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Stark-Watzinger muss den Kultusministern ein Bund-Länder-Programm anbieten

Der EU-Außenbeauftragte rechnet mit fünf Millionen Geflüchteten aus der Ukraine. Was auf hunderttausende Kinder und Jugendliche auch in Deutschland hinauslaufen könnte. Eine Berechnung und die Schlussfolgerungen.

ALLMÄHLICH WERDEN die Zahlen realistischer. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell sagte am Montag nach einem Treffen der Entwicklungsminister der EU-Staaten, die Dynamik des Zustroms lasse befürchten, dass fünf Millionen Geflüchtete aus der Ukraine erreicht würden. Es wäre die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

 

Was das für Deutschland bedeuten würde? Gestern schrieb ich bereits: "Bereitet die Schulen vor!" Eine vorsichtige Rechnung auf der Grundlage von Borells Zahl verdeutlicht, warum: Vermutlich wird die Bundesrepublik spätestens, wenn die Kapazitäten in Polen, der Ukraine und der Slowakei erschöpft sind, wegen ihrer geografischen Nähe und Wirtschaftsstärke zu einem bevorzugten Ziel Geflüchteter werden. Doch selbst wenn Deutschland nur eine Zahl relativ zu seinem Anteil an der EU-Bevölkerung aufnähme, entspräche das rund einer Million Menschen. Wenn nun alle ausreiseberechtigten Altersgruppen gemäß ihrer Verteilung in der ukrainischen Bevölkerung gleichermaßen kämen, hieße das: Rund 27 Prozent der Ankommenden werden Minderjährige sein.

 

Warum so viel, wenn doch nur etwa 19 Prozent der Ukrainer unter 18 sind? Weil Männer zwischen 18 und 60 nicht ausreisen dürfen. Das bedeutet: Deutschland sollte sich auf mindestens 250.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche vorbereiten, wahrscheinlich mehr. Allein schon weil die Vermutung naheliegt, dass tendenziell noch mehr junge und weniger alte Menschen kommen werden. 

 

Setzt man die in Deutschland üblichen Bildungsausgaben von gut 9.000 Euro pro Schulkind und Jahr an (und eigentlich sollte es gerade für Geflüchtete mehr sein!) ergäbe das schon bei 200.000 zusätzlichen Schülern 1,8 Milliarden Euro. Allein für dieses Jahr. 

 

Natürlich kann man solche Zahlen jetzt zur Seite reden oder argumentieren, dass man doch einfach in jede Klasse einen Stuhl mehr schieben müsse, das reiche erstmal. Oder man lässt sich auf das Szenario ein. Und überlegt JETZT, was zu tun ist. Meine Schlussfolgerung: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sollte am Donnerstag, wenn sie die Kultusminister in Lübeck trifft, mit hnen ins Gespräch über ein Bund-Länder-Programm einsteigen. Am besten als Teil einer noch zu entwickelnden Gesamtstrategie der Bundesregierung zur Aufnahme der Geflüchteten. 

 

Lindner muss sich für 2023 von
der Schuldenbremse verabschieden

 

Denn sieht man sich die Zahlen und die Summen an, wird klar: Wenn der Strom der Geflüchteten tatsächlich so groß wird, wie der EU-Außenbeauftragter (meines Erachtens zu Recht) vermutet, steuern wir auf einen zweistelligen Milliardenbetrag zu, um die Menschen aus der Ukraine menschenwürdig zu versorgen. 

 

Was das für den Bundeshaushalt insgesamt bedeutet, und damit auch für die Ambitionen der Ampel in Bildung und Forschung, habe ich gestern aufgeschrieben. Es sei denn, die Ampel mit ihrem Finanzminister Christian Lindner (FDP) verabschiedet sich schleunigst von ihrem Plan, schon 2023 die Schuldenbremse einhalten zu wollen. Das sollten sie. Was gestern angemessen erschien, ist es heute nicht mehr.

 

Auf keinen Fall dürfen die Versorgung der Geflüchteten und der geplante soziale, wirtschaftliche und technologische Aufbruch in Deutschland gegeneinander ausgespielt werden. Das würde nicht nur den Kern der Ampel in Frage stellen. Es würde gesellschaftliche Zwietracht und Unfrieden entstehen. Was nur einer gut fände: Wladimir Putin. 

 

Nachtrag am 10. März:

DAAD und Deutsches Studentenwerk (DSW) fordern seit Tagen auch für die Hochschulen ein vom Bund finanziertes großes Unterstützungsprogramm, damit diese in dieser Krise helfen können. DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl hat die Forderung auf Twitter wiederholt und erweitert. "Die wachsende Zahl der Kriegsflüchtlinge stellt unser Bildungssystem vor große Herausforderungen", schrieb er. "Erste Hilfen reichen nicht mehr aus. Nötig ist ein großes Hilfspaket für Kitas, Schulen, Hochschulen und berufliche Bildung." Genau über solch ein Paket wird Stark-Watzinger am heutigen Mittwoch mit den Kultusministern reden müssen. 



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Kommentare: 1
  • #1

    PB (Dienstag, 08 März 2022 11:46)

    Eigentlich ein richtiger und wichtiger Ansatz!

    Wenn ich aber an anderer Stelle bei Ihnen lese,
    wie wenig Bundesmittel aus zentralen Programmen in die Länder abfließen, dann sollte man die Beantragung/Vergabe der Mittel sehr schlank halten und vermutlich für einige Länder den modus operandi bei der Umsetzung gleich mitplanen.

    https://www.jmwiarda.de/2022/03/07/irgendwo-muss-es-herkommen/