Die Universitätsschule Dresden ist ein bundesweit beachtetes Modellprojekt. Doch jetzt hat die Stadt die versprochene Baufinanzierung gekürzt und ein Ultimatum gestellt. Die wissenschaftliche Leiterin Anke Langner über den Versuch, in einem Monat acht Millionen Euro zu organisieren.
Frau Langner, Sie sind Professorin für Erziehungswissenschaft und wissenschaftliche Leiterin der 2019 gegründeten Universitätsschule der Technischen Universität Dresden. Die Stadt Dresden hat Ihrer Schule ein Ultimatum bis zum 1. April gestellt. Worum geht es denn da?
Das Wort Ultimatum würde ich persönlich nicht nutzen, aber inhaltlich läuft es schon darauf hinaus. Wir haben als Schule bis zum 1. April Zeit bekommen, acht Millionen Euro aufzutreiben. Sonst ist der von uns seit langem geplante Schulneubau, unser Lernhaus, gestorben.
Wie bitte?
Die Idee hinter der Universitätsschule ist, Schule anders zu denken und auszuprobieren. Von den individuellen Lernwegen der Schülerinnen und Schüler ausgehend, mit neuen Lehr- und Lernformaten, unter verstärkter Nutzung digitaler Medien. So ein Konzept braucht ein Haus, das inklusiv ist und kommunikativ, das Dialog und Kreativität fördert und auch technisch auf dem neusten Stand ist. Und das Ganze als öffentliche Einrichtung mit der Stadt als Schulträger. Tatsächlich sah lange alles auch sehr gut aus: Die Stadt erteilte die Freigabe für einen vollumfänglichen und angemessen Schulneubau für den Schulversuch. Woraufhin wir einen wunderbaren Gebäudeentwurf entwickelten, der fertig ist zur Realisierung. Uns gegenüber wurde die fortgeschrittene Planung nie in Frage gestellt auch nicht hinsichtlich der benötigten Kosten von etwa 44 Millionen Euro.
Und dann?
Und dann kam Corona. Die Stadt hat uns Mitte vergangenen Jahres mitgeteilt, dass sie das vom Bildungsbürgermeister versprochene Geld doch nicht aufbringen kann. Bei 24 Millionen soll Schluss sein. Wir haben dann versucht zu retten, was zu retten war, indem wir mit Unterstützung den Entwurf verschlankt und den Bau der Turnhalle verschoben haben. Dadurch konnten wir die Kosten auf 32 Millionen drücken, und für die verbliebene Lücke haben wir uns die Möglichkeit zur Kreditfinanzierung erhofft. Doch Anfang März hat der Oberbürgermeister uns mitgeteilt: Wir wollen keinen Kredit. Ihr habt als Schule vier Wochen Zeit, die acht Millionen anderweitig zu besorgen.
Hat Sie das enttäuscht?
Sagen wir mal so: Die Art und Weise, wie das so kommuniziert wurde, hat uns doch sehr verwundert, zudem ein Investor, den wir aufgetan hatten, auch abgelehnt wurde.
Und wenn Sie das Geld nicht zusammenbekommen?
Dann wird für 24 Millionen etwas gebaut, in dem das grundlegende Konzept der Versuchsschule in vielen Aspekten nicht möglich sein wird. Schauen Sie, wir haben schon jetzt 360 Schülerinnen und Schüler, und wir sitzen in einem DDR-Bau aus den 70er Jahren, der schon jetzt aus allen Nähten platzt und dessen schlechte Schalleigenschaften nachweislich krank machen. Nach Gesprächen mit dem Kultusministerium soll unsere Schule in den nächsten Jahren auf über 1000 Schüler anwachsen, das können wir dann vergessen. Und im Übrigen wird die Idee, Lernen und Lehren anders, besser zu machen, ad absurdum geführt, wenn die Pädagogik sich nach den Räumen richten muss anstatt, wie es Kernbestandteil unseres Konzepts ist, genau umgekehrt. Irgendwann erreichen wir dann mit der Schulleitung eine Schmerzgrenze, wo wir sagen müssen: Wir können den Schulversuch so nicht fortsetzen. Wir brauchen einfach das Lernhaus!
Was tun Sie jetzt?
Wir reden mit allen und versuchen alles. Die TU Dresden AG, die zahlreiche privatwirtschaftliche Initiativen der TU Dresden bündelt, hat uns – vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrats – bereits eine Million Euro in Aussicht gestellt. Das Kuratorium der Schaufler-Stiftung wird in der kommenden Woche für die Stiftung eine weitere Million beschließen. Wir hoffen auf weitere Unternehmen, Stiftungen und private Spenderinnen und Spender in der Stadt und darüber hinaus; aber die Zeit läuft uns davon. Als Schulgemeinschaft haben wir eine Aktion gestartet, bei der wir mit einem MillionPixel-Bild Spenden und Unterstützerbotschaften sammeln. Ab fünf Euro kann man mitmachen. Wir freuen uns über jede Unterstützung. Aber eigentlich bräuchten wir jetzt auch einen Beitrag vom Freistaat Sachsen. Leider hat das Land in dieser nicht nur für die Universitätsschule, sondern für das gesamte sächsische oder sogar deutsche Schulwesen so wichtigen Angelegenheit noch kein Entgegenkommen gezeigt.
Während die Stadt Dresden Sie am ausgestreckten Arm verhungern lässt.
Die Stadt hat uns mitgeteilt, dass sie mit den 24 Millionen Euro bereits an ihre Belastungsgrenze gekommen ist. Wir sind überrascht, dass die Aufgabe der Schulgemeinschaft und der wissenschaftlichen Begleitung übertragen wurde. Aber wir nehmen diese Herausforderung an und noch geben wir nicht auf!
Dieses Interview erschien gestern zuerst in meinem wöchentlichen Newsletter, für den Sie sich kostenfrei anmelden können. Und hier geht es zur Unterstützer-Petition für die Universitätsschule Dresden.
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Maria Sybilla (Donnerstag, 25 März 2021 18:13)
Liebe Frau Langner, ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg und hoffe, dass Sie das Geld noch zusammenbekommen. Es ist schon erstaunlich, dass sich die öffenltiche Hand im Schulbereich nur dann zu Innovationen bewegt, wenn diese auf dem ehrenamtlichen Engagement von Lehrkräften und Schulleitungen basieren. Außgerechnet der Gruppe, die sowieso schon so stark gefordert ist. Ihre Laborschule ist ein wunderbares Projekt und zeigt jetzt schon, wie Schule irgendwann mal für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sein solle: Ein Ort, den man gerne besucht. Bitte lassen Sie diesen Leuchtturm noch lange leuchten!
Doreen Ziegert (Samstag, 27 März 2021 12:56)
Verehrte Frau Langner, es ist eben in diesen Zeiten nicht
genügend Geld da. Und es wird wegen Corona gewiß nicht besser. Wir sind eben nicht in der Sendung "Wünsch Dir was".
Detlev Mehrmann (Samstag, 27 März 2021 17:20)
Das Konzept ist nicht überzeugend.
Robert Mach (Samstag, 03 April 2021 15:44)
Wie leichtfertig werden für die Pandemie Millionen verschenkt und wie leichtfertig geht man mit der Zukunft unserer Kinder um! Das Verwundert mich sehr!
Sind es doch unsere Kinder die einmal dem Staat das Geld wieder bringel sollen. Alle großen Unternehmen haben schon lange verstanden wie wichtig Bildung ist und investieren viel dafür um später die goldenen Früchte zu ernten. Nur unser Staat/Land tut sich da noch schwer und will nicht so richtig verstehen - die Uhr tickt.