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Ein neuer Ton

Die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zieht eine schonungslose Bafög-Bilanz und kündigt eine umfassende Reform an. Inhaltlich wenig überraschend. Doch die Klarheit und Entschlossenheit stimmen hoffnungsvoll.

BITTE MEHR DAVON. Zwei Wochen ist Bettina Stark-Watzinger (FDP) Bundesbildungsministerin, und sie setzt auf Anhieb Akzente. Von Tag eins engagierte sie sich mit Nachdruck und großer öffentlicher Wirkung gegen flächendeckende Schulschließungen – auch wenn sie zuletzt wegen Omikron etwas vorsichtiger klang. Jetzt hat sie eine Bafög-Reform angekündigt, die es in sich hat. 

 

Zwar entsprach das, was Stark-Watzinger gestern skizzierte, im Wesentlichen den Vorgaben des Ampel-Koalitionsvertrages, war also inhaltlich kaum überraschend. Doch bemerkenswert war die Entschlossenheit in Problembeschreibung, Wortwahl, Tempo, das die neue Ministerin auf wohltuende Art von ihrer Vorgängerin Anja Karliczek unterscheidet.

 

Die hatte das Eingeständnis, dass die letzte Bafög-Reform in ihrer Wirkung unzureichend und nahezu verpufft war, selbst dann noch gescheut, als alle dementsprechenden Fakten längst auf dem Tisch lagen. Klar, Karliczek hatte auch nicht die Unterstützung von Regierungsfraktionen im Rücken, die die große Reform unbedingt wollen. Aber zudem konnte man den Eindruck gewinnen, dass auch sie einfach nicht wollte.

 

Stark-Watzinger, soviel ist klar, will. Sie nutzte die Vorstellung des noch von der alten Bundesregierung erarbeiteten Bafög-Berichts, um den "kontinuierlichen Rückgang der Gefördertenzahlen" von 782.000 auf 639.000 zwischen 2017 und 2020 als solchen zu benennen und zu erklären, diesen könne man nicht "hinnehmen." Jeder und jede solle studieren oder eine schulische Berufsausbildung machen können, "wenn er oder sie das möchte. Ich möchte dem Bafög deshalb so schnell wie möglich einen Schub geben."

 

Das kurzfristig Machbare sofort, die
grundsätzlichen Strukturreformen gründlich hinterher

 

Dafür müsse die Ausbildungsförderung  "dringend attraktiver, moderner und flexibler werden". Dann zählte die neue Ministerin auf, was der Koalitionsvertrag alles vorgebe: "Wir wollen das BAföG weiter öffnen, vor allem durch eine Anhebung der Freibeträge. Zudem wollen wir es elternunabhängiger, einfacher und digitaler machen." Um Studierende aus sozial schwachen Familien stärker zu unterstützen, werden wir Starthilfepakete einführen." Das alles werde man anpacken.

 

Alles bereits bekannt und von Bildungsexperten lobend begrüßt. Doch macht Stark-Watzinger gleich hohes Tempo: Die Regierung werde "erste wichtige Schritte schon zum Wintersemester 2022/23 umsetzen. Das sind wir den jungen Menschen schuldig, deren Zugang zu Bildung und Ausbildung gerade in Pandemiezeiten gestärkt werden muss."

 

Schlau auch, dass sie Schnelligkeit und Gründlichkeit kombiniert, indem sie das kurzfristig Machbare sofort angeht, die grundsätzlichen Strukturreformen aber von ihrem Ministerium von längerer Hand vorbereiten lässt. Auch das hatten Experten genauso vorgeschlagen.

 

Die ebenfalls gestern angekündigte Verlängerung der Zinsbefreiung des KfW-Studienkredits bis zum Ende September 2022 ist demgegenüber Pflicht, alles Andere wäre angesichts der sich erneut verschärfenden Corona-Lage unverständlich gewesen. 

 

Bitte mehr davon: mehr von dieser Klarheit und Entschlossenheit, die Stark-Watzinger zeigt. Jetzt ist sie noch relativ einfach, weil sie lediglich die Versäumnisse der Vorgängerregierung aufarbeitet. Aber der neue Ton, den die neu Bundesbildungsministerin anschlägt – problembewusst, präzise, zupackend, aber nicht aktionistisch – wird aus dem BMBF jetzt hoffentlich häufiger zu hören sein.



"Den warmen Worten müssen Taten folgen"

Der Bafög-Bericht zeige, "dass die Anhebungen der Freibeträge und Bedarfsätze mit dem 26. BAföG-Änderungsgesetzt von 2019 nicht ausreichend waren, um eine Trendwende bei den Gefördertenzahlen einzuleiten", teilt das BMBF weiter mit. Die Gefördertenquote bei den Studierenden sei im Berichtszeitraum von 21,4 Prozent 2017 auf 18,5 Prozent im Jahr 2020 kontinuierlich gesunken.

 

Die durchschnittlichen Förderungsbeträge im Berichtszeitraum für Studierende stiegen dagegen von 464 Euro auf 574 Euro gestiegen (+23,5 Prozent), für Schülerinnen und Schüler von 435 Euro auf 503 Euro (+16 Prozent).

 

Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Matthias Anbuhl, sagte, die Ampel-Koalition habe den enormen Handlungs- und Reformdruck beim Bafög erkannt, und wolle, wie im Koalitionsvertrag dargelegt, "die richtigen Stellschrauben angehen". Die neue Bundesregierung wolle einen Bildungsaufbruch, "und sie will als Schlüssel dazu das BAföG kräftig erhöhen und grundlegend reformieren."

Die linke Hochschupolitikerin Nicole Gohlke sagte, die Ankündigungen der neuen Bildungsministerin seien "schön und gut, doch den warmen Worten müssen Taten folgen." Sie habe große Sorge, dass das "Bafög-Desaster" weiter ausgesessen werde, sagte Gohlke, die zugleich stellvertretende Vorsitzende der linken Bundestagsfraktion ist.

 

Das Bafög müsse wieder zur Vollförderung gemacht werden. "Vor der Wahl hatte die SPD angekündigt, den Darlehensteil streichen zu wollen. In seiner Regierungserklärung dampfte Bundeskanzler Olaf Scholz dieses Versprechen zu einer Möglichkeit ein, die geprüft werde." Das sei "ein Vertrauensbruch sondergleichen".

 

Die Verlängerung der KfW-Zinsfreiheit sei eine Neuauflage der "Schuldenfalle"..  "Was FDP und Grüne bei der Groko noch kritisierten, ist nun doch gut genug, um die Studierenden abzuspeisen. Kredite und Almosen sind keine Hilfen", sagte Gohlke. Eine unkomplizierte Öffnung des BAföG ist jetzt nötig, bevor der nächste Lockdown kommt und wieder Nebenjobs wegfallen."



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Kommentare: 1
  • #1

    Roman Drebenbeck (Freitag, 24 Dezember 2021 13:50)

    Vielleicht braucht die Frau Stark-Watzinger ja noch eine
    fähige Staatssekretärin. In Thüringen ist gerade eine solche
    frei geworden.