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Irgendwo muss es herkommen

Mehr Geld für Verteidigung und Konfliktfolgen: Was bedeutet das für Bildung und Forschung und den Haushalt von Bettina Stark-Watzinger?

Foto: www.piqsels.com.

100 MILLIARDEN EURO zusätzlich für die Bundeswehr, und 65 Prozent der Deutschen sagen: Richtig so. Sogar 68 Prozent begrüßen laut "ARD-Deutschlandtrend" die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern. Was, Stand 2022, mindestens 24 Milliarden pro Jahr mehr bedeutet. Jedes Jahr.

 

Um die Dimensionen dieser politischen Zeitenwende zu verdeutlichen: Der Haushaltansatz für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) betrug 2021 20,8 Milliarden Euro. Und das war ein Allzeit-Rekord, hochgetrieben durch Corona-Sonderprogramme.

 

Regierungssprecher Steffen Hebestreit versicherte zwar, dass die Bundesregierung alle ihre Projekte in allen Politikbereichen dieses Jahr unverändert fortführen werde. Seine Argumentation, dass die Haushalte der anderen Ministerien unbehelligt blieben, weil die 100 Milliarden als "Sondervermögen" an die Bundeswehr fließen sollen, gilt freilich nur kurzfristig: Abgesehen davon, dass auch diese 100 Milliarden die Bundesschuld und damit den allgemeinen Spardruck erhöhen, sind sie irgendwann aufgebraucht. Und so, wie sich die internationale Lage entwickelt, vermutlich schneller, als manche denken. 

 

Die mindestens 24 Milliarden Extra-Verteidigungsausgaben pro Jahr, Tendenz steigend, gehen danach jedoch weiter. Während schon ab sofort noch mehr bislang nicht eingeplante Milliardensummen auf den bereits Corona-gebeutelten Bundeshaushalt drücken: für die Aufnahme Geflüchteter und die humanitären Hilfen für die Ukraine, für die soziale Abfederung steigender Energiepreise und den eiligen Ersatz russischer Gaslieferungen. Finanziert muss all das mit Steuereinnahmen, die niedriger ausfallen dürften als erhofft, da die Krise auf die Konjunktur drücken wird. Trotz allem will FDP-Finanzminister Christian Lindner schon von 2023 an wieder die Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten.

 

Verteilungskampf zwischen
den Ministerien

 

Wenn es dabei bleibt, heißt das zwangsläufig: Die Bundesregierung wird massiv sparen müssen. Den Verteilungskampf zwischen den Ministerien, den das auslösen wird angesichts der vielen im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltenen Prestigeprojekte und Zukunftsinvestitionen, vermag man sich kaum vorzustellen. Dass Bildung und Forschung dabei besonders gut wegkommen, ist bestenfalls eine Hoffnung.

 

Man konnte schon in den vergangenen Wochen dabei zu sehen, wie die Gesichter im BMBF immer länger wurden, je länger die Haushaltsverhandlungen mit Lindners Leuten liefen. Dazu passte, dass die ersten Details zur mit Spannung erwarteten Erhöhung der BAföG-Sätze auch in der Hochschulszene teilweise für Ernüchterung sorgten. Und das war noch, als lediglich die Corona-Folgen eingepreist wurden. 

 

Zuletzt machte auf Twitter ein Bericht die Runde, angeblich verschiebe das Forschungsministerium wegen der 100 Bundeswehr-Milliarden die Finanzierung von Drittmittelprojekten, so dass wissenschaftliche Mitarbeiter aufs Arbeitsamt müssten. "Rüsten wir etwa mit Geld aus der Bildung auf?", fragte eine Wissenschaftlerin. "Unsinn", kommentierte der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg. Die 100 Milliarden Sondervermögen hätten mit aktuellen BMBF-Förderentscheidungen nichts zu tun.

 

Was mit hoher Wahrscheinlichkeit so ist. Doch zeigt die Episode, dass die Nervosität steigt. Auch an den Hochschulen, die die Ampel doch so viel besserstellen wollte. Wie Bildung und Forschung insgesamt: Die diesbezüglichen Kapitel zählten zu den ambitioniertesten im Koalitionsvertrag: 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung. Mehr Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen. Ein Digitalpakt 2.0. Besagter Neuanfang beim BAföG. Ein Aufstocken der Exzellenzstrategie. Eine neue Förderagentur für Transfer und Innovation. Bessere Karrierebedingungen in der Wissenschaft. Und und und. 

 

Ministerin Stark Watzinger muss jetzt sagen,
was für sie die Prioritäten sind

 

Die Kapitel passten zu der für viele so erfrischend daherkommenden Beherztheit der Ampel-Koalition, den jahrzehntealten Modernisierungsstau aufzulösen. Entsprechend viel Vorschuss-Lorbeeren heimsten SPD, Grüne und FDP bei den führenden Repräsentanten der Bildungs- und Forschungsszene ein. Wenige bemängelten, dass die schöne Stoffsammlung eine große Schwächte hatte: Sie priorisierte nicht. Sie machte nicht einmal transparent, wie viel Geld dafür nötig wäre.

 

Wie schnell sich die Zeiten ändern können. Denn genau das wird jetzt zur wichtigsten Aufgabe von BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) werden: Sie muss um möglichst viel Geld für ihr Ressort kämpfen. Sie muss aber auch sagen, welche Versprechen des Koalitionsvertrags die wichtigsten sind, die auf jeden Fall kommen werden. Was sie kosten und wie sie sie finanzieren will. Am schlimmsten wäre, wenn alle hochfliegenden Pläne kämen und alle unterfinanziert wären.

 

Je knapper das Geld, desto stärker wächst daraus zugleich die Notwendigkeit, im Gegenzug für Neues anderswo im BMBF-Budget Programme und Förderlinien zu streichen. Eigentlich etwas, das strategisch agierende Ressortchefs immer tun sollten, was aber in normalen Zeiten selten passiert, weil es so unpopulär ist. Entsprechend verkrustet sind die Förderstrukturen im BMBF an vielen Stellen. 

 

Christian Lindner hat derweil die Kabinetts-Vorlage des Bundeshaushalts um eine Woche auf den 16. März verschoben. Der Blick sollte dann weniger auf das Jahr 2022 gehen, sondern auf den mittelfristigen Finanzplan bis 2025. Dann zeigt sich, wieviel von der selbsterklärten Fortschrittskoalition noch übrig ist. 

 

Der Kommentar erschien heute zuerst in leicht kürzerer Fassung in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



Tempomacher und Bremser

Lange floss kaum Geld aus dem Digitalpakt an die Schulen. Das ändert sich – aber wichtige Programmteile laufen immer noch nicht rund.

Am Freitag hat das BMBF neue Zahlen zum Mittelabfluss im Digitalpakt veröffentlicht. Seit Beginn der Laufzeit im Mai 2019 wurden demnach bis Ende 2021 1,23 der insgesamt 6,5 Bundesmilliarden ausgegeben. Insgesamt 2,44 Milliarden wurden bewilligt – an insgesamt 16.000 Schulen bundesweit. Die Länder sollen die Bundesmittel vertragsgemäß um zehn Prozent aufstocken.

 

Die von den Ländern ans BMBF gemeldeten Mittelabflüsse verteilten sich ungleichmäßig auf die einzelnen Bestandteile des Programms. Der ursprüngliche Digitalpakt umfasst fünf Bundesmilliarden, hauptsächlich für die digitale Basis-Infrastruktur an den Schulen. Davon sind lediglich 423 Millionen an die Schulen überwiesen worden, aber immerhin 2,37 Milliarden sind bereits gebunden, wenn auch größtenteils noch nicht ausgegeben. 

 

Das im Juli 2020 gestartete Sofortprogramm für Leih-Laptops und -Tablets für Schüler ist demgegenüber praktisch abgeschlossen: Von den 500 Millionen sind noch fünf Millionen übrig. Von den ebenfalls 500 Millionen für Leihgeräte für Lehrkräfte sind knapp 300 Millionen ausgegeben.

 

Große Probleme gibt es beim Zusatzprogramm, das Systemadministratoren an den Schulen finanzieren soll: Lediglich elf von 500 Millionen sind bis jetzt geflossen – obwohl dieses Programm schon Ende November 2020 und damit noch fast drei Monate vor dem für die Lehrerlaptops in Kraft getreten ist. 

 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die den Pakt von ihrer Vorgängerin Anja Karliczek (CDU) geerbt hat, äußerte sich demonstrativ ungeduldig uns sagte: "Auch wenn der Digitalpakt Fahrt aufnimmt, bleiben die Zahlen hinter unseren Erwartungen zurück". 

 

Bei der Bekanntgabe des Stand bis Ende 2020 vor genau einem Jahr hatte Karliczek gesagt, man müsse "zwar noch Tempo machen, aber die Richtung stimmt jetzt". Die damalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst (SPD), versprach gar eine "irre Aufholjagd".

 

Damals waren aus dem Basis-Digitalpakt 112 Millionen der fünf Milliarden abgeflossen, jetzt sind es 311 Millionen mehr. 

 

Am Freitag konstatierte Stark-Watzinger, eine weitere Beschleunigung sei dringend nötig. "Gemeinsam mit den Ländern will ich daher Hürden abbauen." Die Geschwindigkeit der Laptop-Zusatzprogramme sei auch beim Basis-Digitalpakt und bei den Administratoren

nötig. "Ein Weg sind die unkomplizierten Verfahren, die manche Länder aufgelegt haben. Denn: Bewilligt ist noch nicht verbaut." Bis bewilligte Gelder in den Schulen digitalen Unterricht ermöglichten, vergehe weitere Zeit. "Als Bund wollen wir die Länder und Kommunen unterstützen."

 

Freilich hatte das BMBF schon vor längerem darauf verzichtet, dass die Schulträger wie ursprünglich vorgesehen erst langwierig pädagogische Konzepte erarbeiten müssen, um Geld bewilligt zu bekommen. Die Konzepte dürfen später nachgereicht werden. Doch denn erhofften Schub brachte das bislang offenbar nicht.

 

Umgekehrt stimmt hoffnungsvoll, dass zur Halbzeit des Programms fast die Hälfte der fünf Basispakt-Milliarden immerhin verplant sind. Das Tempo steigt also. Und die zweite Hälfte dürfte schneller gehen.

 

Bei den Lehrer-Laptop scheint es hingegen tatsächlich stark auf die Umsetzung in den einzelnen Ländern anzukommen, dafür spricht die große Spreizung: Etliche Länder wie Berlin und Bayern haben 100 Prozent ausgegeben, Brandenburg und NRW standen Ende 2021 hingegen bei null Euro, drei weitere Länder hatten gerade mal bis zu einem guten Fünftel umgesetzt. 

 

Noch extremer die Unterschiede bei den Systemadministratoren. Bis auf drei Bundesländer stehen praktisch alle übrigen noch bei null. Nur Sachsen hat 28,6 Prozent ausgegeben, Hamburg liegt mit 7,8 Prozent auf Platz zwei. Was dann doch wieder auf konstruktionsbedingte Hürden zumindest bei diesem Bestandteil des Bundesprogramms hindeutet.

 

Karin Prien, CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und zurzeit KMK-Präsidentin, sagte, gerade bei den kleinen Schulträgern müssten die bürokratischen Hürden minimiert werden. Denn diese verfügten oft nicht über ausreichendes und hinreichend qualifiziertes Personal, um zügig die Mittel beantragen zu können. "Hier braucht es unkomplizierte Verfahren und eine Finanzierung externer Beratungskosten. Das muss auch unser Anspruch für ein Nachfolgeprogramm zum DigitalPakt Schule sein."

 

Womit sie auf das im Ampel-Koalitionsvertrag versprochene Nachfolgeprogramm, einen Digitalpakt 2.0, anspielte. Die Digitalisierung von Schule sei auch nach dem Auslaufen des jetzigen Digitalpakts 2024 eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, den Ländern und den Kommunen und bleibe "ein großes gemeinsames Zukunftsprojekt".



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Kommentare: 1
  • #1

    PB (Montag, 07 März 2022 09:50)

    Danke für den interessanten Bericht.

    Was ist eigentlich mit der Dynamisierung der ZSL-Mittel, die ja schon zum 1.1.2022 kommen sollte.

    Hängt die noch von der Sitzung der GWK ab oder von Herrn Lindners Haushaltsentwurf?