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Kultusminister und Stark-Watzinger bekennen sich zu gemeinsamer Verantwortung für Ukraine-Geflüchtete

Derweil wird ein gemeinsames Bund-Länder-Programm immer drängender – findet aber in der "Lübecker Erklärung" keine Erwähnung.

ES IST EINE BOTSCHAFT mit hohem Symbolwert. Was allerdings noch fehlt, ist ein gemeinsames Bund-Länder-Programm zu ihrer Untermauerung.

 

Die Kultusminister haben in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) den massiven Bruch des Völkerrechts durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verurteilt. Den Opfer dieser Invasion, die getötet, verletzt oder vertrieben würden, gelte ihre Solidarität. Die Kultusminister bekannten sich in der "Lübecker Erklärung" zu ihrer Verantwortung für die aus der Ukraine geflüchteten Schülerinnen und Schüler bekannt, sie unbürokratisch an den Schulen willkommen zu heißen und ihre Beschulung sicherzustellen. Den Wissenschaftlern und Studierenden aus der Ukraine wollen Bund und Länder eine Wissenschaftsbrücke nach Deutschland bauen. 

 

Für den Bereich der Schulen planen die Kultusminister eine gemeinsame Task Force. Für die Wissenschaft soll der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit der Einrichtung einer zentralen Kontaktstelle für Studierende und Wissenschaftler beauftragt werden, die alle Informationen zu konkreten Unterstützungsmaßnahmen von Bund, Ländern, Hochschulen, Wissenschaftsorganisationen, Studierendenwerken und Stiftungen bündeln und zugänglich machen soll. Entstanden ist die Idee einer Wissenschaftsbrücke zunächst als Initiative der Hamburger Wissenschaft und Politik.

 

Über Bundeshilfen an die Länder wurde dagegen gestern und heute in Lübeck nur allgemein gesprochen, ein mögliches Bund-Länder-Programm findet in der "Lübecker Erklärung" trotz absehbarer Miliardenkosten keinerlei Erwähnung. Dabei drängt die Zeit: Neuen Schätzungen zufolge könnten mindestens eine Million, möglicherweise aber auch eine mittlere einstellige Millionenzahl an Geflüchteten aus der Ukraine nach Deutschland kommen. Aller Voraussicht nach wären davon etwa ein Viertel Kinder und Jugendliche

 

KMK-Präsidentin Prien:
"Wir sind gut vorbereitet"

 

DAAD und Deutsches Studentenwerk (DSW) hatten vor mehreren Tagen schon auch für die Hochschulen ein vom Bund finanziertes großes Unterstützungsprogramm gefordert, damit diese in dieser Krise helfen können. Auch die SPD-Bundestagsfraktion plädierte ihrem bildungspolitischen Sprecher Oliver Kaczmarek zufolge für ein Bund-Länder-Programm für die Aufnahme von bis zu 100.000 Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Gestern schrieb dann DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl auf Twitter, die wachsende Zahl der Kriegsflüchtlinge stelle das Bildungssystem vor große Herausforderungen. "Erste Hilfen reichen nicht mehr aus. Nötig ist ein großes Hilfspaket für Kitas, Schulen, Hochschulen und berufliche Bildung." 

 

Ein solches Paket haben Bund und Länder heute wie gesagt noch nicht verkündet, dafür aber erläuterte KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU), wie sich die Bildungspolitik inhaltlich auf den zu erwartenden Zustrom an Schülern vorbereite. "Wir haben an unseren Schulen etablierte Strukturen aus den Jahren 2015/16, die wir ja auch nie abgebaut haben", sagte sie. "Wir sind insoweit gut vorbereitet." Aber sie wolle auch nicht verhehlen: "Unser Schulsystem ist angespannt durch die letzten zwei Jahre der Pandemie, die im Übrigen ja auch noch nicht vorbei ist, und insofern ist das jetzt eine weitere Belastung, die dazukommt." 

 

Der Lehrermangel ist schon jetzt in vielen Bundesländern massiv – auch das ein Thema, mit dem sich die Kultusminister in Lübeck ausführlich beschäftigt haben (siehe Kasten unten). Um trotzdem ausreichende Bildungsangebote für die ukrainischen Kinder machen zu können, werde sich die KMK dafür einsetzen, "geflüchteten ukrainischen Lehrkräften – sofern sie dies wünschen und im Rahmen ihres Aufenthaltsstatus – eine Beschäftigungsmöglichkeit an Schulen zu verschaffen oder sie weiterzuqualifizieren." Dieselbe Idee hatte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zuvor schon in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe formuliert.

 

Außerdem sei man, sagte KMK-Präsidentin Prien, über das Medieninstitut der Länder, die FWU, bereits dabei, ukrainische Lehrwerke für die Benutzung in Deutschland zu sichern, die fast alle in digitaler Form vorlägen. Auch der Einsatz ukrainischer Online-Schulangebote werde geprüft, "um insbesondere Schülerinnen und Schülern in den Abschlussklassen sehr schnell die Möglichkeit zu geben, ihren ukrainischen Abschluss zu machen". 

 

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hatte am Donnerstag der KMK ihren Antrittsbesuch abgestattet. Prien sprach von einer "neuen Kultur des Miteinanders". Künftig werde die Bundesministerin regelmäßig an den KMK-Sitzungen teilnehmen. 




Ein Aufbruch für die Lehrerbildung?

Es ist ein Erfolg für KMK-Präsidentin Prien: Anstatt den seit Jahren immer heftiger werdenden Lehrermangel weiter nur zu verwalten, haben die Kultusminister endlich beschlossen, sich "grundsätzlich und umfassend" mit der Zukunft der Lehrerbildung zu befassen. 

 

Neben der Frage, wieviele Studienplätze künftig nötig sein werden, soll es dabei vor allem um die künftigen Strukturen der Lehrerbildung gehen. Das ist auf bitter nötig: Denn das gegenwärtige System ist zu starr und unflexibel, um angemessen auf Veränderungen der Nachfrage nach Lehrkräften reagieren zu können. Es führt zu hohen Abbrecherquoten – und dazu, dass immer mehr Seiten- und Quereinsteiger benötigt werden, die wiederum mühsam und nachqualifiziert werden müssen. 

 

Hoffnungsvoll stimmt auch, dass die KMK die Wissenschaft um die Beantwortung zentraler Fragen bitten will: Die Ständige Wissenschaft- 

liche Kommission (SWK) soll "Empfehlung zur Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung und -gewinnung" entwickeln.

 

Eine Bitte, auf die etliche Mitglieder der SWK, die seit langem Reformen in der Lehrerbildung anmahnen, gewartet haben dürften. Zumal es seit Jahren gute Reformideen gibt.

 

Als ersten Schritt wollen die Kultusminister jetzt einen Fragenkatalog für die SWK erarbeiten, darunter soll es neben einer möglichen Strukturreform und Qualitätsfragen auch um geeignete Werbemaßnahmen für den Beruf gehen – und um die Rolle multiprofessioneller Teams in den Schulen. 

 

Wenn die Kultusminister jetzt mutig fragen und die Wissenschaftler mutig Vorschläge machen, dann könnte daraus eine neue Dynamik in einer lange festgefahrenen Debatte entstehen. Es wäre ein Befreiungsschlag für die Bildungspolitik.

 



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