auch, dass der Bundesrechnungshof schon vor Erstellung der Förderrichtlinie "entsprechend der Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung" angehört worden sei, wie der Sprecher aus Karliczeks Ministeriums sagt. Doch habe der BRH zu diesem Zeitpunkt lediglich "Zweifel an der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Förderung von Zukunftsprojekten der anwendungsorientierten Forschung" geäußert. "Diese Notwendigkeit sah das BMBF aber durch die klare und eindeutige Willensäußerung des Haushaltsgesetzgebers im 2. Nachtragshaushalt 2020 als begründet gegeben."

 

Auffälliges Tempo bei
der Antragstellung

 

So bleibt das Tempo auffällig, mit der die Forschungsorganisationen nach internen Berichten sogar angehalten wurden, möglichst schnell Anträge einzureichen.  Sowohl beim BMBF als auch bei den Forschungsorganisationen seien zu dem Zeitpunkt der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im November dann "im Rahmen der Antragserstellung und Antragsprüfung bereits Arbeitsaufwände entstanden, die sich nicht genau beziffern lassen", heißt es aus dem Ministerium.

 

 

Entsprechend groß war der Frust in den Chefetagen von Fraunhofer & Co. So groß, dass es offenbar Beschwerdebriefe hagelte. In der BMBF-Darstellung klingt das so: "Einzelne Vertreter" der Forschungsorganisationen hätten dem Ministerium "schriftlich ihr Unverständnis über die Entscheidung des Haushaltausschusses... mitgeteilt." Das BMBF habe dann "gegenüber diesen Vertretern daran erinnert, dass es dem Haushaltsgesetzgeber unbenommen ist, Prioritäten anhand veränderter Rahmenbedingungen neu zu gewichten." Womit das Ministerium dem Haushaltsausschuss den Schwarzen Peter zuschob – obwohl es selbst sogar noch in Kenntnis des BRH-Berichtsentwurfs schnell noch die Antragsbewilligung durchziehen wollte. 

 

So scheiterte der Versuch, mehr von dem Geld, das ganz offenbar für den ursprünglichen Zweck nicht gebraucht wurde, anderweitig für die außeruniversitären Forschungsorganisationen auszugeben. Weshalb am Ende nur die Hälfte der 400 Millionen floss.

 

Öffentliche Proteste von deren Präsidenten sind übrigens nicht überliefert. Man wolle jetzt auch lieber nach vorn schauen, da liege die Zukunft,  sagt einer im Hintergrund. 

 

Warum auch nicht. Im Jahr 2021 winken weitere 400 Millionen aus dem Hilfsprogramm für anwendungsorientierte Forschung. Und für die technischen Universitäten und Fachhochschulen erneut: null. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Th. Klein (Mittwoch, 24 März 2021 10:27)

    Dass Vergabeprozesse schon anlaufen, während die Gelder noch gar nicht genehmigt sind, finde ich nicht ungewöhnlich. In Bayern wurde den Hochschulen auch die Ressourcen aus der Hightech Agenda in Aussicht gestellt, mit der die Hochschulen intern planen und loslaufen (tw. Berufungsverfahren starten), obwohl der Haushalt erst diese Woche auf der Tagesordnung des Landtages steht. Würde der sich beschweren, weil man ihm seine Rechte beschneidet? Ich glaube nicht und auch nicht, dass es eine bayerische Sichtweise ist. Wenn man schnell in die Umsetzung gehen möchte, muss man den Prozess oft schon mal anstoßen, ohne rechtliche und finanzielle Klarheit zu haben. Wie oft erleben wir umgekehrt Verfahren, deren Prozess ewig ausgehandelt und justiert wird, und am letztlich beschweren sich Viele, dass von der Verkündigung der politischen Ziele über die finanzielle Bereitstellung bis zum Start oder sogar den ersten Ergebnissen der Maßnahmen so viel Zeit vergeht. Es ist ein kalkulierbares Risiko. Dass die AUF dann meckern, wenn es nicht aufgeht, gehört zum "Spiel" dazu. It's all part of the game.