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"Das ist inakzeptabel"

Der Wissenschaftsverlag De Gruyter hat einen Preis ausschließlich für englischsprachige Monografien ausgeschrieben – in den Altertumswissenschaften. Es folgten Proteste und ein Offener Brief von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Was die Unterzeichnern so auf die Palme bringt, sagt Hermann Dieter.

Herr Dieter, Sie gehören zu den rund 120 Erstunterzeichnern eines offenen Protestbriefs. Der "große Wissenschaftsverlag De Gruyter" diskriminiere "in geradezu entmutigender Weise die große Mehrheit junger Nachwuchswissenschaftler in Europa und darüber hinaus", so lautet Ihr Vorwurf. Was ist da los?

 

Der Verlag hat einen Buchpreis ausgeschrieben für "die weltweit beste wissenschaftliche Monografie in den Altertumswissenschaften". Mitmachen dürfen frisch Promovierte – allerdings gibt es eine entscheidende Voraussetzung: Es werden nur original in englischer Sprache verfasste Arbeiten akzeptiert. Und das in einem Fach, in dessen Tradition die Vielsprachigkeit verankert ist wie in kaum einem zweiten und bis heute intensiv gepflegt wird. Das geht gar nicht. Wieso soll gerade eine original englischsprachige Arbeit weltweit am besten sein?

 

Mit Verlaub: Ein bisschen erwartbar wirkt es schon, wenn Sie als Stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache (ADAWIS) sich über so etwas aufregen.

 

Moment! Verfasser des Offenen Briefs ist der deutsche Althistoriker Alexander Rubel, der Professor am Institut für Archäologie der Rumänischen Akademie ist. Die Erstunterzeichner stammen aus der ganzen Welt: aus den USA zum Beispiel aus, Japan, Oxford, Paris oder St. Petersburg. Auch der gesamte Vorstand des Philosophischen Fakultätentags ist dabei. 


 

Hermann H. Dieter ist Biochemiker und Toxikologe. Er war 2007 Mitgründer und ist seitdem stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache.

Foto: privat. 



Und da soll Ihr Protest genau was bewirken? Englisch als Wissenschaftssprache ist doch seit langem Realität.                                                                  

Wir wollen ein Zeichen setzen. De Gruyter privilegiert mit seinem Preis faktisch Forscher mit Englisch als Muttersprache, denn vor allem in den hermeneutischen Wissenschaften gilt: Die intellektuelle Qualität wissenschaftlicher Arbeiten, die nicht in der eigenen Sprache verfasst werden, ist deutlich geringer. Doch sogar die Übersetzung muttersprachlicher Arbeiten ins Englische verbietet der Ausschreibungstext. Außerdem weiß De Gruyter genau, dass es Fächer wie die Altertumswissenschaften gibt, in denen das Deutsche, das Französische, Italienische bis heute gleichberechtigte Fachsprachen sind. Im Gegensatz zum Englischen im Übrigen.  

 

Der Verlag spricht von einem Missverständnis. Der "Trends in Classics Book Prize" sei anlässlich der Gründung zwei neuer Buchreihen rund um die schon immer englischsprachige Zeitschrift "Trends in Classics" ausgeschrieben worden. Die neuen Buchreihen würden folglich ebenfalls ausschließlich englischsprachige Manuskripte veröffentlichen – darunter die mit dem Preis prämierten Arbeiten. "Es tut uns leid, wenn die Ausschreibung nicht klar genug formuliert war und der Eindruck entstanden ist, unser Lektorat würde nicht-englischsprachige Publikationen generell ablehnen. Ganz im Gegenteil: In unserem altertumswissenschaftlichen Programm begrüßen wir Publikationen auf Deutsch, Italienisch und Französisch."

 

Auf uns wirkt diese Argumentation vorgeschoben. Es ist doch kein Zufall, dass der Verlag nur seine englischsprachigen altertumswissenschaftlichen Zeitschriften mit einem Extra-Preis promotet. Wo ist denn die Auszeichnung für die deutschsprachigen, die italienischen und französischen Publikationen? Ganz offensichtlich geht es hier weniger um Fachtraditionen als um grundsätzliche wirtschaftliche Erwägungen. 

 

Um grundsätzliche Erwägungen geht es Ihnen mit Ihrem Protest angesichts einer solchen Lappalie vermutlich auch. 

 

Ich halte den einseitigen Ausschreibungstext keineswegs für eine Lappalie, es geht uns tatsächlich auch ums Grundsätzliche. Wir alle müssen uns als Wissenschaft fragen, welchen Wert wir den unterschiedlichen Wissenschaftssprachen und der gedanklichen Vielfalt, die sie ausdrücken, noch beimessen. Wenn dann das Englische ausgerechnet in einem Fach, in dem es noch gar nicht die dominante Sprache ist, in so einer Weise gepusht wird, ist das inakzeptabel. Das ist die Debatte, die wir anregen wollen, weil sie endlich stattfinden muss.

 

Ist der Zug dazu nicht schon lange abgefahren?

 

Der Druck an den Hochschulen, sich im Wettbewerb um vermeintliche "Exzellenz" und "Internationalität" Richtung Englisch zu streamlinen, ist gewaltig, ja. Auch wenn das Ergebnis dieser Entwicklung weder exzellent noch weltgewandt sein kann. Deshalb geben wir auch nicht auf. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Bernd Ludwig (Mittwoch, 26 Mai 2021 13:27)

    Wie wahr!
    Was ich in dieser Debatte vermisse:
    Die Übersetzungsprogramme überholen derzeit rasant die Qualität der "International language of science: 'broken english'" (I. Prigogine). Es ist absehbar, dass in wenigen Jahren z. B. deutsche, französische oder italienische Forschungsarbeiten von der internationalen Forschung ohne jede Sprachbarriere rezipiert werden können. Die Nationalsprachen werden also gerade auf den letzten Metern vor dem Ziel abgewürgt. Vor 20 Jahren hätte die Idee einer 'lingua franca' der Wissenschaften vielleicht noch rechtfertigen können. Heute wird deutlich: Es dominiert das kommerzielle Interesse, kleine Publikationsmärkte aufzugeben.