Die Digitalisierung der Schulen hinkt immer noch ihren Zielen hinterher. Mittlerweile bewegt sich aber immerhin etwas.
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DIE ÜBERSCHRIFT der gemeinsamen Pressemitteilung hatte Satire-Charakter. "Tempo beim DigitalPakt Schule nimmt weiter zu", verkündeten Bundesbildungsministerium und Kultusministerkonferenz am Donnerstag.
Das war, nachdem zuerst das Handelsblatt gemeldet hatte, dass von den fünf Milliarden Euro des Kernprogramms bis 30. Juni gerade einmal 190 Millionen die Schulen erreicht hatten. Knapp vier Prozent. Nach zwei von fünf Jahren Laufzeit.
Das freche Narrativ mit dem Tempo bekommt man nur hin, wenn man zwei der drei seit Beginn der Corona-Krise hinzugekommenen Digitalpakt-Ergänzungen draufrechnet. 500 Millionen extra gab es für Schüler-Laptops, von denen die Länder schon 470 Millionen ausgegeben haben.
Vorher wurde das Schneckentempo
mit der Pandemie erklärt
Und weitere 500 Millionen für Lehrer-Leihgeräte, von denen auch schon 192 Millionen weg sind. Mit der Bilanz des eigentlichen Digitalpakts, der die digitale Infrastruktur der Schulen ertüchtigen soll, etwa über dringend benötigte Investitionen ins W-LAN, hat das öffentlichkeitswirksame Geräte-Shopping jedoch rein gar nichts zu tun.
Anfang des Jahres, da waren im Basis-Digitalpakt gerade erst 112 Millionen geflossen, hatten die Kultusminister das Schneckentempo noch mit der Pandemie erklärt, deren Bewältigung die Kräfte der Bildungspolitik gebunden habe.
BMBF-Chefin Anja Karliczek (CDU) sagte damals, man müsse "zwar noch Tempo machen, aber die Richtung stimmt jetzt". KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD) versprach gar eine "irre Aufholjagd".
Diesmal versuchten die beiden es mit der Nebelkerzen-Pressemitteilung und ein paar auffällig hilflosen Kommentaren. Ernst sagte, immerhin sei "deutlich mehr" Geld aus dem Digitalpakt abgerufen worden als im vergangenen Jahr.
Der erhoffte Schub
blieb erst einmal aus
Die Wirklichkeit ist allerdings womöglich noch ernüchternder: Kultusminister und BMBF hätten sich noch so sehr strecken können, am Kernproblem hätten sie vermutlich trotzdem kaum etwas geändert.
So hat das BMBF längst darauf verzichtet, dass die Schulträger wie ursprünglich vorgesehen (und durchaus sinnvoll!) erst langwierig pädagogische Konzepte erarbeiten müssen, bevor es Geld gibt. Jetzt wird schon vorher ausgezahlt, die Konzepte können im kommenden Jahr nachgereicht werden. Den erhofften Schub gebracht hat aber auch das nicht.
Warum? Weil das eigentliche Problem unser zunehmend in seinen verschachtelten Zuständigkeiten gefangenes Staatswesen ist – angereichert um einen Bürokratismus, der die Komplexität seiner Prozesse zum Äußersten getrieben hat.
Hierbei handelt es sich ausnahmsweise einmal nicht um eine dem Bildungsföderalismus vorbehaltene Schieflage, wie dramatisch verzögerte öffentliche Bau-Großprojekte zeigen, das über Jahre kleckerweise Abfließen des milliardenschweren Breitband-Ausbauprogramms des Bundes oder – in jüngster Zeit und besonders dramatisch – das Pandemie-Management von Bund und Ländern.
Schwieriger Kampf
für einen agileren Staat
Wenn diese Bestandsaufnahme stimmt, dann hätten Karliczek und die Kultusminister in Sachen Digitalpakt nur eine Wirkmächtigkeit vorgegaukelt, die sie in Wahrheit nie hatten. Was es nicht wirklich besser machen würde – denn gegen persönliche Trödelei oder Unfähigkeit lässt sich viel leichter etwas ausrichten als im Kampf für einen agileren Staat. Der aber, soviel ist klar, zur Kernaufgabe der nächsten Bundesregierung gehören wird.
Positiv ist, dass mittlerweile weitere 1,4 Milliarden Euro Digitalpakt-Mittel bewilligt sind. Wie viel davon für Infrastruktur sind, teilte das BMBF nicht mit, aber es muss die große Mehrheit sein. Es bewegt sich also durchaus etwas. Mit Ach und Krach könnte so doch bis 2024 ein Großteil des Geldes ausgezahlt werden. Dann würde es wenigstens nicht verfallen.
An der Erkenntnis, dass dann acht Jahre seit der ersten Ankündigung der fünf Milliarden vergangen sein werden, zwei Grundschüler-Generationen, ändert das nichts.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.
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