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Klare Worte, unklare Taten

Die deutsche Wissenschaftspolitik verurteilt Russlands Aggression gegen die Ukraine. Mit der Antwort, was daraus für die Wissenschaftsbeziehungen folgt, tut sie sich noch schwer.

DIE STATEMENTS klingen nach Entschlossenheit. Der Angriff auf die Ukraine sei durch nichts zu rechtfertigen, schrieb Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) heute Morgen auf Twitter. Russland breche das Völkerrecht und trage die Verantwortung für Krieg auf europäischem Boden. "Wir müssen mit unseren Partnern geschlossen mit aller Härte reagieren."

 

Schon am Dienstagmittag hatte Stark-Watzingers parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg (ebenfalls FDP) kommentiert: "Die Zeiten, in denen Europas Staaten um ihre Existenz und die Unverletzbarkeit ihrer Grenzen bangen müssen, sollten längst vergangen sein." Die russische Regierung trete nun das Völkerrecht mit Füßen. "Darauf muss die internationale Staatengemeinschaft eine klare Antwort geben."

 

Doch so sehr sich der Überfall Russlands in den vergangenen Tagen und Wochen angekündigt hatte, so sehr wundert dann doch, wie stark der Westen in Wirklichkeit auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein scheint. Wie man jetzt, abseits der Rhetorik, nach der richtigen Strategie im Umgang Moskau sucht. Das gilt offenbar auch für die deutsche Wissenschaftspolitik. 

 

Für gestern Abend, spätestens heute Morgen hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Antwort auf meine bereits vorgestern gestellte Frage angekündigt, welche konkreten Konsequenzen es für die deutsch-russische Kooperationen in der Forschung ziehe. Speziell für Milliarden-Kooperationsprojekte wie den rund 1,5 Milliarde Euro teuren Röntgenlaser European XFEL in Hamburg , an dem Deutschland mit 56 und Russland mit 27 Prozent beteiligt ist. Oder die noch im Bau befindliche Teilchenbeschleunigeranlage FAIR in Darmstadt, Gesamtkosten schon jetzt weit über drei Milliarden Euro, dessen zweitgrößter Gesellschafter nach Deutschland ebenfalls Russland ist.

 

Doch kam bis heute um 15.30 Uhr zu dem Thema kein Wort aus dem BMBF, mehr noch: Auch keine Aussage, wann denn nun etwas kommt. Weil man es offenbar selbst nicht sagen kann derzeit. 

 

Ohne besonderen Bezug zur Wissenschaft hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell derweil das "härteste Sanktionspaket" angekündigt, das die Europäische Union je beschlossen habe. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte ebenfalls, es werde "massivste Sanktionen" geben. Was aber bedeutet das für die Wissenschaft?

 

Sehr aufrichtig kommunizierte die gegenwärtige Ratlosigkeit heute der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, der von einem "zutiefst bedrückenden Tag" sprach und der Ukraine, ihren Menschen und ihrer Wissenschaft die Solidarität der deutschen Hochschulen versicherte. Absehbar sei, "dass diese Entwicklungen den deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen schweren Schaden zufügen werden." Und dann fügte Alt hinzu: "Wir werden entsprechende Konsequenzen eingehend prüfen müssen." Dies werde im Verbund der Wissenschaftsorganisationen, insbesondere mit dem DAAD und in Abstimmung mit der Bundesregierung geschehen. 

 

"Entsetzt" äußerte sich auch DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee, der jedoch in seinem heutigen Pressestatement nicht auf mögliche Folgen für die deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen einging. Stattdessen kündigte er an, wiederum in Abstimmung mit der Bundesregierung und im Austausch mit der HRK und den deutschen Hochschulen, "in den kommenden Tagen und Wochen" zu bewerten, wie die Wissenschaftskooperationen mit der Ukraine gestaltet werden könnten. "Zur Solidarität mit der Ukraine gehört es, die außenwissenschaftspolitischen Beziehungen nicht abreißen zu lassen und die Austauschbeziehungen auch unter widrigen Bedingungen zu erhalten", sagte Mukherjee.

 

In den vergangenen Tagen aber hatten wegen der sich zuspitzenden Lage  die DAAD-Geförderten aus Deutschland die Ukraine erst einmal verlassen.



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Kommentare: 1
  • #1

    Karl Schubert (Donnerstag, 24 Februar 2022 16:30)

    Es ist keine Frage, daß die aktuelle Politik Russlands keinerlei Rechtfertigung hat und der Angriff beendet werden muß. Mich wundert leider eine Tatsache: Man vermerkt, daß man Putin genau zuhören oder lesen solle. Leider wird die lange Rede von diesem Menschen nicht ordentlich abgedruckt und genau kommentiert. Die Ausführungen zur russischen Nationalitäten-Politik sind schon interessant und nicht so ganz einfach zu widerlegen. Daher sind m.E. pauschale Wertungen bzw. Weglassungen so wenig hilfreich. Durch eigene Anschauungen kenne ich die alte Sowjetunion und Aspekte der Nationalitätenpolitik in der Zeit 1965-1990 noch ganz gut und mag daher Vereinfachungen nicht sehr.