Hamburgs Bildungssenator Rabe über den Ferienstreit in der KMK, vorgezogene Weihnachtsferien und die Frage, wie es im neuen Jahr an den Schulen weitergeht.
Zu viel Rücksicht auf die heimische Tourismuswirtschaft? Pädagogisch sei ein so langer Sommerferien-Korridor nicht sinnvoll, sagt Ties Rabe. Foto: MIH83 / Pixabay.
Herr Rabe, Bayern und Baden-Württemberg sind traditionell die einzigen Länder, die bei den Sommerferien-Terminen nicht rotieren müssen. Als Ministerpräsident Söder 2019 eine Neuordnung der Ferientermine ablehnte, haben Sie gesagt, dieser Schuss werde nach hinten losgehen. "Jetzt wird jedes Land genau wie Bayern die Sommerferien im Alleingang festlegen." Und sie fügten hinzu: "Viel Spaß auf den langen bayerischen Autobahnen." Zwei Jahre später haben sich die Kultusminister doch auf eine gemeinsame neue Ferienregelung geeinigt. Zufrieden?
Für mein Bundesland Hamburg bin ich zufrieden.
Für Hamburg?
Hamburg hatte das Ziel, künftig nicht mehr im Juni, sondern frühestens im Juli in die Sommerferien zu starten. Mit dieser Forderung konnten wir uns durchsetzen. Das war uns wichtig, denn die neuen gemeinsamen Abiturtermine bedeuten für Länder mit traditionell frühem Ferienbeginn wie Hamburg eine extrem kurze und hektische Abiturphase. Zudem haben wir als einziges Bundesland mit frühem Ferienbeginn auch noch Maiferien, die den Abitur- und Prüfungszeitraum weiter begrenzen.
Auch Berlin hat sich den Juli auf Dauer gesichert. Während Bayern und Baden-Württemberg weiter jedes Jahr als letzte in die Ferien gehen dürfen. Das heißt: Der Druck zu rotieren wurde einfach noch stärker auf andere Länder verschoben.
Ich habe mich für eine faire Regelung für alle starkgemacht. Leider sind Bayern und Baden-Württemberg seit Jahrzehnten unsolidarisch und beanspruchen als einzige Länder für sich das Privileg, nicht wie die anderen in einem 80-Tage-Zeitraum zu rotieren, sondern verlässlich im August und September Ferien zu haben. Und wenn Bayern und Baden-Württemberg keine Kompromissbereitschaft zeigen, dann muss jedes Land selbst sehen, wo es bleibt.
Ties Rabe (SPD) ist Gymnasiallehrer und seit 2011 Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung. Foto: Daniel Reinhardt / Senatskanzlei Hamburg.
Das klingt nicht gerade solidarisch.
Ich wäre gern solidarisch gewesen. So aber konnte ich nur dafür werben, dass die anderen Länder die besondere Situation Hamburgs mit den Maiferien anerkennen. Das haben sie getan, worüber ich mich freue.
Berlin hat keine Maiferien, hat sich aber trotzdem dasselbe Recht herausgeholt.
Ich kann hier nur für Hamburg sprechen.
Insgesamt stellt sich der Eindruck ein, dass bei dem Thema in der KMK ziemlich viele Ellbogen eingesetzt worden sind. Kein Ruhmesblatt für den Bildungsföderalismus?
Das liegt weniger an den Kultusministern, die wären schnell einig gewesen. Es sind vielmehr die wirtschaftlichen Interessen der Urlaubsländer, die eine Einigkeit erschweren. Länder wie Mecklenburg-Vorpommern, Bayern oder Schleswig-Holstein legen Wert darauf, dass sich die Sommerferien der 16 Bundesländer gestaffelt über einen möglichst langen Zeitraum erstrecken, um die heimische Tourismuswirtschaft zu stützen. Das sind sicher legitime Interessen, aber mit Bildungsförderalismus hat das wenig zu tun.
"Pädagogisch macht es keinen Sinn, dass die
Sommerferien über fast drei Monate gestaffelt sind."
Immerhin haben Sie sich als KMK darauf verständigt, den Zeitraum von derzeit 85 auf 80 Tage leicht zu verkürzen. Nur 2029 sollen es 89 Tage sein.
Pädagogisch macht es keinen Sinn, dass die Sommerferien in Deutschland versetzt über einen Zeitraum von fast drei Monaten gestaffelt sind. Das schadet eher der Angleichung im Bildungswesen. Als Kultusminister sind wir uns zumindest in dieser Einschätzung einig. Aber wir gestalten die Politik nun mal nicht allein, da reden auch viele andere mit.
Nicht einig sind Sie sich im Moment auch, was den Beginn der Weihnachtsferien betrifft. Einige ihrer Kollegen, darunter die amtierende KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD), haben angekündigt, dass sie die Weihnachtsferien vorziehen.
"Vorgezogenen Weihnachtsferien" ist ein irreführender Begriff, in Wahrheit sind das Schulschließungen. Ich bedaure, dass es dazu gekommen ist, ich weiß aber auch, dass die Infektionsraten und die politischen Friktionen in einigen Bundesländern sehr schwierig sind. Da spielt neben den Infektionszahlen auch der Druck von Medien, Landtagsabgeordneten, Lehrerverbänden und Landräten eine Rolle.
Verstoßen die Bundesländer, indem sie zusätzliche Ferientage erfinden, gegen das erst vergangenes Jahr geschlossene KMK-Bildungsabkommen, demzufolge die Schulferien jährlich maximal 75 Tage umfassen dürfen?
Nein, denn wir sollten nicht so tun, als befänden wir uns in normalen Zeiten. In der Corona-Pandemie findet auch ein grundsätzliches Ferienabkommen seine Grenzen.
Geht die Schule nach den Weihnachtsferien in Vollpräsenz weiter?
Ich hoffe es sehr. Die Infektionszahlen gehen tendenziell zurück. Das zeigt, dass der Schulbetrieb mit den neuen Sicherheitsmaßnahmen auch in der aktuellen pandemischen Lage aufrechterhalten werden kann.
"Wenn sich die Infektionslage nicht dramatisch verschlechtert, kann man die Schulen nicht nur pünktlich nach den Weihnachtsferien öffnen. Man muss."
Welche neuen Sicherheitsmaßnahmen meinen Sie?
Im letzten Winter 2020/2021 hatten wir an den Schulen noch keine Schnelltests, es gab auch keine Impfangebote und keine Impfungen. Letztere gibt es inzwischen sogar für die Kinder. Vor einem Jahr wurde auch die Maskenpflicht längst nicht überall so konsequent angewendet wie jetzt. Insofern haben wir deutlich bessere Sicherheitsmaßnahmen als damals.
Vor einem Jahr haben Sie aber auch schon gesagt, die Schulen seien "relativ sichere Orte" in der Pandemie.
Im Verhältnis zu anderen Orten des öffentlichen Lebens war das damals richtig, heute gilt es erst Recht. Denn heute sind die Schulen noch sicherer als vor einem Jahr.
Sie finden also immer noch, dass Ihr Satz von damals berechtigt war?
Ja, auch wenn ich weiß, dass es in der Pandemie keine 100-prozentig sicheren Orte gibt. Auch Schulen sind nicht lückenlos sicher. Doch Deutschland geht mit seiner Politik der Schulschließungen im europäischen Vergleich einen Sonderkurs zu Lasten von Kindern und Jugendlichen. Ein Beispiel: Frankreich hat sehr früh ab 18 Uhr Ausgangssperren verhängt, aber die Schulen lange offen gehalten. Deutschland verfährt umgekehrt: Wegen der verhältnismäßg geringen Infektionsrisiken in den Schulen schließen wir Schulen, die wesentlich höheren Infektionsrisiken im Freizeitbereich nehmen wir dagegen in Kauf. Das zeigt die unterschiedlichen Prioritäten. Zurück zu Ihrer Ausgangsfrage: Wenn sich die bundesweite Infektionslage nicht dramatisch verschlechtert, kann man die Schulen nicht nur pünktlich nach den Weihnachtsferien öffnen. Man muss.
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