Rechtlich bindend ist das nicht: Trotzdem verspricht Berlins Senat kurz vor der Wahl noch schnell 3,5 Prozent mehr Hochschulfinanzierung – jedes Jahr bis 2027. Ein Abschiedsgeschenk mit Eigennutz von Michael Müller und seinem Staatssekretär Steffen Krach.
ES IST EIN ABSCHIEDSGESCHENK. Oder ein unfreundlicher Akt. Je nachdem, wie man es sieht. Und was es am Ende wert ist, muss sich auch erst noch zeigen.
Forsch ist es in jedem Fall, dass Berlins scheidender Senat den Hochschulen heute per Beschluss ein jährliches Grundfinanzierungs-Plus von weiterhin 3,5 Prozent pro Jahr versprochen hat – jedes Jahr bis 2027. Mit anderen Worten: nicht bis zum Ende dieser, sondern sogar über das Ende der nächsten Legislaturperiode hinaus.
Es ist der voraussichtlich letzte Coup von Michael Müller, der das Amt des Regierenden Bürgermeisters seit 2017 in Personalunion mit der Leitung des Wissenschaftsressorts ausgeübt hatte – und jetzt beides abgibt. Stets an seiner Seite: Deutschlands bekanntester Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach, der unabhängig vom Wahlausgang ebenfalls abtritt, weil er im September als Regionspräsident in Hannover kandidiert.
Die beiden SPD-Politiker zusammen verkörperten goldene Jahre für Berlins Wissenschaft, und ein wichtiges Symbol dabei war die 3,5. Der Prozentwert, mit dem die Hochschulbudgets seit 2018 jedes Jahr wuchsen. Und auch wenn die Hochschulrektoren stets – und mit Recht! – darauf hinwiesen, dass die vermeintlich große Zahl nach Abzug von Gehalts- und Pensionssteigerungen und sonstiger Inflation kaum reale Zuwächse bedeutete, so wussten sie doch genau: Ihre Kollegen in etlichen Bundesländern, vor allem in ähnlich finanzschwachen wie Berlin, mussten mit deutlich weniger auskommen.
Dieses Versprechen zu widerrufen, wäre
auch für den nächsten Senat ein Wagnis
Berlin war nicht das erste Bundesland, das seinen Hochschulen plakativ über Jahre hinaus ein deutliches und vor allem verlässliches Plus garantierte und auch lieferte. Baden-Württemberg mit seiner grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hatte schon 2014 mit Berufung auf eine Wissenschaftsrats-Empfehlung eine Erhöhung der Grundfinanzierung um jährlich drei Prozent verkündet. Ab 2021 erhöhte das Stuttgarter Kabinett auf 3,5 Prozent.
Doch kam diese Entscheidung nach einer Wahl und nicht davor wie jetzt in Berlin. Müller und Krach versuchen indes, den Hochschulen ihr Geld zu sichern für die Zeit, wenn sie selbst nicht mehr da sind. Das ist ihr durchaus mutiges Abschiedsgeschenk, denn auch wenn die heutige Zusage den nächsten Senat und das dann neugewählte Abgeordnetenhaus als Haushaltsgesetzgeber in keiner Weise bindet: Sie zu widerrufen wäre politisch auch für den nächsten Senat ein Wagnis.
Weshalb es sich eben auch um einen unfreundlichen Akt gegenüber den künftigen Spitzen von Senat und Wissenschaftsverwaltung handelt. Denn Versprechen und Erwartungen wecken in Zeiten von Corona ist leicht. Halten müssen es dann die anderen. Tun sie es, sind die 3,5 Prozent bereits eingepreist, denn Müller und Krach hatten sie ja schon angekündigt. Tun sie es nicht, stehen die Neuen als die Wortbrüchigen da, während die Erinnerung an Müller und Krach umso heller strahlt. All das dürfte den beiden heute sehr bewusst gewesen sein.
Andere Länder führen derweil
erbitterte Spardebatten
Dabei wäre es eine wirklich großartige Leistung einer neuen Berliner Koalition, die 3,5 Prozent wirklich umzusetzen. Als Theresia Bauer Anfang Mai 2020 die Fortsetzung, ja Erhöhung des jährlichen Aufwuchses unter Dach und Fach brachte, sagte sie bereits: "Die bisherigen Prioritäten zu verteidigen, wird eine Riesenanstrengung." Und Bauer fügte hinzu: Sie werde alles dafür tun, dass die Hochschulfinanzierung im Falle explodierender Corona-Schulden nicht angetastet werde. In Baden-Württemberg wohlgemerkt. Einem der reichsten Bundesländer. Und das war vor einem Jahr. Seitdem wurden zum Beispiel in Bremen und Niedersachsen erbitterte Spardebatten geführt.
Insofern: Was der heutige Senatsbeschluss und das neue 3,5-Prozent-Versprechen am Ende tatsächlich wert sind, muss sich noch zeigen und auch, ob Berlins Hochschulen tatsächlich wissenschaftspolitisch als Gewinner vom Platz gehen. Müller und Krach kann es nach ihrem geschickten Schachzug fast schon egal sein. Sie nämlich tun es in jedem Fall.
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