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Nur die Besten ins Ministeramt

Die Auswahl der Bundesministerinnen und -minister passt nicht immer zur Exzellenz- und Innovationsrhetorik der Parteien. Das muss sich ändern.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung am Kapelleufer in Berlin Mitte.

Foto: Fridolin Freudenfett / CC BY-SA 4.0.

DEUTSCHLAND SCHULEN, Hochschulen und Forschungsinstitute sollen internationale Spitze sein. Sind sie nicht. Oder zumindest viel zu selten, aber das ist eine andere Diskussion. Heute geht es mir allein um den Anspruch hinter solchen Aussagen, und der ist gut. Allerdings muss sich die Politik, die ihn immer aufs Neue beschwört, dann auch an ihm messen lassen. 

 

Das fängt schon bei dem Personal an, das Forschergeist, Aufbruch und Innovation in Deutschland voranbringen soll. Wer beste Qualität für Bildung und Wissenschaft fordert und verspricht, muss dieselben Maßstäbe bei der Besetzung der politischen Schlüsselpositionen anlegen.

 

Neulich habe ich mich mit einem Oppositionspolitiker über eine meines Erachtens äußerst geeignete Kandidatin seiner Partei für das Amt der Bundesforschungsministerin unterhalten. Das mit der Eignung sah er genauso, prophezeite jedoch: Das wird nichts. Das Bundesland, aus dem sie kommt, habe schon andere aussichtsreiche Aspiranten auf andere Ministerposten.

 

Das ist allzu oft die Logik der Parteien: die Zukunft beschwören, aber diese dann in Regierungsverantwortung nicht von den fachlich am besten qualifizierten Politikern verantwortlich gestalten lassen. Vielmehr kommen die ins Amt, die politisch am besten vernetzt, politisch am wenigsten angeeckt sind, oder, noch dramatischer,  aus Regionen stammen, die vom Proporz her noch versorgt werden müssen.

 

Es geht nicht um eine Ministerin,

es geht um eine grundsätzliche Erkenntnis

 

Kommt Ihnen das bekannt vor, wenn Sie an die Auswahl der gegenwärtigen Chefin im BMBF denken? Anja Karliczek war im Frühjahr 2018 selbst überrascht, als die Wahl plötzlich auf sie fiel. Und sie gestand erfrischend offen ein, dass sie sich erst einarbeiten müsse. Was, zurückhaltend formuliert, ziemlich lange gedauert hat. 

 

Aber es geht hier auch nicht um die Ministerin Anja Karliczek, deren Amtsführung eine eigene – differenzierte – Bilanz verdient hat. Diese dann demnächst. Es geht um die grundsätzliche Erkenntnis, dass das Proporz-/Parteisoldaten-Denken in anderen Ministerien vielleicht noch funktionieren mag. Dass Deutschlands dringend nötige Modernisierung jedoch nur dann funktionieren wird, wenn zumindest im maßgeblich dafür verantwortlichen Ministerium die Chefetage nach fachpolitischer Eignung und Erfahrung besetzt wird. Und das gilt für alle potenziellen Regierungsparteien.

 

Karliczek selbst hat in den vergangenen Monaten wiederholt verkündet, weitermachen zu wollen. "Nach vier Jahren kenne ich die Stellschrauben, an denen man drehen muss, auch um Armin Laschets Versprechen eines Modernisierungsjahrzehnts umzusetzen", sagte sie zum Beispiel im Tagesspiegel. Sie ist der Meinung, dass genau diese Erfahrung sie diesmal zu einer qualifizierten Kandidatin macht. 

 

Das ist ihr gutes Recht. Doch muss auch der CDU/CSU klar sein, falls sie nach der Bundestagswahl tatsächlich erneut das BMBF besetzen sollte: Nicht der innerparteiliche Proporz, sondern Persönlichkeit, fachliche Qualifikation und Durchsetzungsstärke sollten bei der Ministerwahl entscheidend sein. Diesem Wettbewerb kann sich dann auch Anja Karliczek gern stellen.  

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



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Kommentare: 7
  • #1

    Pro und Contra (Montag, 23 August 2021 12:06)

    Generäle ins Verteidigungsministerium, Ärzte ins Gesundheitsministerium, Banker ins Finanzministerium und Professoren für die Wissenschaft? Ein interessanter Denkanstoß, weil er dazu einlädt, pro und contra abzuwägen. Contra: Es gibt nahezu keine Beispiele für Persönlichkeiten, die auf zwei Gebieten (z.B. in der Wissenschaft und in der Politik) Herausragendes geleistet haben. Noch ein Contra: Mit den Experten zieht dann auch die déformation professionelle ins Ministerium ein. Und noch ein Contra: Nicht-Politiker haben oft Probleme mit der Umsetzung Politik/Verwaltung, z.B. weil sie den Gesetzgebungsprozess und die damit einhergehenden Aushandlungsprozesse nur aus der Tagesschau kennen. Das alles rechtfertigt nicht Proporz-Entscheidungen, sondern der Weg könnte vllt in Personalentscheidungen über Parteigrenzen hinweg sein: Politiker, die sich in den einschlägigen Ausschüssen bewährt haben - womit Anja Karliczek (die ich gar nicht sooo schlimm finde ...) der Wissenschaft erspart geblieben wäre.

  • #2

    Udo Michallik (Montag, 23 August 2021 13:02)

    Es gibt einen schönen Aufsatz, den es immer lohnt zu lesen, nachzudenken und zu reflektieren:
    Max Weber: "Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland - Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteienwesens". Hier finden sich Abschnitte wie: "Beamtenherrschaft und politisches Führertum" oder "Verwaltungsöffentlichkeit und politische Führerauslese". Überschriften und Inhalt, die, lieber Herr Wiarda, wahrscheinlich Ihren Gedanken zu Grunde lagen. Weber veröffentlichte den Aufsatz 1918. Wirklich lesenswert.

  • #3

    Steffen Prowe (Montag, 23 August 2021 16:20)

    Nun ja, wir erleben leider täglich die Niederungen des föderalen Proporz bei Partei- und Ministerämtern, allem voran Bayern mit seinen 3 Regionen. Und daher leider Andi Scheuer. Zudem das "Abo" auf Ministerien.
    Daher stimme ich Martin Wiarda sehr zu, wenn er -wie in Anträgen der Forschung, bei Bewerbungsverfahren, im Peer-Review,....etc.- eine Bestenauswahl einfordert.

  • #4

    Gernot Kurz (Dienstag, 24 August 2021 07:52)

    Man findet in der Geschichte der Göttinger Universität das
    Beispiel der Verbindung des Mathematikers Felix Klein mit
    Ministerialdirektor Friedrich Althoff in Berlin. Daraus entstand im Prinzip am Beginn des 20. Jahrhunderts ein erheblicher Teil des Göttinger Nobelpreis-Wunders.

  • #5

    McFischer (Dienstag, 24 August 2021 08:28)

    Die Forderung nach einer Expert*innen-Regierung kommt immer wieder gerne, besonders wenn es um Kritik am aktuellen Personal geht. Man muss nur sehen, dass es für "Politik als Beruf" (hier auch: M. Weber) sehr unterschiedliche Erwartungen geben kann: Expertenregierung, Menschen mit 'Lebenserfahrung' außerhalb der Politik, frische Leute statt Parteisoldaten, breite Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen usw. Das klingt jeweils für sich genommen gut (und ist auch gut begründbar), in der Summe bleiben es aber unvereinbare Vorstellungen davon, wer politische Macht haben soll. Letztlich geht es als Minister*in nicht mehr um Fachfragen, sondern um Führungsfragen - und da kann manchmal der fachliche Blick von außen hilfreicher sein - oder im Falle des Verteidigungsministeriums sogar demokratie-notwendig.

  • #6

    Jana (Dienstag, 24 August 2021 09:42)

    Sowohl beim Beitrag als auch bei allen Kommentaren irritiert mich, dass es nie um die Gewaltenteilung von Exekutive (Verwaltung, ausführende Gewalt) und Legislative (Parlament [Politiker], gesetzgebende Gewalt) als Grundlage der Demokratie nach Definition des Bundesverfassungsgerichts geht. (siehe Link: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16414/freiheitliche-demokratische-grundordnung)
    Demzufolge sind Minister und Ministerinnen ausschließlich der Exekutive verpflichtet und haben Sacharbeit zu leisten und politische Entscheidungen und Gesetze sachlich vorzubereiten (ggf. mehrere Vorschläge und nicht nur einer, wie derzeit), aber nicht darüber zu entscheiden. Dafür ist ausschließlich das Parlament zuständig. Verwaltungschefs sollten daher niemals gleichzeitig Politiker sein. Durch die derzeitige Verquickung der Ministerämter mit dem Parlament ist die Gewaltenteilung ausdrücklich nicht gegeben. Die Forderung nach Experten in Ministerämtern kann ich allein schon aufgrund meines Demokratieverständnisses daher nur unterstützen.

  • #7

    Achim (Montag, 30 August 2021 10:18)

    Ich finde die Überlegung, für ein Ministeramt eine "fachliche Qualifikation" vorauszusetzen, fatal. Ministerinnen und Minister müssen sich natürlich in die Thematik einarbeiten, aber für die Details haben sie die Fachleute in ihren Ministerien.
    Mein Demokratieverständnis besagt, dass Personen, die so ein Amt übernehmen, auch politisch-gesellschaftliche Vorstellungen haben und diese umsetzen wollen und auch sollen. Eine Vision, sozusagen. Aus der Sicht vieler Beobachter:innen ist die Bilanz in der Landwirtschaftspolitik nicht unbedingt besser, wenn ein Landwirt (oder eine Weinkönigin) das Amt bekleiden. Und aus Berliner Perspektive: Dass die Schulsenatorin vom Fach ist, merkt man nicht. Ich nehme aber einen eklatanten Mangel an Gestaltungs- und Durchsetzungsvermögen wahr.
    Das Gerede von der "Expertenregierung" ist im Kern undemokratisch, weil es a) die Parteiendemokratie und Politik allgemein diskreditiert und b) unterstellt, die "Experten" würden schon die einzig richtige Politik machen.