Karliczek: Arbeitsmarkt für Studierende hat sich erholt. Für die neue Legislaturperiode kündigt die Ministerin einen Bafög- Notfallmechanismus an.
JETZT IST ES OFFIZIELL: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) lässt die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende nach dem 30. September auslaufen, "planmäßig", wie es in der heute Nachmittag veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung von BMBF und Deutschem Studentenwerk (DSW) heißt.
Dass das Ministerium das Ende des Zuschuss-Programms vorbereitete, hatte sich in den vergangenen Wochen immer deutlicher abgezeichnet, doch hatte das BMBF sich bis heute bedeckt gehalten.
"Die Zahl der jungen Minijobber hat sich im Vergleich zum Vorquartal und im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesteigert", sagte Karliczek heute. Das passe auch zum allgemeinen Bild des Arbeitsmarktes, wie es das Statistische Bundesamt aktuell zeichne. "Der günstige Pandemieverlauf, der Impffortschritt sowie die herausragende Flexibilität vieler Studenten machen das möglich." Vor diesem Hintergrund sei die Zahl der Anträge auf Überbrückungshilfe zuletzt stark zurückgegangen, "und so haben wir uns gemeinsam mit dem DSW dazu entschieden, die Zuschüsse für Studierende in akuten pandemiebedingten Notlagen wie geplant Ende September 2021 auslaufen zu lassen." Karliczek betonte, die Einschätzung der Studierenden- und Studentenwerke vor Ort, die eigenverantwortlich über die Zuschüsse entschieden, sei in diese Entscheidung maßgeblich mit eingeflossen.
DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde bestätigte mit Blick auf den erholten studentischen Arbeitsmarkt, dass die Überbrückungshilfe aktuell nicht mehr den pandemiebedingten Wegfall von Jobs auszugleichen müsse. "Wir hoffen, dass diese positive Entwicklung auch im Wintersemester 2020/2021 anhält und kein weiterer Lockdown mehr nötig wird." Da sich Hochschulen auf ein Wintersemester mit hohem Präsenz-Anteil vorbereiten, benötigten die Studierendenwerke zudem diejenigen Beschäftigten, die inzwischen fünfzehn Monate lang die Überbrückungshilfe gestemmt hätten, wieder an ihren angestammten Arbeitsplätzen, "im BAföG-Amt, in der Sozialberatung, in der Wohnheimverwaltung".
Karliczek stellte in Aussicht, dass die Überbrückungshilfe reaktiviert werden könnte – "für den Fall, dass sich die Situation am studentischen Arbeitsmarkt wider Erwarten noch einmal deutlich verschlechtern sollte". Und sie wiederholte ihre vor einigen Wochen überraschend gemachte Ankündigung einer Bafög-Reform in der neuen Legislaturperiode – inklusive der Etablierung eines Nofallmechamismus als Vorsorgeinstrument, das im Bafög verankert werden solle.
Seit Mitte vergangenen Jahres haben insgesamt über 108.000 Studierende Gelder aus der Überbrückungshilfe erhalten, viele laut BMBF und DSW über mehrere Monate hinweg – wie sich aus der Zahl von insgesamt über 403.000 bewilligten Anträgen ergibt. Ausgezahlt worden seien bislang insgesamt fast 182 Millionen Euro, etwa ein Drittel der Geförderten seien internationale Studierende gewesen, die die Pandemie wirtschaftlich besonders hart getroffen habe. Neue Anträge sollen noch bis Ende September möglich sein.
Andreas Keller, Vizevorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) twitterte in einer erste Reaktion, die Überbrückungshilfe laufe "sang- und klanglos" aus. Keller fragte, auf welche Daten BMBF und DSW ihre Einschätzung stützten, dass sich der studentische Arbeitsmarkt merklich erholt habe? "Und wann bitte kommt der Notfallmechanismus im BAföG?"
Der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Brandenburg, nannte die Überbrückungshilfe eine viel zu späte und "nur unzureichende Antwort" auf die Pandemie-Not von Studierenden. Oft seien deren Anträge an Formalia gescheitert, etwa wenn die Kündigung eines Nebenjobs nicht ausdrücklich auf pandemiebedingte Gründe verwiesen habe. "Die Corona-Krise hat vor allem aber gezeigt, dass eine strukturelle Reform zu einem elternunabhängigen BAföG überfällig ist", betonte Brandenburg.
Die SPD habe schon lange einen Notfallmechanismus im Bafög vorgeschlagen, sagte ihr bildungspolitischer Sprecher, Oliver Kaczmarek. "Wenn Ministerin Karliczek nun vage in Aussicht stellt, diesen Notfallmechanismus irgendwann ins BAföG zu integrieren, ist das vor allem eines: unglaubwürdig. Das hätten wir schon vor eineinhalb Jahren haben können." Aber damals habe die Ministerin dies vehement abgelehnt – gegen den Rat "aller Verbände und Organisationen". Dass die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende ersatzlos auslaufe, während die pandemische Lage und damit verbundene andere Überbrückungshilfen verlängert würden, sei "enttäuschend", sagte Kaczmarek.
Die JUSO-Hochschulgruppen forderten unterdessen, den Notfallmechanismus noch vor der Bundestagswahl ins Bafög einzufügen.
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