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Es geht weiter runter – aber

Der bundesweite Corona-Trend verbirgt, dass derzeit mindestens vier Entwicklungen parallel laufen. Was das für die nächsten Wochen bedeutet, ist unklar: meine wöchentliche Analyse.

DER TREND SETZT SICH FORT. Noch. Heute Morgen registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) eine bundesweite Inzidenz von 375,0 gemeldeten Corona-Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen. Ein Rückgang um 57,2 Punkte gegenüber vergangenem Dienstag. Was -13,2 Prozent entspricht. Gegenüber dem vorgegangenen Dienstag (452,2) stehen sogar 77,2 Inzidenz-Punkte weniger auf dem Corona-Zähler.

 

Meine Prognose eines kräftigen Rückgangs, die ich vergangenen Dienstag abgegeben hatte, hat sich damit bewahrheitet. Allerdings war ich von etwa -20 Prozent ausgegangen – unter der Voraussetzung, dass sich das Momentum der drei Wochen zuvor mit immer weiter abflachenden Wachstumsraten fortsetzt. 

 

Dass es innerhalb der vergangenen sieben Tage nicht ganz so stark herunterging, ist das erste Signal, das skeptisch stimmt. Das zweite: Es gab seit vergangenem Dienstag in drei Ländern im Norden einen nicht starken, aber doch merklichen Zuwachs der Corona-Infektionen. Dreht sich da gerade etwas?

 

Immerhin: Das Online-Portal Risklayer, das meist die aktuelleren Zahlen bereithält, wies für gestern sogar ein Minus von 27,9 Prozent bei den gemeldeten Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche aus. Die Frage ist, ob der starke Rückgang noch durch die  jüngsten Meldeprobleme aus Niedersachsen beeinflusst wurde. Nun aber der Reihe nach.

 

Zwölf Bundesländer im Minus,
vier Bundesländer im (leichten) Plus

 

Der bundesweite Inzidenz-Rückgang verteilte sich in den vergangenen sieben Tagen ungleich über die Bundesländer, wobei die Bandbreite nicht sehr groß war. Der positive Abweichler: Bayern – mit einem Minus von 138 Inzidenz-Punkten (26,5 Prozent) im Vergleich zum vergangenen Dienstag. Ebenfalls stark sinkende Zahlen meldeten Baden-Württemberg (429,4; -16,9 Prozent), Rheinland-Pfalz (269,9;-16,9 Prozent) und Sachsen (916,9;-15,3 Prozent). Bis auf Rheinland-Pfalz alles Bundesländer, die zuletzt ganz oben im nationalen Inzidenz-Vergleich standen. Bayern hat es jetzt fast zum deutschen Schnitt zurückgeschafft; Sachsen hat seine Rate gemeldeter Neuinfektionen innerhalb von 14 Tagen um rund 350-Inzidenz-Punkte gedrückt und die rote Laterne an Thüringen abgegeben. 

 

Deutlicher im Minus waren heute im Vergleich zum vergangenen Dienstag auch das Saarland (-11,3 Prozent auf 356,0), Sachsen-Anhalt (-10,0 Prozent auf 816,7), Nordrhein-Westfalen (-9,8 Prozent auf 267,9), Berlin (-8,6 Prozent auf 307,8) und Hessen (-8,3 Prozent auf 247,6). Leichte Rückgänge gab es in Niedersachsen (-4,5 Prozent auf 187,1), Thüringen (-3,8 Prozent auf 984,1), Mecklenburg-Vorpommern (-1,9 Prozent auf 432,5).

 

Minimal höher im Vergleich zum vergangenen Dienstag liegt die Inzidenz-Rate in Brandenburg (+0,9 Prozent auf 642,6), deutlicher im Plus befinden sich Hamburg (+6,3 Prozent auf 231,6), Bremen (+6,6 auf 229,8) und Schleswig-Holstein (+9,2 Prozent auf 160,4). 

 

Gegenlaufende
Trends?

 

Derzeit lässt sich die Entwicklung in mindestens vier Linien unterteilen. Erstens: Mehrere Hochinzidenz-Länder verzeichnen teilweise kräftige Rückgänge. Wegen der vergleichsweise strengeren Corona-Maßnahmen?

 

Zweitens: Bemerkenswert ist, dass auch einige Bundesländer im Westen (trotz zuletzt nicht überdurchschnittlicher Inzidenzen) eine spürbar nachlassende Dynamik aufweisen: Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hessen.

 

Drittens: Drei ostdeutsche Bundesländer tun sich weiter schwer, die hohen Corona-Inzidenzen in den Griff zu bekommen: vor allem Brandenburg und Thüringen, aber auch Mecklenburg-Vorpommern.

 

Viertens: Die gegen den Bundestrend deutlichen Wachstumsraten in den drei Nord-Ländern Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein fallen auf. Nur ein paar Ausreißer? Schaut man genauer in die Zahlen dieser Bundesländer, wird deutlich, dass dort die gemeldeten Neuinfektionen bei den unter 15-Jährigen überdurchschnittlich zulegen und ihr Anteil an allen Neuinfektionen innerhalb eines Monats von 21,8 auf 24,8 Prozent gestiegen ist – mit einem Sprung um 1,3 Prozentpunkte allein in der vergangenen Kalenderwoche.

 

Dass der relative Anteil der (mehrheitlich noch ungeimpften) Kinder und Jugendlichen an den neuen Corona-Fällen auch bundesweit wieder steigt (auf aktuell 20,0 Prozent), nachdem er seit dem Sommer lange zurückgegangen war, ist angesichts der Booster-Offensive bei den Erwachsenen erwartbar und eigentlich sogar positiv – zeigt sich daran doch die Wirkung der Booster. Nur steigen die Corona-Fälle in den Nord-Ländern eben auch absolut gesehen – in allen Altersgruppen, besonders aber bei den Jüngsten.

 

Kommt die nächste (Omikron-) Welle aus dem Norden? Diese Frage stellt sich auch mit Blick auf die jüngste Entwicklung in Dänemark, Norwegen oder Großbritannien. Es wäre interessant, die unterschiedlichen Omikron-Anteile in den einzelnen Bundesländern zu kennen, und zwar im Sinne einer Vollerhebung aller bestätigten Corona-Infektionen. Doch davon sind wir weit entfernt – mehr dazu siehe unten. 

 

Bislang keine Entspannung
in den Krankenhäusern

 

Das ist noch eine Entwicklung, die im Auge zu behalten ist: Obwohl die gemeldeten Neuinfektionen bei den über 60-Jährigen nun schon seit über zwei Wochen zurückgehen (in der vergangenen Kalenderwoche um über ein Fünftel im Vergleich zu zwei Wochen davor), dreht die Zahl der auf den Intensivstationen aufgenommen Corona-Infizierten immer noch nicht klar ins Minus. Gestern wurden dort 4.926 Patienten registriert, zwei Prozent mehr als in der Vorwoche. Hier lag ich denn auch mit meiner Prognose (ich hatte vergangene Woche einen Rückgang auf 4.500 erwartet) daneben. Der zeitliche Verzug ist bereits relativ groß.

 

Entweder geht es jetzt demnächst richtig los mit dem Minus, oder aber es gibt zwei Möglichkeiten: Nummer 1: Der gemeldete Inzidenz-Rückgang ist doch nicht so belastbar, wie es unter anderem auch der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einschätzt. Nummer 2: Aus irgendwelchen Gründen steigt der Anteil der schweren Fälle an den Neuinfektionen. Doch das sind Spekulationen –  wahrscheinlicher ist, dass es in den nächsten Tagen mit zeitlichem Verzug doch noch zu dem prognostizierten Rückgang der Intensiv-Patienten kommt. 

 

Über die Lage auf den Normalstationen lässt sich übrigens wieder einmal kaum Belastbares sagen, das geben die RKI-Zahlen nicht her. Allerdings sieht es tendenziell nach einer Stabilisierung auf hohem Niveau aus. Und relativ gesehen sank der Anteil der über 60-Jährigen an allen Krankenhauseinweisungen in der vorvergangenen Kalenderwoche um 2,2 Prozentpunkte auf immer noch sehr hohe 65,1 Prozent. Nur sind auch diese – jüngsten – Datenbankzahlen des RKI wie immer mit Vorsicht zu genießen. 

 

Und was
macht Omikron?

 

Ich werde mich an dieser Stelle nicht an den Überhand nehmenden Debatten und Unkereien beteiligen. Die Datenlage ist weiter schwach, in Deutschland erst recht. Was nach fast zwei Jahren Pandemie nicht mehr nur ärgerlich, sondern unverständlich und empörend ist. Erneut starren wir nach Großbritannien oder Dänemark, um erkennen zu können, wie schlimm die neue Virusvariante sich auch in Deutschland auswirken wird. Weil die Bundesrepublik bis heute weder ein repräsentatives Corona-Panel etabliert hat, das alle Debatten über überlastete Testkapazitäten, Meldeverzüge und sonstige Verzerrungen durch Testhäufigkeiten obsolet machen würde. Noch hat Deutschland dieselben Möglichkeiten, in der Breite und Routine auf Virusvarianten zu testen wie mittlerweile ziemlich viele andere Länder. Überhaupt ist das Test-System hierzulande stark unterdurchschnittlich entwickelt: Andere Staaten in Europa haben vor allem deshalb höhere Inzidenzen, weil sie viel breiter testen.  Zu erkennen an den niedrigeren Positivraten und daran, dass pro Inzidenzpunkt die Zahl der Intensivpatienten und Todesfälle zum Teil um den Faktor vier niedriger ist als in Deutschland – siehe wiederum Dänemark zum Beispiel. 

 

Löst Omikron weniger schwere Fälle aus, rauscht dafür aber in Rekordtempo durch die Bevölkerung, vor allem durch die komplett ungeimpfte, also die Kinder und Jugendlichen? Möglich, denkbar. Die Wahrheit ist aber: Wir wissen immer noch nicht genau, was Omikron macht und was nicht. Deshalb plädiere ich für Nüchternheit und Vorsicht. Und dafür, sollten zusätzliche Maßnahmen nötig werden, bitte nicht wieder bei den Kindern anzufangen. Diesmal sind die Erwachsenen sind gefordert, die Jüngsten zu schützen. Indem sie sich impfen und boostern lassen. Indem sie auf umso mehr Teilhabe verzichten, damit die Kinder und Jugendlichen weiter zur Kita und zur Schule gehen können. 



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Kommentare: 1
  • #1

    Gerald Jimmer (Dienstag, 14 Dezember 2021 15:54)

    Der neulich erschienene Beitrag zur "Trägheit im System"
    hatte mir erst einmal nicht gefallen. In Verbindung mit dem aktuellen Eintrag habe ich jedoch meine Meinung geändert.
    Covid-19 ist ein extrem dynamischer Prozeß. Insofern kann
    man wohl kaum Sinnvolleres haben als die wöchentlichen,
    differenzierten Betrachtungen von Dr. Wiarda. Betr. der
    Omikron-Mutation kann man bei den (z.T. unsäglichen) Beobachtungen in D'land wohl nichts anderes tun, als zu
    beobachten und "intelligente Adaption" (um einen klugen
    Begriff von Heinz Bude aus Kassel zu nutzen). zu betreiben.
    Herr Wiarda: Bleiben Sie krtisch, dynamisch und - wenn
    angebracht - gern auch "träge". Man liest ja auch, daß Sie
    Irrtümer einräumen,