· 

Eine Reform, die keine ist

Die BAföG-Pläne der Ampel-Koalition aus studentischer Sicht: ein Gastbeitrag von Lone Grotheer.

Lone Grotheer studiert im Master Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg und ist Vorstandsmitglied des Studierendenverbands fzs. Foto: fzs.

ALS DER KOALITIONSVERTRAG der neuen Regierung vorgestellt wurde, haben wir Studierendenvertreter*innen uns gefreut. Eine BAföG-Reform, die mehr sein will als eine Novelle, ist dringend nötig, und der Koalitionsvertrag kündigte genau das an – wenn auch nicht so weitgehend, wie wir in unserer Kampagne gefordert hatten. Nicht einmal ein halbes Jahr später ist diese anfängliche, vorsichtige Hoffnung verflogen, schon nachdem der Referent*innenentwurf veröffentlicht wurde.

 

Mit einer Erhöhung des Grundbetrags um fünf Prozent und des Mietkostenzuschusses um 10 Prozent steigt die Höchstfördersumme von 821 Euro auf etwa 987 Euro monatlich und bleibt damit immer noch unter der Armutsgrenze. 360 Euro beträgt nach der Anpassung dann der Wohnkostenzuschuss. Im Referent*innenentwurf wird diese Erhöhung als "überproportional" betitelt. Den tatsächlichen Bedarfen wird sie allerdings alles Andere als gerecht. Bereits jetzt zahlen Studierende im Durchschnitt aufgerundet 450 Euro Miete monatlich für ein WG-Zimmer. Von Städten wie Frankfurt, Stuttgart, Berlin oder Hamburg ganz zu schweigen.

 

Immer wieder wurde in der Kommunikation der politischen Akteur*innen darauf verwiesen, dass das geplante 27. BAföG-Änderungsgesetz nur der erste Schritt sei. Ein Zeitplan für die nächsten Schritte oder eine konkrete Absichtserklärung dafür lassen bisher aber auf sich warten. Mit den aktuellen Plänen kann sich die Koalition allenfalls in ihr 100-Tage-Programm schreiben, dass sie die längst überfällige Reform überhaupt angegangen ist. Denn die Pläne hängen weit hinter dem zurück, was der Koalitionsvertrag, bereits an sich nicht schlagkräftig genug, versprochen hat.

 

Vage Formulierungen
im Koalitionsvertrag

 

Dessen vagen Formulierungen haben sicherlich nicht zu einer wohlwollenderen Position unsererseits zu den dort festgehaltenen Zielen beigetragen. So haben wir schon nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags kritisiert, dass das BAföG nur elternunabhängiger und nicht gänzlich elternunabhängig werden soll, und gewarnt, dass diese Entschärfung letztlich bedeuten könnte, dass ein Minimalschritt als Erfüllung dieses Vorhabens gesehen werden könnte. Die aktuelle Reform gibt uns Recht. Denn obwohl 20 Prozent mehr Elternfreibetrag ein verhältnismäßig großer Schritt sind, können sie nur ein Anfang sein auf dem Weg zu einer tatsächlich sozial-inklusiven Studienfinanzierung.

 

Ebenso haben wir die Pläne der Koalition für ein mögliches zinsfreies Volldarlehen kritisiert. Das BAföG war bei seiner Einführung ein Vollzuschuss, wohin wir zurückmüssen. Ein zinsfreies Volldarlehen mag eine bessere Alternative zu Studienkrediten darstellen, löst aber kaum Probleme. Denn der mit dem BAföG-Bezug einhergehende Verschuldungszwang ist noch immer abschreckend für viele Studierende gerade aus Arbeiter*innenfamilien, und Bildung sollte als Grundrecht ohnehin grundsätzlich kostenfrei sein.

 

Zusätzlich hat die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag viele weitere kleine strukturelle Änderungen zur Verbesserung des BAföG angekündigt. Sie würden, wie etwa eine längere Förderhöchstdauer, ein Notfallmechanismus oder die Studienstarthilfe, das BAföG tatsächlich sozial-inklusiver machen. Doch außer dem höheren Vermögensfreibetrag von 45.000 Euro und der Anhebung der Altersgrenzen lassen all diese Reformbestandteile weiter auf sich warten. 

 

Insofern war es durchaus spannend zu sehen, welche Änderungen als erstes angegangen wurden, und darüber, ob die beiden schließlich ausgewählten strukturellen Anpassungen die effektivsten ersten Schritte sind, lässt sich durchaus streiten. Selbstverständlich ist es richtig, den Vermögensfreibetrag zu erhöhen, und auch die Anhebung der Altersgrenze auf 45 Jahre begrüßen wir.

 

Eine längere Förderhöchstdauer
würde viel mehr Studierenden helfen

 

Gerade ersteres kommt jedoch vor allem Studierenden zugute, die ohnehin über ein finanzielles Polster verfügen. Es gibt kaum Studierende, die diese Vermögensgrenze überhaupt erreichen. Die Förderhöchstdauer beispielsweise zu verlängern würde demgegenüber viel mehr Studierenden helfen. Denn die Regelstudienzeit ist, wie viele Studien zeigen, schlicht nicht mehr die Regel, was dafür sorgt, dass viele Studierende noch vor Ende ihrer Studienzeit aus der BAföG-Förderung fallen.

 

Worte des Lobes fallen daher schwer. Immerhin sehen wir schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, einen Negativtrend beim BAföG. Jahr für Jahr sinken die Förderzahlen, was nicht nur an den Förderbeträgen, sondern auch an den Förderbedingungen liegt, die seit der Einführung des BAföG nur wenige Male an die sich verändernde Realität angepasst wurden. Es braucht also dringend eine "Trendwende", wie Politiker*innen gern sagen. Doch mit diesen Plänen sind wir weit von dieser Trendwende entfernt.

 

Dass der Referent*innenentwurf nun trotz aller Kritik fast genauso, wie er veröffentlicht wurde, das Bundeskabinett passiert hat, ist daher für alle Studierenden in Deutschland nach über zwei Jahren Coronapandemie, in denen wir konstant vergessen wurden, ein erneutes Zeichen dafür, dass wir der Politik schlicht egal sind. Daran kann auch das Versprechen eines zweiten Reformschrittes wenig ändern. Denn was im Kabinett beschlossen wurde, ist bestenfalls ein Reförmchen und bringt nicht die Trendwende, die wir so dringend brauchen.



Kommentar schreiben

Kommentare: 0