Die KMK plädiert für uneingeschränkten Regelunterricht im neuen Schuljahr. Richtig so. Allerdings darf sie sich es beim Corona-Schutz in den Schulen vorerst noch nicht zu leicht machen.
DIE KULTUSMINISTER hängen sich weit aus dem Fenster. Für das neue Schuljahr fordern sie angesichts der Pandemie-Entwicklung den dauerhaften und "uneingeschränkten Regelbetrieb" für alle Schulen. So haben sie es am Donnerstag in der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen.
Was sie darunter verstehen: den "regulären Schulbetrieb mit allen Schulfächern und Unterrichtsstunden". Ganztag, schulische und außerschulische Angebote, das gesamte soziale Leben in und um Schule herum sollten "grundsätzlich wieder in vollem Umfang" ermöglicht werden, so die Kultusminister – unter Einbeziehung der außerschulischer Lernorte, von Kooperationspartnern in Sport, Kultur, Kunst. Auch Klassenfahrten und den Schüleraustausch wollen die Kultusminister wieder ermöglichen.
Ihr Plädoyer unterstreicht die KMK mit dem Hinweis auf die monatelangen Teil oder Komplett-Schließungen. Dieser zeitweise Wegfall der Schule als, wie die Kultusminister schreiben, "einen zentralen Ort des Lernens und des sozialen Miteinanders, habe für die Schülerinnen und Schüler eine "große Last" bedeutet.
Machen es sich
die Kultusminister zu leicht?
Doch so richtig und begrüßenswert die klare Positionierung der Kultusminister ist – zugleich fällt auf, dass sie es sich in Sachen Infektionsschutz erstaunlich leicht machen. Zu leicht?
Nicht, weil sie in ihrem Beschluss auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) verweisen, derzufolge die Jugendlichen "keine treibende Kraft" in der aktuellen Pandemiesituation darstellten. Das sehen tatsächlich viele Wissenschaftler so. Auch nicht, weil, wie die KMK betont, ein großer Teil der Bevölkerung bereits mindestens einmal gegen eine Corona-Infektion geimpft sei und bis zum Beginn des neuen Schuljahres noch viel mehr.
Sondern weil sie diese Einschätzung dazu verleitet, von einem Schuljahr fast oder ganz ohne Infektionsschutz zu träumen. Anders lässt sich der folgende Satz im gestrigen KMK-Beschluss nicht interpretieren: "Die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken, wo Abstände in Innenräumen nicht eingehalten werden können, und die Teststrategien sind ebenso wie konsequentes Lüften daher auch im neuen Schuljahr unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens in Betracht zu ziehen."
Was ist denn da in Betracht zu ziehen? Solange die Pandemie nicht vorbei ist und es zu Infektionen auch in Schulen kommt, sind die genannten Maßnahmen nicht optional, sondern notwendig – gerade um ansonsten einen sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten.
KMK-Präsidentin: Diskussionen
"gerade ein bisschen im Fluss"
Es kann schon irritieren, wie schnell erste Kultusminister schon jetzt die Maskenpflicht im Unterricht zumindest an den Grundschulen abgeschafft haben. Wollen sie dasselbe auch mit den regelmäßigen Tests tun? Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt und aller Voraussicht nach auch nach den Sommerferien ein Fehler. Entspräche aber dem Vorgehen im vergangenen Sommer, als auch in Bezug auf Corona in der Gesellschaft (nicht nur in den Schulen!) zu gelten schien: aus den Augen, aus dem Sinn.
KMK-Präsidentin Britta Ernst, im Hauptberuf SPD-Bildungsministerin von Brandenburg, gestand heute ein, dass die Diskussionen in Hinblick auf die Hygienemaßnahmen angesichts der hohen Außentemperaturen "ein bisschen im Fluss" seien, "aber natürlich wird die Sicherheit weiter ein hohes Augenmerk genießen".
Tatsächlich?
Natürlich ist es überhaupt nicht einzusehen, warum bis heute nur die Kinder und Jugendlichen durch den Schulbesuch zu regelmäßigen Schnelltests verpflichtet werden – die Arbeitnehmer aber nicht. Ebenso wenig, dass gerade die Testpflichten für Restaurants und Einzelhandel in Rekordzeit geschleift werden. Aber deshalb muss man dem in Schulen noch nicht folgen. Und so parallel auch den Druck herausnehmen, dass viele Unterrichtsräume die ohnehin nötige bessere Belüftung erhalten und tausende Waschgelegenheiten ihr lange benötigtes Update.
Auch und gerade, um die Akzeptanz des vollen Präsenzunterrichts zu erhalten, wenn, was durchaus möglich ist, die Corona-Zahlen im Herbst noch einmal speziell in den jüngeren Altersgruppen ansteigen sollten. Zu Recht stellen ja die Kultusminister in ihrem Beschluss fest: "Die gut eingespielten und bewährten Infektionsschutz- sowie Hygienemaßnahmen und -konzepte für Schulen leisten einen wesentlichen Beitrag für einen sicheren Schulbetrieb in voller Präsenz."
Das sollte auch bei niedrigen Inzidenzen vorerst so bleiben.
KMK: Keine Verknüpfung von Regelunterricht und Impfungen
Weiter betonte die Kultusministerkonferenz, dass der vollständige Präsenzunterricht nicht an individuelle Impfungen der Schüler oder Impfquoten geknüpft werde. Zugleich sollten aber, sobald die entsprechenden Zulassungen und Empfehlungen der Ständigen Impfkommission vorlägen, Kinder und Jugendliche "gleichberechtigt in die Bedarfsberechnungen zur Beschaffung von Impfstoff" einbezogen werden.
Voller Präsenzunterricht sei auch deshalb so wichtig, weil nur dann "die vielfältigen geplanten Unterstützungsmaßnahmen für Kinder und
Jugendliche wirksam einzusetzen" seien. Hier spielen die Kultusminister besonders auf das vom Bund finanzierte Corona-Aufholprogramm an, das zuletzt wichtige Hürden genommen hatte.
Schülern, die im nächsten Jahr ihren Abschluss machen sollen, seien durch die Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen besonders getroffen gewesen, befand die KMK. Für sie werde es – wie schon für ie Abschlussjahrgängen 2020 und 2021 – "angemessene Regelungen" geben, damit ihnen keine Nachteile entstünden.
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Christian Schulenberg (Freitag, 11 Juni 2021 16:31)
Ich bin in vielen Ihrer Meinung, aber ich wundere mich über die Betonung der Sicherheit in Schulen. Wenn jeder Erwachsene, der es will, geimpft sein wird, wofür müssen wir dann mit Test- und Maskenpflicht in Schulen weitermachen? Die STIKO schreibt, dass Corona für Kinder wie eine Grippe sei. Jeder wird sich entweder mit Corona infizieren oder er wird geimpft. Durch Tests in Schulen würde die Pandemie also nur verlängert.