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Wem gehören die Erfolge?

Die Pflege wissenschaftlicher Kooperationen und der Aufbau von Forschungsnetzwerken sind spätestens seit der Exzellenzinitiative obligatorisch. Doch wie lassen sich ihre Leistungen so abbilden, dass alle beteiligten Einrichtungen angemessen berücksichtigt werden? Ein Gastbeitrag mit Vorschlägen von Christiane Neumann, Ellen Fröhlich, Karl Ulrich Mayer und Dagmar Simon.

Illustration: Gerd Altmann / Pixabay.

FORMALISIERTE KOOPERATIONEN zwischen unterschiedlich verfassten wissenschaftlichen Einrichtungen im deutschen Wissenschaftssystem erfreuen sich einer zunehmenden Verbreitung. Vernetzungen zwischen Hochschulen untereinander ebenso wie Kooperationen zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind spätestens seit der ersten Exzellenzinitiative nicht nur national wissenschaftspolitische Lieblingsprojekte. In einer Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen hieß es kürzlich emphatisch: "Die Vernetzung ihrer Akteure ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg des deutschen Wissenschaftssystems. Ein zentrales Element und deutsches Erfolgsmodell dieser Vernetzung im Wissenschaftssystem sind Kooperationen zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen." 

 

Beispiele dafür sind Exzellenzcluster, EU- oder BMBF-geförderte Verbundforschung, regionale  Universitätsverbünde wie die Berliner Universitätsallianz  (BUA),  das KIT, die Max Planck Schools oder die Leibniz-Wissenschaftscampi und -verbünde.  Die Ziele und Aufgaben solcher Vernetzungen sind vielfältig. Meistens bestehen sie in Forschungskooperation, gemeinsamen Berufungen, gemeinsamer Nachwuchsförderung und der gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen.

 

Solche Vernetzungen (wie schon die Gründung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen Ende der 1960er Jahre) waren in der Vergangenheit oft Folge der beschränkten Finanzierungsmöglichkeiten von Hochschulen durch den Bund gemäß Grundgesetz-Artikel 91. Aber gerade seit der betreffende Artikel 2015 geändert wurde, hat die Anzahl und die Vielfalt solcher interinstitutionellen Kooperationen zugenommen, und sie könnten unter direkter Bundesbeteiligung nun auch auf Dauer eingerichtet werden. Das liegt zum Teil an den Bemühungen der Wissenschaft, sich Bundesmittel nicht nur für Projektfinanzierungen, sondern auch für die institutionelle Förderung zu erschließen. Aus der Perspektive der Wissenschaftspolitik geht es aber auch um die vor allem vom Bund verfolgten Ziele wissenschaftlicher Leistungssteigerung, um komplementäre Arbeitsteilung und um interdisziplinäre Zusammenarbeit. Oft gelten solche Vernetzungen bereits an sich als Erfolgs- und Leistungsindikatoren.

 

Gemeinsam arbeiten – und dann aber

auch gemeinsam darüber sprechen

 

Schon die Anbahnung und Gründung solcher Konstruktionen allerdings ist komplex und aufwendig (siehe das Beispiel der Berlin Institute of Health, BIH). Auch ihr Alltag und ihre dauerhafte Weiterentwicklung kann Probleme aufwerfen. Anreizstrukturen spielen eine wichtige Rolle. Warum lohnt sich das Mitmachen für die beteiligten Akteure, und wie sind die Ergebnisse der Kooperationen für alle Beteiligten sichtbar zu machen?  Unseres Erachtens kommt der Leistungsberichterstattung und Leistungszurechnung in den Kooperationsstrukturen eine noch unterschätzte Bedeutung zu. Denn gleichzeitig mit dem Trend zu immer mehr Vernetzung hat sich das Monitoring der wissenschaftlichen Leistungen zwecks ex-post-Legitimation der aufgewendeten öffentlichen Mittel als Standard durchgesetzt.  Zur Evaluierung wissenschaftlicher Institutionen und Projekte werden allenthalben Leistungsdaten erhoben und in den unterschiedlichen Berichtsinstrumenten- und Verfahren eingesetzt. Dies gilt für die deutschen Wissenschaftsorganisationen, die sich im Rahmen des Pakts für Forschung und Innovation, jährlich durchaus auch vergleichend einem Monitoring durch Bund und Länder unterziehen, und es gilt für die Hochschulen, deren Leistungskennziffern als Grundlage von Hochschulverträgen und vergleichbaren Instrumente der Länder herangezogen werden. Solche Informationen gehen zum Teil auch in die internationalen Hochschul-Rankings ein. 

 

Das Problem: So aufwändig der Aufbau wissenschaftlicher Kooperationen ist, so schwierig lässt er sich im Rahmen der Leistungsmessung abbilden. Meist wird eine wissenschaftliche Leistung dann nur einem Partner zugeordnet – was die Anreize, sich für neue Kooperationen zu engagieren, spürbar verringert. 

 

Dabei kann es auch anders gehen.  Wie und mit welchen methodischen Mitteln sich die Leistungen, die in wissenschaftlichen Kooperationen gemeinsam erzeugt werden, auch gemeinschaftlich in der Leistungsmessung nutzen ließen, zeigt zum Beispiel das Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft  in Berlin.


Praxisbeispiel

Weizenbaum-Institut

 

Das Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt. Dem Verbund gehören die vier Berliner Universitäten – Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Berlin, Universität der Künste Berlin an, die Universität Potsdam sowie das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), eine Kooperation also von fünf Universitäten in zwei Bundesländern und zwei Außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

 

Der Weizenbaum-Institut e.V. hat im September 2020 die administrative Koordination des Forschungsverbundprojektes übernommen. Er ist Träger der Geschäftsstelle und koordiniert den wissenschaftlichen Verbund. Das Weizenbaum-Institut erforscht interdisziplinär und grundlagenorientiert den Wandel der Gesellschaft durch die Digitalisierung und entwickelt Gestaltungsoptionen für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. 

 

Das Weizenbaum-Institut will sich für eine Dauerförderung durch den Bund und das Land Berlin qualifizieren und unterzieht sich schon während der Projektförderung einer Serie von aufeinander aufbauenden Evaluierungen. 

Mit dem hohen Anspruch an Interdisziplinarität und der Komplexität und Diversität in seiner institutionellen Struktur erscheint es als ideales Modellvorhaben für die Entwicklung einer institutionenübergreifenden Leistungsberichterstattung. Die wissenschaftlichen Leistungen, die im Weizenbaum-Institut verzeichnet werden, sollten auch künftig auf ihre jeweilige Quelle im Netzwerk der heutigen Verbundpartner zurückgeführt und zugerechnet werden können. 

 

Der Entwurf eines Kooperationsvertrags, der für eine künftige Institutionalisierung und Dauerförderung zwischen den Partnern des Verbundes zurzeit diskutiert wird, sieht dafür vor, dass ein Modell der institutionenübergreifenden wissenschaftlichen Leistungsberichter-stattung auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichtsstandards entwickelt wird. Die  Leistungsberichterstattung soll methodisch darauf ausgerichtet werden, als wissenschaftliches Netzwerk und Leistungsgemeinschaft über die originären wissenschaftlichen und Infrastrukturleistungen des Weizenbaum-Institut e.V. zu berichten und gleichzeitig deren jeweiligen Bezug zu den Beiträgen der Partner erkennen zu lassen.

 

Dies würde in der Praxis bedeuten, dass das Institut in seinem Forschungsinformationssystem die Daten so erhebt, dass die Beiträge der Partner jeweils erkennbar sind und diesen zur Nutzung im jeweils eigenen Berichtswesen übermittelt werden.



Als weiteres interessantes Modell ist BIFOLD zu nennen, das Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data. BIFOLD soll ein hochschulübergreifendes Zentralinstitut an der Technischen Universität Berlin werden, das gemeinsam von der Technischen Universität Berlin und der Charité getragen wird. Zuvor hatten bereits die beiden KI-Kompetenzzentren Berlin Big Data Center (BBDC) und das Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen (BZML) an der TU Berlin fusioniert. Die beiden Berliner Trägereinrichtungen kooperieren mit elf weiteren Partnereinrichtungen (Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen). Es wird eine institutionelle Gründung erfolgen, die ab 2022 eine dauerhafte Förderung des Bundes in Hochschulen erlauben würde. 

 

Nicht nur in Berlin wird ein KI-Kompetenzzentrum dauerhaft gefördert. Auch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen gibt es solche Zentren, die auf der Grundlage von Grundgesetz-Artikel 91b, Absatz 1, Satz 2 unbefristet bestehen. Nach sieben Jahren Laufzeit werden die fünf KI-Kompetenzzentren durch ein Expertengremium evaluiert. Die KI-Kompetenzzentren an Hochschulen sind neben BIFOLD – Berlin, das Tübingen AI Center - Competence Center for Machine Learning, das MCML - Munich Center for Machine Learning, das ML2R - Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr und ScaDS.AI - Competence Center for Scalable Data Services and Solutions Dresden/Leipzig.

 

Für ein anderes Forschungsfeld instruktiv ist die Betrachtung des Exzellenzclusters "SCRIPTS: Weltweite Herausforderungen für liberale Demokratie und Marktwirtschaft als Ordnungsmodell".

Die Freie Universität Berlin ist die Sprechereinrichtung des Clusters, die Humboldt-Universität zu Berlin, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, die Hertie School of Governance, das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das German Institute of Global and Area Studies sowie das Leibniz-Zentrum Moderner Orient sind mit Projekten daran beteiligt.

 

Mit dem Kerndatensatz Forschung
existiert
 ein geeignetes Instrument

 

In den Exzellenzclustern wird zwar die Frage der Leistungsberichterstattung strukturell von der DFG vorgegeben, wirkt sich aber in der Berichterstattung der jeweiligen Einrichtung als Quelle der Leistungserbringung entsprechend für die Bewertung und Zuweisung ihrer Mittel aus.  Spätestens mit der möglicherweise dauerhaften Finanzierung durch Bundesmittel einiger ausgewählter Exzellenzcluster – dies diskutieren Bund und Ländern zurzeit auf der Ebene der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) – wird sich die Frage der Datenerhebung und ihrer Zuordnung erneut stellen. 

 

Neben der Leistungserhebung und Leistungsberichterstattung werden bei allen dauerhaft und institutionell geförderten Einrichtungen gemeinsame Berufungen und die dafür erforderlichen administrativen Strukturen besonders relevant. Allen gemeinsam ist die Frage nach der institutionellen Selbstständigkeit und administrativen Handlungsfähigkeit. Voraussetzung ist die Verständigung auf einen gemeinsamen Erhebungsstandard, vorzugsweise den Kerndatensatz Forschung. 

 

Der Kerndatensatz Forschung, dessen Einführung der Wissenschaftsrat in seiner Stellungnahme von Oktober 2020 gerade für heterogene Kooperationen und Verbünde für geeignet erachtet, bietet die notwendigen Voraussetzungen und empfiehlt sich für ein Modellprojekt, auch weil seine Einführung in vielerlei Weise unterstützt und wissenschaftlich begleitet wird. Und das Gute am Kerndatensatz Forschung ist: Dieses Rad muss nicht neu erfunden werden, es existiert bereit. Ein ambitioniertes Verbund-Projekt wie das Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft, das seinen eigenen Verbund- und Netzwerkcharakter auch mithilfe der Forschungsberichterstattung dynamisch weiter entwickeln will, kann und sollte sich darauf stützen.

 

Christiane Neumann ist seit 1992 in Leitungsfunktionen im Wissenschaftsmanagement tätig, heute als Consultant. Ellen Fröhlich war Abteilungsleiterin Wissenschaft in der Senatskanzlei Berlin und befindet sich seit April 2020 im Ruhestand. Karl Ulrich Mayer ist Direktor Emeritus  des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und war  von 2010 bis 2014 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Dagmar Simon ist Geschäftsführerin von EVACONSULT und Gastwissenschaftlerin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung


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