BUA-Chefs warnen Wissenschaftssenatorin Gote per Brandbrief vor "massivem Vertrauensverlust" für die Berliner Wissenschaftspolitik.
DIE SPARWELLE beginnt auch in der deutschen Wissenschaft zu rollen. Die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung stellt die hochfliegenden Ampel-Pläne in Frage, gleichzeitig berichten Hochschulrektoren aus mehreren Bundesländern, dass sie von ihren Ministern zum Gespräch gebeten werden. Kürzungspläne sickern durch, noch bevor sie spruchreif zu sind. Anderswo formiert sich bereits Widerstand.
In Berlin haben jetzt die in der "Berlin University Alliance" (BUA) zusammengeschlossenen großen Berliner Universitäten samt Charité einen Brandbrief an die neue Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) verschickt. Darin kritisieren sie beabsichtigte Kürzungen in Millionenhöhe, die den Exzellenzverbund betreffen würden. Sechs Millionen investiert der Senat pro Jahr über die landeseigene Einstein-Stiftung in die BUA. 5,4 Millionen davon, so ist aus der Wissenschaft zu hören, wolle die Landesregierung im kommenden Jahr 2023 einsparen. Zusätzlich sollen aus dem Doppelhaushalt 2020/21 stammende, bislang nicht verausgabte BUA-Mittel auf dem Spiel stehen.
Komme es dazu, "werde dies "massive Auswirkungen des Wissenschaftsstandorts Berlin haben und eine fatale Signalwirkung entfalten", lautet die Warnung in dem gestern verfassten Brief an Gote. Unterzeichnet hat ihn Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität Berlin und Sprecher der BUA – und zwar, wie es heißt, auch "im Namen" von Günter Ziegler, dem Präsidenten der Freien Universität, des kommissarischen Präsident der Humboldt-Universität, Peter Frensch, und des Charité-Vorstandsvorsitzenden Heyo Kroemer.
Gotes Senatsverwaltung hat seit Montagabend auf meine Anfragen zu den Kürzungsvorwürfen nicht reagiert.
Die BUA-Partner warnen, die von der Kürzung bedrohten Mittel seien für die Unterstützung und die Verstetigung der inter- und transdiziplinäre Verbundforschung zu den von den BUA-Partnern ausgewählten "Grand Challenges" vorgesehen, die zum Kern des Exzellenzkonzepts gehören. Einstein-Forschergruppen sollten damit finanziert werden, außerdem institutionenübergreifende "BUA Strategic Professorships" sowie der Wissenschaftleraustausch mit Oxford.
Beim Wissenschaftsrat werden sie
großes Interesse an dem Schreiben haben
Einen weiteren Streichposten sieht die Senatsverwaltung offenbar im Bereich der Diversitätsförderung und speziell von "Dual Career"-Geldern, denn auch dieser Ausgabenposten soll laut dem BUA-Brief empfindlich zusammengestrichen werden. Neun Berufungen seien damit bereits unterstützt worden, 15 weitere befänden sich derzeit in Verhandlung, schreibt TU-Präsident Thomsen an die Senatorin. Eine Kopie ging an die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus.
Großes Interesse werden sie auch beim Wissenschaftsrat an dem Schreiben haben. Denn erst Ende Dezember hatte der Senat gegenüber dem Gremium seine Unterstützung des Berliner Exzellenzverbundes ausdrücklich versichert – unter expliziter Nennung auch der Bereiche, die jetzt gefährdet sind. Insgesamt zahle das Land Berlin in der ersten ExStra-Förderperiode bis 2025 91 Millionen Euro, konnte der Wissenschaftsrat da lesen. Von denen, bliebe es bei den Kürzungen, an Ende viele Millionen fehlen würden. Zumal unklar ist, wie es nach dem Doppelhaushalt 2022/23 weitergeht.
In der BUA fürchten sie nicht nur, dass sie wichtige Maßnahmen nicht mehr finanzieren könnten – sondern auch, was das für ihre Antragschancen für den zweiten ExStra-Durchgang ab 2026 bedeuten würde. "Mit den Mitteln ist eine Hebelwirkung verbunden, weitere Drittmittel zu generieren und Vorhaben anzustoßen und umzusetzen." Die Gefahr bestehe, dass sich diese Hebenwirkung ins Gegenteil verkehre. "Wir sehen zudem die Gefahr, dass das Land Berlin einen massiven Vertrauensverlust als verlässlicher Partner erleiden wird." Auch gegenüber Bund, Wissenschaftsrat und den Gutachtenden.
Die Kürzungspläne, sollten sie umgesetzt werden, sind auch deshalb brisant, weil die BUA schon im Dezember Dutzende Stellenbesetzungen gestoppt hatte – mit Verweis auf Unsicherheiten, ausgelöst durch das kurz zuvor beschlossene neue Berliner Hochschulgesetz. Zudemwurde erst kürzlich durch eine parlamentarische Anfrage der CDU-Opposition im Abgeordnetenhaus bekannt, dass die Umsetzung der durch das Hochschulgesetz vorgesehenen Entfristungsmöglichkeit für Postdocs auf Haushaltsstellen für die Hochschulen deutlich teurer werden könnte als gedacht.
Die Ende September wiedergewählte Koalition aus SPD, Grünen und Linker hat allerdings bereits "Präzisierungen" am Gesetz angekündigt.
Priorität für die Zukunft?
Berlins Senat will nicht nur an der Wissenschaft, sondern auch in Kitas und Schulen sparen. So berichtete zuerst der Tagesspiegel, dass im Entwurf für den Doppelhaushalt 2022/23 Millionen Euro nur 56 Millionen Euro für neue Kitaplätze vorgesehen seien, obgleich 160 bis 240 Millionen erforderlich wären. Und statt der nötigen 15 soll es nur neun Millionen für Kita-Sanierungen geben.
Die Berliner Schulen sollen fast keine freien Mittel mehr bekommen. Ihre sogenannten Verfügungsfonds sollen auf je 3000 Euro schmelzen, im Schnitt je nach Schülerzahl etwa 20.000 Euro weniger als bislang. Laut Tagesspiegel soll auch die Organisation "Teach First Deutschland", die Unterstützungskräfte in Schulen schickt, eine Million Euro pro Jahr weniger erhalten.
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hmm (Donnerstag, 17 März 2022 22:45)
"Einen weiteren Streichposten sieht die Senatsverwaltung offenbar im Bereich der Diversitätsförderung und speziell von "Dual Career"-Geldern, denn auch dieser Ausgabenposten soll laut dem BUA-Brief empfindlich zusammengestrichen werden."
Die Auffassung, "Dual Career" sei eine Form von Diversitaetsfoerderung ist vielleicht etwas gewagt. "Dual Career" wird i.d.R. nur grösseren Fischen angeboten, die man unbedingt haben will und für die man diesen sehr sehr hohen Preis dann zu zahlen bereit ist. Aber das unter dem Deckmantel von Gender etc laufen zu lassen, ist natürlich elegant.
Dass prinzipiell bei Diversity-förderung gespart werden soll, erstaunt allerdings. Dass ausgerechnet dieser Senat auf einmal Vernunft zeigen sollte ... ?
Edith Riedel (Samstag, 19 März 2022 22:03)
Die Auffassung, "Dual Career" sei Diversitätsförderung ist nicht nur etwas gewagt, sondern schlichtweg falsch und zudem beschädigend für das Konzept der Diversitätsförderung. "Dual Career" kommt in 95% aller Fälle alten, weißen Männern über 50 zugute. Da wird keine Diversität gefördert, da werden Professorenweibchen versorgt. Diese Gelder können gerne gestrichen werden.
Friedrichshainer (Montag, 21 März 2022 10:47)
Die BUA war immer ein Funktionärsprojekt ohne wissenschaftlichen Mehrwert. Gut, daß dieser Murks jetzt abgewickelt wird.
hmm (Montag, 21 März 2022 12:58)
@Edith Riedel: "Professorenweibchen". WOW!
Da sieht man, wie ressentimentgetrieben die ''Diversitaets-szene'' ist.