Im Dezember startet die nächste Runde in der Exzellenzstrategie.
Bund und Länder verhandeln über neue Spielregeln –
das nächste Mal schon am Montag in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Was sich ändern könnte.
Weichenstellung in der Exzellenzstrategie. Welchen Weg wir der Wettbewerb nehmen?
AM 15. DEZEMBER 2022 geht es wieder los. Das ist der Tag, an dem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Ausschreibung für neue Clusterskizzen veröffentlicht. Bis zum 31. Mai 2023 haben die Universitäten dann Zeit, Farbe zu bekennen: Stürzen sie sich in die nächste Runde des Wettbewerbs um Exzellenztitel und Millionenfördergelder? Welche Partner finden sich zusammen? Was sind die angesagten Forschungsthemen? Gelingt es, die Bewerbung einiger Dutzend Forscher zu einer Bewerbung der gesamten Hochschule zu machen?
Auch die Politik ist unter Druck. Als 2005 die Exzellenzinitiative gestartet wurde, wurde sie begleitet von der Faszination des Unbekannten. Es war die Zeit der Liberalisierung der Hochschulgesetze, von Diskursen über Hochschulautonomie und globales Benchmarking. Und als elf Jahre später die erste Runde der Exzellenzstrategie begann, herrschte erneut Aufbruchsstimmung. Bund und Länder hatten einen neuen Vertrag geschlossen, das Ziel: einige Universitäten auf Dauer in die erste internationale Forschungsliga zu befördern.
Doch seitdem hat sich die Stimmung gedreht. Die Hochschulen diskutieren über ihre Rolle in der gesellschaftlichen Transformation und über "Transfer". Es wird gestritten über prekäre Arbeitsbedingungen, transparentere Karrierewege und Forderungen an die Politik, den Universitäten wieder mehr Vorgaben zu machen. Wer "Exzellenz" sagt, bekommt schon einmal Vorwürfe zu hören, er nähre mit dem Wort nur die Illusion wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit, um zugleich die eigentlichen akademischen Missstände zu übertünchen.
Das Exzellenz-Erbe
Hinzu kommt: Weil ein Wettbewerb automatisch Gewinner und Verlierer produziert, müssen auch die Unterlegenen bereit sein, seine Sinnhaftigkeit und Regeln zu akzeptieren. Gelingt es, der Exzellenzstrategie noch einmal die breite Akzeptanz an den Universitäten zu verschaffen, die sie braucht? Welche Veränderungen am Wettbewerb sind dafür nötig? Und haben die heutigen Wissenschaftsminister überhaupt noch das Interesse und die Kraft, das Exzellenz-Erbe ihrer Vorgänger gegen politische Vereinnahmungen zu verteidigen und zugleich bei ihren Finanzkollegen die nötigen Zusatzmillionen locker zu machen?
Fragen, die es allesamt in den nächsten Monaten zu klären gilt. Und der Zeitplan dafür zeichnet sich ab. Am 1. Februar trifft sich der Ausschuss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), hohe Ministerialbeamte aus Bund und Ländern, um die Abfolge der Entscheidungen bis Herbst festzulegen. Der Vorschlag an ihre Chefs, die Wissenschaftsminister: Einen ersten Entwurf für die Änderung der Bund-Länder-Vereinbarung zur "ExStra" soll es bis zur GWK-Ministersitzung am 1. Juli geben, die endgültige Fassung soll dann in der Sitzung am 4. November beschlossen werden.
Was voraussetzt, dass es zwischendurch nicht zu viel Querschüsse aus den Reihen der Ministerpräsidenten gibt, die das Ganze noch unterschreiben müssen. Und auch wenn die Vereinbarung bis zum 4. November unter Dach und Fach ist, bleiben nicht einmal sechs Wochen, um die Clusterskizzen-Ausschreibung anzupassen.
Status Quo und vier Szenarien
Der enge Zeitplan trifft auf eine Vielzahl von Grundsatzfragen, die ungeklärt sind bislang. Die Vorlage an den GWK-Ausschuss fasst sie auf fünf optimistisch "Eckpunkte" genannten Seiten zusammen. Erarbeitet hat sie eine im Oktober 2021 eine eigens zu diesem Zweck eingesetzte Adhoc-Arbeitsgruppe.
Dabei unterscheiden die Ministerialbeamten zwischen einem Basis-Szenario ("Status Quo") und drei unterschiedlich weitreichenden Formen der Weiterentwicklung.
"Status Quo": (Fast) alles bleibt, wie es ist und wie die 2015 geschlossene Bund-Länder-Vereinbarung es vorsieht, denn die bestimmte ja gerade, dass der Wettbewerb auf Dauer in einer Runde nach der anderen angelegt ist. Auch zusätzliches Geld oder mehr Exzellencluster wären hier nicht vorgesehen – außer für die bis zu vier weiteren Exzellenzuniversitäten, die Bund und Länder auf Druck von Hamburgs damaligem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz für die zweite ExStra-Runde vorgesehen hatten. Was laut GWK-Eckpunkten bis zu 96 Millionen Euro pro Jahr mehr kosten würde.
"Szenario 2": Immer noch keine zusätzlichen Cluster, aber zusätzliches Geld für die Auslauffinanzierung "nicht fortgesetzter Förderfälle" sowohl bei den Clustern als auch in der Förderlinie "Exzellenzuniversitäten". Die Bund-Länder-Vereinbarung sah eine degressive Auslauffinanzierung bereits vor, wollte das Geld dafür aber aus den bestehenden ExStra-Millionen herausnehmen. Weil das ein Zehren von der Substanz wäre, würden Bund und Länder für auslaufende Cluster und Exzellenzuniversitäten jeweils einmalig 64 Millionen Euro zuschießen. Ohne die Bund-Länder-Vereinbarung anzutasten, ginge das über eine Sonderfinanzierung.
Eine Berücksichtigung der "politischen Debatte"?
Ebenfalls zu diesem kleinen Veränderungsszenario 2 könnte laut Eckpunkten eine Berücksichtigung der "politischen Debatte" gehören, namentlich "eine Erhöhung der Bandbreite von Clusterinitiativen und Kooperationen".
Was damit gemeint ist, beschreibt die Adhoc-Arbeitsgruppe als den Vorschlag, "eine größere Bandbreite an Clusterinitiativen in Bezug auf deren Größe (insbesondere mehr kleine und mittelgroße Clusterinitiativen) zu erzielen und einzelne Wissenschaftsbereiche, wie die Geistes- und Sozialwissenschaften, sowie inter- und multidisziplinäre Clusterinitiativen besser und gezielter zur Antragstellung zu ermuntern. Außerdem wurde diskutiert, Kooperationen von Universitäten untereinander bzw. mit Forschungseinrichtungen auch an unterschiedlichen Standorten bzw. auch über die Ländergrenzen hinweg (Stichwort: verteilte Exzellenz) ohne eine formale gemeinsame Antragstellung als Universitätsverbund stärker zu fördern."
Formulierungen, die zeigen, das der Arbeitsgruppe selbst noch nicht so klar ist, was das hier Geforderte genau bedeuten würde und wie es zu bewerkstelligen wäre, ohne das Prä der Wissenschaft bei allen Auswahlentscheidungen einzuschränken. Gleichzeitig ist aber die Erwartung einiger MinisterInnen, dass sich etwas ändern muss, sehr hoch.
Die Themen "kleinere und mittlere Clusterinitiativen" und "verteilte Exzellenz" pushte besonders die SPD-Seite, allen voran Manja Schüle aus Brandenburg und Bettina Martin aus Mecklenburg-Vorpommern; die "gezieltere Ermunterung" (was auch immer das sein sollte) einzelner Wissenschaftsbereiche wurde von den Grünen eingebracht und geht vor allem auf eine Initiative von Angela Dorn aus Hessen zurück, wo das schwache ExStra-Abschneiden der sozialwissenschaftlich orientierten Goethe-Universität Ärger und Debatten verursacht hatte.
Sowohl Schüle als auch Dorn saßen in den Verhandlungsteams ihrer Parteien für den Ampel-Koalitionsvertrag. Entsprechend steht darin auch der Satz: "Wir stärken Verbünde, Anträge für kooperative und interdisziplinäre Exzellenzcluster zu erarbeiten, die im Wettbewerb gleichberechtigt behandelt werden."
Gegenwind aus dem ExStra-Expertengremium
Derweil fürchtet das ExStra-Expertengremium offenbar den politischen Druck und hält dagegen. In einer Stellungnahme für die GWK betonten die Wissenschaftler im Dezember, schon die vorhandene Vielzahl und Breite an Kooperationsmöglichkeiten "innerhalb der Exzellenzstrategie im Sinne einer gewinnbringenden Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes Deutschland" offerierten "hervorragende Rahmenbedingungen". Über diese würden DFG und Wissenschaftsrat die Antragsteller vor der zweiten Förderrunde noch gezielter informieren.
Ob das der Politik reichen wird? Für das "Szenario 2" müsste es das, denn es soll laut Eckpunkten ohne Veränderung der Bund-Länder-Vereinbarung auskommen.
Anders bei "Szenario 3", für das die Eckpunkte explizit eine Veränderung der ExStra-Spielregeln vorsehen. Und zwar in mehrfacher Hinsicht: So könnte für das Bandbreiten-Ziel der Fördergegenstand "Exzellenzcluster" um das neue Konstrukt "kooperative Exzellenzcluster" ergänzt werden, referiert die Adhoc-Arbeitsgruppe. Auch könnte per Vereinbarung das ExStra-Budget erhöht werden: um die 128 Millionen für die Auslauffinanzierung. Vor allem aber für die Erhöhung der Cluster-Förderfälle von derzeit 57 auf 70 bis 75, was laut Ministerialbeamten von 2026 an weitere 154 bis 192,5 Millionen Euro pro Jahr kosten würde. Außerdem könnte das "Szenario 3" einen Inflationsausgleich beinhalten, wofür 2026 noch einmal 80,9 Millionen und in den Folgejahren jeweils 112,1 Millionen fällig würden.
Womit die Gesamtfinanzierung für die Exzellenzstrategie von derzeit jährlich 533 Millionen schon im Szenario 3 auf insgesamt bis zu 837,5 Millionen (+57,1 Prozent) steigen würde – plus der einmalig gezahlten Auslauffinanzierung.
Die Länder müssen die Rechnung mit dem Wirt machen
Eine Rechnung, bei der es ganz stark auf den Wirt (=den Bund) ankommen wird, denn der zahlt derzeit drei Viertel des ExStra-Budgets. Das dürfte spannend werden, denn die Ampel-Regierung und besonders Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sehen sich hier einer Phalanx aller Länder und der im Expertengremium vertretenen Wissenschaftler gegenüber. Sie alle fordern mehr Geld zumindest für mehr Cluster – und die werden auch "einmalig" im Ampel-Koalitionsvertrag versprochen.
Wie viele mehr, freilich nicht. Und gar kein Wort steht da zu einem Kostenausgleich oder zur Finanzierung zusätzlicher Exzellenzuniversitäten. Wobei die Argumentation mit sieben Jahren Inflation und der Leerstelle, die die Bund-Länder-Vereinbarung 2015 beim Thema Exzellenzunis 12 bis 15 gelassen hat, ebenfalls kaum von der Hand zu weisen sein dürfte.
Das weiß offenbar auch der Bund, und pocht deshalb auf eine weitere Veränderungsoption, die im Eckpunkte-Papier mit "Szenario 4" beschrieben wird. Wenn die Länder schon allerlei Zusatzwünsche für die nächste Wettbewerbsrunde hätten und wenn man dann schon an die Bund-Länder-Vereinbarung gehe, könne man ja auch gleich den Finanzierungsschlüssel ändern, mit dem die ExStra-Kosten verteilt werden.
Die unwahrscheinliche Option der Profilcluster
Wörtlich steht im Papier: "Sollten zusätzliche Mittel in beträchtlicher Höhe benötigt werden, könnte der bisherige Finanzierungsschlüssel, nach dem die Programmmittel vom Bund und den jeweiligen Sitzländern im Verhältnis 75:25 von Hundert getragen werden, modifiziert werden." Wie genau, sagen die Eckpunkte nicht, aber das Signal an die Länder ist auch so deutlich. Zumal sie es sind, die 2021 bei den Steuern wieder stark zulegten – und nicht der Bund.
Ebenfalls Teil des maximalen Veränderungsszenarios wäre die – allgemein als unwahrscheinlich geltende – Option, langjährige Exzellenzcluster zu verstetigen, aus dem ExStra-Wettbewerb herauszunehmen und so mehr Platz für neue Anträge zu machen. In diesem Fall könnte eine dritte Förderlinie für bis zu zehn "Profilcluster" eingerichtet werden, mit einer grundsätzlich unbegrenzten Förderdauer bei einer Evaluation alle sieben Jahre. Einen solchen Vorschlag hatte einst der ehemalige SPD-Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz und GWK-Vorsitzende Konrad Wolf in die Debatte eingebracht.
Diese Profilcluster würden als Voraussetzung für eine Exzellenzuni-Bewerbung nicht angerechnet. Kostenpunkt laut Papier: bis zu 77 Millionen Euro jährlich ab 2026.
Kostspielige Pläne
Die Einrichtung einer weiteren Förderlinie ist auch deshalb fraglich, weil sie wohl dazu führen würde, dass der enge Zeitplan bis zur geplanten Clusterskizzen-Ausschreibung Mitte Dezember sprengen würde.
Die Alternative, die Förderlaufzeit bestehender Cluster von zwei auf drei Wettbewerbsrunden zu verlängern, gilt aber auch nicht als viel aussichtsreicher – denn das würde bei gleicher Finanzierung wieder auf Kosten neuer Anträge gehen.
Abgesehen von den konzeptionellen Neuerungen: Wenn alle kursierenden Wünsche und Änderungen berücksichtigt würden, würde dies die Kosten für ein Jahr Exzellenzstrategie sogar auf über 900 Millionen Euro im Jahr erhöhen, dauerhaft. Plus der einmaligen Auslauffinanzierung.
Viel zu besprechen also für die Sitzung des GWK-Ausschusses am 1. Februar. Und auch wenn da zunächst "nur" die Ministerialbeamten zusammenkommen: Ihre Chefs, die Wissenschaftsminister, sehen bereits gespannt von der Seitenlinie zu.
Blog-Barometer Januar 2022
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Gernot Mayer (Freitag, 28 Januar 2022 11:48)
Um im Bild zu bleiben, der Hauptstrang ist ein totes Gleis.
Django (Sonntag, 30 Januar 2022)
Ja, ich habe mich auch gefragt, wie lange der Autor nach einem Bild gesucht hat, wo "Weiter so" der Verkehrspolitik zum Opfer gfallen ist ;-)