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Unis, verdient euch den Digitalpakt!

Die HRK fordert wieder einmal eine Digitalisierungspauschale. So berechtigt der Vorstoß ist: Erst einmal müssen Hochschulen selbst in Bewegung kommen.

Foto: congerdesign / Pixabay.

DEZEMBER 2018: Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordert einen Digitalpakt Hochschule. Reaktion der Bundesbildungsministerin: nicht überliefert.

 

Februar 2019: Die Wissenschaftsweisen der EFI mahnen eine Digitalisierungspauschale an: pro Studierenden und Jahr 92 Euro. Bei der Übergabe des Gutachtens sagt Anja Karliczek, die Voraussetzung für die Entwicklung digitaler Kompetenz seien "zeitgemäße Bildungseinrichtungen". Was das in Bezug auf die Hochschulen bedeutet und was das mit dem Bund zu tun hat, sagt sie nicht.

 

Mai 2020: Die Wissenschaftsminister aller 16 Länder treten mit einer  Initiative an Karliczek heran: Die Bundesregierung solle zweimal 250 Millionen Euro von ihrem riesigen Corona-Konjunkturpaket in ein Programm "Digitalisierung in der Lehre" stecken. Als Pauschale pro Studierenden. Karliczek zieht es vor, öffentlich nicht Stellung zu nehmen. Ihr Ministerium nennt den Vorstoß "nun wirklich überraschend" und verweist auf Bund-Länder-Pakte wie den Zukunftsvertrag.

 

Juni 2021: Der HRK-Senat verabschiedet "Forderungen an Bund und Länder zur Weiterentwicklung der digitalen Lehrinfrastrukturen", Kernforderung: eine Digitalisierungspauschale von 92 Euro pro Studierenden. Ergibt 270 Millionen Euro jährlich. Eine Antwort Karliczeks steht noch aus. Aber irgendwie habe ich ein Gefühl, wie sie ausfallen könnte.

 

Dabei glaubt die HRK, jetzt endgültig sehr gute Argumente für ihre Jahre alte Forderung zu haben. Weil die Pandemie "die bereits vorher bestehenden Defizite bei den Bedingungen für die digitale Lehre deutlich zu Tage (hat) treten lassen". Es fehlten Studios, Labore und Makerspaces mit aktueller Hard- und Software, ausreichende und rechtlich abgesicherte Kommunikationskanäle für Videokonferenzen, flächendeckendes, breitbandstarkes WLAN und jederzeit verfügbare Server- und Speicherinfrastruktur.

 

Am Ende geht es aber vor allem darum, wie die HRK zu Recht betont, genügend Fachleute in die Hochschulen zu holen – für IT, vor allem aber für Mediendidaktik. Und auch die Lehrenden, die schon da sind und die neuen Lehrformate in den Hochschulalltag einbauen wollen, brauchen mehr Unterstützung, inhaltlich wie finanziell. Denn digitale Lehre ist eben nicht Powerpoint per Livestream und Seminare per Zoom, und ansonsten bleibt alles, wie es war.

 

Ein modernes Präsenzstudium braucht

digitale Formate nicht erst seit Corona

 

An dieser Erkenntnis hat sich durch Corona nicht viel geändert. Im Gegenteil, die Hochschulen tun gut daran, immer wieder klarzumachen: Der notgedrungen digitale Corona-Hochschulalltag hat wenig bis nichts zu tun mit einem modernen Präsenzstudium, das immer dann um digitale Medien und Formate angereichert wird, wenn es den Erkenntnissen der Didaktik und der heutigen Lebenswirklichkeit junger Menschen entspricht.

 

Die HRK-Einkaufsliste ist in jedem Punkt berechtigt. Nur war das eben auch vor zwei oder drei Jahren schon so. Und auch damals galt: Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Der Bund sagt: Die Länder sind zuständig für die Hochschulen, und außerdem bekommen sie jedes Jahr schon Bundesmilliarden für die Lehre, egal in welchem Format. Die Länder sagen: Das reicht nicht, wir sind finanziell überfordert.

 

Wacker, wie die HRK nicht aufgibt. Wie sie ihren xten Vorstoß anpreist, weil er diesmal "konkretisiert und detailliert" daherkomme. Trotz der immer neuen Abfuhren aus dem BMBF und absehbarer Corona-Sparhaushalte in Bund und Ländern. Vielleicht hilft das ja tatsächlich, damit die Pauschale, worauf die Hochschulen natürlich abzielen, es in den Koalitionsvertrag der nächsten Regierung schafft.

 

Dafür müssen die Hochschulen aber bis Herbst erst einmal zeigen, dass sie selbst beweglich sind. Indem sie alles daransetzen, spätestens im Wintersemester wieder so viel Präsenz wie möglich einzusetzen. Die aktuellen Forderungen der HRK an die Politik nach den nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen und Impfungen reichen da nicht. Die Hochschulen müssen parallel selbst ihre Kreativität unter Beweis stellen. Denn auch wenn es paradox klingt: Am meisten Nachdruck verleihen die Hochschulen ihrer Forderung nach einem didaktisch motivierten Digitalprogramm, indem sie ihre Campi wieder mit Leben füllen.

 

Der Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


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Kommentare: 3
  • #1

    Ruth Himmelreich (Montag, 14 Juni 2021 11:08)

    Aha. Und wie "kreativ" gehe ich mit der Abstandsregelung von 1,5 Metern um, die die meisten Seminarräume für die übliche Personenzahl unbenutzbar macht, so dass man kleinere Formate großen Hörsälen durchführen muss, von denen nur endlich viele vorhanden sind?

  • #2

    Hybrid? (Montag, 14 Juni 2021 12:01)

    @Ruth Himmelreich: Ist nur eine Überbrückung, aber man könnte ein Ampelsystem für Lehrveranstaltungen überlegen: LVs, die Präsenz erfordern - LVs, die auch gestreamt werden können - LVs, die ganz gestreamt werden (& bei denen sich das vllt auch bewährt hat). Würde die Raumplanung entlasten.

  • #3

    Ruth Himmelreich (Montag, 14 Juni 2021 13:31)

    Was zwingend notwendig ist, findet ohnehin schon in Präsenz statt. Die Raumkapazität, die darüber hinaus unter Berücksichtigung der Abstandsregelung vorhanden ist, ist aber nicht besonders groß und wird die Forderung nach "viel mehr Präsenz" nicht befriedigen können.

    Die Politik (!) muss entscheiden, wo sie Abstriche zu machen bereit ist. Es geht nicht gleichzeitig
    a) ein Maximum an Präsenz
    b) bei einem Schutzniveau (Abstand, Hygiene, zwingende 3G-Überprüfung jedes Teilnehmenden), das höher ist als in Vor-Corona-Zeiten und
    c) alternative Veranstaltungen für die Impf- und Testverweigerer, die man auch nicht aufs Digitale verweisen soll.

    Zumindest nicht bei der vorhandenen Raum- und Personalkapazität.